Politik

EU-Kommissar Hahn: Neue Grenzen in Europa sind möglich

Lesezeit: 4 min
27.08.2018 22:06
EU-Kommissar Hahn hält eine neue Grenze zwischen Serbien und dem Kosovo für denkbar. Die USA fordern dies schon seit längerem, Russland und Deutschland sind dagegen.
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Der serbische Präsident Aleksandar Vucic und sein kosovarischer Amtskollege Hashim Thaci haben am vergangenen Samstag bei einer Podiumsdiskussion in Österreich erklärt, dass sie eine Änderung der Grenzen zwischen Serbien und dem Kosovo in Erwägung ziehen, um eine historische Friedensregelung zu erreichen, berichtet Politico.

Dabei forderten sie die Europäische Union auf, ihre Bemühungen entscheidend zu unterstützen. „Wir sollten es ihnen überlassen [Serbien und Kosovo], (...) eine Lösung zu finden. Diese wird von uns unterstützt, wenn die Rahmenbedingungen stimmen", sagte EU-Kommissar Johannes Hahn, der ebenfalls an der Diskussion teilnahm. „Es geht um eine bilaterale Lösung, die nicht als Blaupause für andere Themen dienen sollte“, zitiert ihn der EU Observer. Die Änderungen würden wahrscheinlich dazu führen, dass das Presevo-Tal, ein ethnisch-albanisches Gebiet in Südserbien, dem Kosovo als Gegenleistung für die Übergabe serbisch-ethnischer Gebiete im nördlichen Kosovo an Serbien übergeben wird. „Wir wollen unseren Nachbarländern, EU-Mitgliedstaaten und anderen Ländern der Welt versichern, keine Angst vor einem möglichen friedlichen Abkommen zwischen dem Kosovo und Serbien zu haben, selbst wenn eine solche Vereinbarung eine Grenzkorrektur erfordert“, sagte Thaci. Serbiens Vucic beschrieb den Status quo als einen „eingefrorenen Konflikt“. „Jemand wird es eines Tages entfrieren und dann würden wir einen Krieg haben. Und keiner von uns will einen Krieg“, so Vucic.

Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: „Die EU vermittelt zwischen Serbien und Kosovo in einem regelmäßig stattfindenden ,Facilitated Dialogue', um einen dauerhaften Frieden in der Region herzustellen. Voraussetzung dafür ist eine umfassende und nachhaltige Vereinbarung zwischen beiden Seiten. Zu den einzelnen Elementen der Vereinbarung kann sich die EU als Vermittler nicht äußern.“

Die indirekte Billigung Hahns für eine Grenzverschiebung steht im Gegensatz zu den Positionen Deutschlands und Großbritanniens. „Die territoriale Integrität der Staaten des westlichen Balkans ist etabliert und unantastbar (...) Das muss immer wieder gesagt werden, weil immer wieder versucht wird, über Grenzen zu reden, und das können wir nicht hinnehmen“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am 13. August in Berlin nach einem Treffen mit dem bosnischen Präsidenten Denis Zvizdic.

Der britische Botschafter im Kosovo, Ruairi O'Connell, sagte am 14. August dem kosovarischen Sender T7: „Grenzen sind in Worten geschrieben, aber sie ändern sich mit Kugeln (...) Albaner aus dem Kosovo sollten akzeptieren, dass das Presevo-Tal nicht ihr Teil ist.“

Daraufhin teilte Thaci dem britischen Botschafter am 15. August über Twitter mit: „Die Demarkierung/Korrektur von 400 Kilometern der Grenze zwischen dem Kosovo und Serbien wird durch Dialog erfolgen, nur durch Worte und dem Friedensprozess erfolgen. Dies ist weit entfernt von feindseligen Worten und Kriegsgeschossen. Diese Ideen sind uns fremd und sollten von allen abgelehnt werden“.

Der britische Botschafter in Pristina, Ruiri O'Connell, vertritt die Ansicht, dass die britische Regierung gegen die Idee von Thaci sei, das Gebiet zu teilen, weil es „Auswirkungen auf den gesamten Balkan hätte“.

Der Vorsitzende der kosovarischen Oppositionspartei Vetevendosje, Albin Kurti, beschuldigt Thaci, „nationale Interessen zu verkaufen", indem er Serbien Zugeständnisse macht. Kurti sagt, dass die Opposition Massenproteste veranstalten werde, wenn im Herbst keine Neuwahlen stattfinden, berichtet bne IntelliNews.

Die USA unterstützen die neue Grenzziehung. John Bolton, nationaler Sicherheitsberater der US-Regierung, sagte am 24. August während eines Besuchs in Kiew: „Wir würden uns nicht in den Weg stellen, und ich denke nicht, dass irgendjemand in Europa im Weg stehen würde, wenn die beiden Parteien des Konflikts eine für beide Seiten befriedigende Lösung erreichen würden“.

Russland und China sind gegen eine Verschiebung der Grenzen zwischen Serbien und dem Kosovo. Ein weiterer Gegner des Plans ist die serbische-orthodoxe Kirche, die in der serbischen Gesellschaft einen erheblichen Einfluss hat, berichtet Bloomberg. Sie erhebt Anspruch auf den gesamten Kosovo, da sich dort zahlreiche alte serbische Klöster und Kirchen befinden.

