Der womöglich größte Börsengang aller Zeiten findet vorerst wohl nicht statt. Saudi-Arabien habe die geplante Emission des staatlichen Ölkonzerns Saudi Aramco auf Eis gelegt, sagten vier Brancheninsider der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch. Die Platzierung eines Fünf-Prozent-Anteils an Aramco sollte nach den Vorstellungen von Kronprinz Mohammed bin Salman bis zu 100 Milliarden Dollar einbringen. Mehrere ausländische Börsen - unter anderem London, New York und Hongkong - hatten um die Rolle als zweiter Börsenplatz neben Riad gebuhlt. Doch unter den potenziellen Anlegern wuchsen Zweifel, ob der Ölriese wirklich zwei Billionen Dollar wert sei.
Ein hochrangiger Banker sagte zu Reuters: "Wir haben die Botschaft bekommen, dass der Börsengang auf absehbare Zeit abgesagt ist." Eigentlich sollte er noch in diesem Jahr über die Bühne gehen, doch interne Streitigkeiten über die Wahl des zweiten Börsenplatzes und über die Bewertung verzögerten das Vorhaben. Nun seien Investmentbanker und andere Berater, die die Emission vorbereiten sollten, von ihren Aufgaben entbunden worden. Das Budget, das Aramco dafür eingeräumt worden war, sei nicht über Juni hinaus verlängert worden. Federführend organisieren sollten den Börsengang die Investmentbanken JPMorgan und Morgan Stanley aus den USA sowie die britische HSBC.
"Die Entscheidung ist schon vor einiger Zeit gefallen, aber das darf niemand sagen", sagte ein saudi-arabischer Insider. Deshalb bewegten sich die Äußerungen dazu nur langsam in diese Richtung. "Erst Verzögerung, dann Absage." Der saudi-arabische Energieminister Khalid al-Falih betonte, die Regierung halte grundsätzlich an den Börsenplänen fest - "wenn die Umstände und der Zeitpunkt passen, und im Einklang mit einer für die nächsten Monate geplanten Downstream-Akquisition."
Damit spielt al-Falih offenbar auf die geplante Übernahme eines Anteilspakets des saudi-arabischen Staatsfonds PIF (Public Investment Fund) am Petrochemie-Konzern Saudi Basic Industries Corp (Sabic) durch Aramco an, über die Reuters bereits im Juli berichtet hatte. Unter "Downstream" versteht man in der Ölindustrie die Tätigkeiten, die mit der Weiterverarbeitung des Rohöls zu tun haben. Das würde dem Staat zusätzliches Geld in die Kasse spülen.
Kronprinz Mohammed hätte es mit dem Börsengang von Aramco dann nicht mehr so eilig. Er wollte mit dem Mega-Erlös aus der Emission den Umbau der saudi-arabischen Wirtschaft finanzieren, mit dem das Land seine Abhängigkeit vom Öl reduzieren will. So plant er ein gigantisches Infrastruktur-Projekt zwischen dem Roten Meer und dem Golf von Akaba. Saudi-Arabien veranschlagt die Investitionen für die Industriezone, die auf einer Fläche von 26.500 Quadratkilometern entstehen soll, auf 500 Milliarden Dollar. Dort sollen Firmen von der Energie- und Wasserwirtschaft über die Biotechnologie bis zur Unterhaltungsbranche angesiedelt werden. Um internationale Investoren anzulocken, soll die Zone eine Teil-Autonomie erhalten. Beraten wird Mohammed bin-Salman dabei vom ehemaligen Siemens-Chef Klaus Kleinfeld.