Politik

Merkel räumt Fehler in der Flüchtlingspolitik ein

Lesezeit: 3 min
17.08.2018 00:55
Bundeskanzlerin Merkel hat in Sachsen Fehler in der Flüchtlingspolitik eingeräumt.
Merkel räumt Fehler in der Flüchtlingspolitik ein

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CDU-Chefin Angela Merkel hat laut Aussage des sächsischen CDU-Fraktionschefs Frank Kupfer "selbstkritisch eingeräumt", dass Fehler gemacht worden seien. Mit Blick auf den Landtagswahlkampf im kommenden Jahr fügte er laut Reuters hinzu, dass Merkel dies in der Öffentlichkeit häufiger betonen sollte. "Die Wiederholung ist da die Mutter der Weisheit", sagte er.

Merkel hat eine Wiederholung der Flüchtlingssituation wie im Jahr 2015 ausgeschlossen. Es sei klar, "dass sich das Jahr 2015 nicht wiederholen soll und auch nicht wiederholen wird", sagte Merkel am Donnerstag nach dem Besuch der CDU-Landestagsfraktion in Dresden.

Merkel sagte, der Bund wolle mehr Verantwortung bei der Rückführung von Flüchtlingen übernehmen. Das gelte vor allem mit Blick auf die Beschaffung von Pässen. Dies sei etwas, womit man eine Landesregierung nicht allein lassen dürfe. "Gerade Rückführungen sind nach wie vor ein größeres Problem."

Nach Merkels Auffassung ist durch die große Zahl der Flüchtlinge in Deutschland auch Vertrauen verloren gegangen, ob der Staat das ordnen und steuern könne. Sie sei sich mit der sächsischen CDU über die Wege dazu in vielem einig: "Die Frage ist nur, wie schnell kann man bestimmte Dinge durchsetzen. Die Zeit drängt."

Merkel war bei ihrer Ankunft in Dresden von demonstrierenden Anhängern der AfD und der Pediga-Bewegung empfangen worden. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) warnte davor, von den protestierenden AfD-Anhängern auf die Stimmung im Land zu schließen. Mit Blick auf die Proteste rechter Gruppen am 3. Oktober 2016 fügte er hinzu, die Stadt Dresden habe es nicht verdient, von lautstarken Demonstranten "in den Dreck gezogen" zu werden. In Umfragen liegt die CDU zwar in Sachsen deutlich an erster Stelle, die AfD wäre danach aber mit zuletzt 24 Prozent zweitstärkste Kraft vor der Linkspartei.

Um in der Einwanderungsfrage das Heft des Handelns wieder in die Hand zu bekommen hat die Bundesregierung ihre Anstrengungen um ein Einwanderungsgesetz verstärkt.

Nach jahrelanger Debatte kursiert in der Bundesregierung dazu nun ein Papier, das laut Arbeitsminister Hubertus Heil zwischen dem Innen-, Arbeits- und Wirtschaftsministerium abgestimmt wurde. Bundesinnenminister Horst Seehofer hat die Eckpunkte für ein Einwanderungsgesetz vorgelegt. Damit will die Bundesregierung, wie im Koalitionsvertrag beschlossen, qualifizierten ausländischen Fachkräften den Zuzug nach Deutschland erleichtern. Eine endgültige Einigung in der großen Koalition steht aber noch aus. Merkel sagte, es müsse Fachkräftezuwanderung vom Bäcker bis zum Ingenieur möglich sein. Vor Weihnachten wolle man deshalb mit dem Gesetzentwurf fertig sein. Es brauche Menschen, die dauerhaft in Deutschland arbeiten wollen und können. Beim Thema Zuwanderung brauche es eine Mischung aus "mutig" und "überlegt".

Es seien gerade auch Engpässe in Ausbildungsberufen, die Handwerkern und Firmen das Leben schwer machten, sagte Heil dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Deshalb weiten wir die Möglichkeit aus, als Fachkraft mit einer profunden und hier gefragten beruflichen Ausbildung nach Deutschland zu kommen. Und man soll unter bestimmten Bedingungen auch nach Deutschland kommen können, um dann hier in einer noch festzulegenden Frist einen Job zu suchen." In dieser Zeit sollen jedoch keine Sozialleistungen bezogen werden können. Bisher können aus Drittstaaten nur studierte Fachleute ohne konkretes Jobangebot zur Arbeitssuche nach Deutschland einreisen.

"Wir werden das Fachkräftekonzept der Bundesregierung neu ausrichten und auf drei Bereiche konzentrieren: die inländischen, die europäischen und die internationalen Fachkräftepotenziale", heißt es laut Reuters in dem Papier. Vor allem bei der Gewinnung qualifizierter Fachkräfte aus Drittstaaten will die Regierung "deutlich erfolgreicher" werden. Die Bemühungen sollen dabei am Bedarf der Volkswirtschaft ausgerichtet werden. Kriterien für die Einwanderung sollen die Qualifikation, das Alter, Sprachkenntnisse, der Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzangebots und die Sicherung des Lebensunterhalts in angemessener Weise sein. Ein Punktesystem wie es die SPD vorgeschlagen hat, ist in dem Papier nicht enthalten.

Die Regierung besteht in dem Papier nicht mehr auf der umstrittenen Bevorzugung einheimischer Bewerber bei der Besetzung offener Stellen. "Wir verzichten im Grundsatz auf die Vorrangprüfung", heißt es dort. Dies solle nicht nur in sogenannten Engpassberufen gelten.

Zu Flüchtlingen heißt es in dem Papier, dass zur Fachkräftesicherung auch gehöre, "die Potenziale der Personen mit Fluchthintergrund, die eine Beschäftigung ausüben dürfen, für unseren Arbeitsmarkt zu nutzen". Vorgesehen sind auch "schnelle und einfache Anerkennungsverfahren" für mitgebrachte berufliche Qualifikationen sowie eine gezielte Werbestrategie zur Gewinnung von Fachkräften in ausgewählten Ländern.

Eine Formulierung zum heftig diskutierten "Spurwechsel" aus dem Asylverfahren in die reguläre Zuwanderung ist nicht enthalten. "Eine Zuwanderung in die Sozialsysteme werden wir verhindern", heißt es in dem Papier lediglich.

Überlegungen für einen sogenannten Spurwechsel von gut integrierten Asylbewerbern hatte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther ins Gespräch gebracht und dafür aus der Union Kritik geerntet. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte der "Süddeutschen Zeitung", er lehne es ab, abgelehnten Asylbewerbern den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. "Das könnte dazu führen, Deutschland attraktiver für illegale Zuwanderung zu machen." Sonderregelungen könne er sich nur für Pflegekräfte vorstellen. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, warnte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vor falschen Anreizen. Die Beantragung von Asyl und die Zuwanderung von Fachkräften müssten strikt getrennt bleiben. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), sagte dagegen: "Wir müssen gut integrierten Menschen mit Duldung, die bereits hier arbeiten, eine Bleibeperspektive geben." Sie leisteten ihren Beitrag für dieses Land.


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