Spannungen im Grenzgebiet

Die kosovarische Regierung hatte sich im vergangenen Jahr dazu entschieden, eine reguläre nationale Armee zu gründen. Im Februar 2017 stimmten 68 von 120 Abgeordneten des kosovarischen Parlaments für die Gründung. Somit werden die Sicherheitskräfte des Kosovo (FSK) durch die Streitkräfte des Kosovo (FAK) ersetzt. Der damalige kosovarische Premier Isa Mustafa sagte in einer diesbezüglichen Erklärung, dass 113 Staaten das Kosovo weltweit anerkannt hätten, und dass das Kosovo alle erforderlichen staatlichen Institutionen aufweist, um eine eigene Armee zu haben.

Nach der Abstimmung im Parlament traf sich der FSK-Minister Haki Demollli mit einer Delegation des US-Außenministeriums unter der Leitung des US-Direktors für Süd- und Zentraleuropa, Matthew Palmer. Beim Treffen wurde die Transformation der FSK in die FAK erörtert, berichtet die Stargazete.

Demolli dankte Palmer für den Einsatz der Nato im Kosovo. Palmer hingegen sagte, dass die USA den euro-transatlantischen Kurs des Kosovo und die Formierung einer kosovarischen Armee vollkommen unterstützen würden.

Daniel Serwer, ein Balkanexperte von der John Hopkins University, sagte in einem Interview mit der bosnischen Zeitung Gazeta Express, dass die Gründung einer Kosovo-Armee „eine klare Botschaft von Washington“ sei. „Ich weiß nicht, was uns erwartet. Die neue US-Regierung sagte wenig über die Balkan-Region, und soweit ich weiß, nichts über Bosnien und Herzegowina. Die einzige klare Aussage ist, dass das Pentagon die Gründung der Kosovo-Armee unterstützt“, so Serwer.

Die Entscheidung zur Gründung einer Kosovo-Armee hat Proteste aus Moskau und Belgrad nach sich gezogen. Alexander Karpuschin, der russische Botschafter in Albanien, sagte der Zeitung Koha Ditore, dass die UN-Resolution 1244 die Gründung einer Kosovo-Armee verbiete.

Der damalige US-Verteidigungsminister James Mattis hatte am 12. Januar 2017 im US-Kongress angedeutet, dass das Kosovo die Fähigkeit erlangen sollte, sein Territorium selbstständig zu verteidigen. Die US-Botschaft im Kosovo zitiert Mattis: „Darüber hinaus wäre es vernünftig, den Sicherheitskräften des Kosovo ein Mandat zu geben, wonach sie die innere Sicherheit und die territoriale Verteidigung leisten kann, was eine Änderung Verfassungsänderung mit parlamentarischer Unterstützung voraussetzt – bevor die US-Militärpräsenz reduziert wird.“

Die USA haben im Kosovo etwa 650 Soldaten im Rahmen des KFOR-Einsatzes der Nato stationiert. Insgesamt befinden sich 4.500 Nato-Soldaten in dem Land. Serbien, das die Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkennt, lehnt die Schaffung einer regulären Kosovo-Armee entschieden ab, so B92. Der weltweit größte und teuerste US-Militärstützpunkt Camp Bondsteel befindet sich in Ferizaj/Kosovo. Der Stützpunkt dient der Nato-Mission im Kosovo. Das Hauptquartier des KFOR-Einsatzes der Nato befindet sich in Pristina.

Während die USA als Schutzmacht der Kosovaren gelten, ist Russland die historische Schutzmacht der Serben in der Region. Eine Eskalation des Konflikts würde zwangsläufig zu Spannungen zwischen Moskau und Washington führen.

Der kosovarische Präsident Hasim Thaci hatte Ende Januar 2017 mit der türkischsprachigen Ausgabe der Deutschen Welle ein Interview geführt. Im Interview warf er der Regierung in Belgrad vor, die serbische Minderheit im Norden des Kosovo in einer verdeckten Aktion zu bewaffnen. „Serbien möchte im Kosovo dasselbe Modell wie Russland in der Ukraine umsetzen. Belgrad entsendet Zivilisten und Uniformierte in den Norden des Kosovo. Nach ihren Angaben möchten sie damit die Serben im Norden vor möglichen Angriffen durch die Kosovaren schützen“, zitiert die Deutsche Welle Thaci.

Der damalige serbische Präsident Tomislav Nikolic warf der Regierung des Kosovo hingegen vor, dass sie einen „Krieg“ provozieren wolle. Der Guardian zitiert Nikolic: „Wir sind ein Land, das sein eigenes Volk und sein Territorium verteidigen muss (…) Warum haben sich die so genannte internationalen Gemeinschaft und die Albaner derart über einen Zug aufgeregt? Vielleicht, weil ,Kosovo ist serbisch‘ auf die Waggons geschrieben wurde, und weil Bilder von unseren Ikonen drauf waren?“

 

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