Politik

Verfassungschützer Maaßen stürzt Regierung in eine Krise

Lesezeit: 2 min
14.09.2018 01:29
Die SPD schießt sich auf Verfassungsschutzpräsident Maaßen ein und sieht sich durch neue Vorwürfe bestätigt.
Verfassungschützer Maaßen stürzt Regierung in eine Krise

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Parteichefs von CDU, CSU und SPD haben eine Entscheidung zur Zukunft des Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen am Donnerstag nach einem zweistündigen Krisentreffen im Kanzleramt auf kommenden Dienstag vertagt, wie das Bundesinnenministerium mitteilte. Zuvor waren neue Vorwürfe gegen Maaßen laut geworden, in denen es um die Weitergabe möglicherweise vertraulicher Informationen an einen Politiker der AfD geht.

Ein Sprecher des von CSU-Chef Horst Seehofer geleiteten Innenressorts teilte am frühen Abend nach dem Spitzentreffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Horst Seehofer und der SPD-Vorsitzenden Chefin Andrea Nahles mit, es sei "ein gutes, ernsthaftes Gespräch mit dem Ziel weiterer Zusammenarbeit" geführt worden. Über die Inhalte sei Stillschweigen vereinbart worden. Von einem "ernsthaften" Gespräch und dem "Ziel weiterer Zusammenarbeit" war auch aus SPD-Kreisen die Rede.

Maaßen bleibt jedoch ein Problem für die Bundesregierung, denn die SPD besteht auf dem Abgang des Verfassungsschutz-Chefs. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil erklärte in Berlin, für die Parteiführung sei "völlig klar, dass Maaßen gehen muss". Merkel müsse jetzt handeln.

Auch SPD-Fraktionsvize Eva Högl forderte Merkel auf, für "Klarheit" zu sorgen. Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) sagte der Welt, Maaßen sei "als Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz nicht mehr tragbar". Zuvor hatten mehrere SPD-Politiker den Fortbestand der Koalition in Frage gestellt, sollte Maaßen im Amt bleiben.

Neue Vorwürfe wegen AfD

Für neue Empörung sorgten Angaben des AfD-Bundestagsabgeordneten Stephan Brandner gegenüber dem ARD-Magazin "Kontraste", wonach Maaßen ihm bei einem Gespräch im Juni Daten zu islamistischen Gefährdern weitergegeben habe, die aus dem damals noch nicht veröffentlichten Verfassungsschutzbericht stammten. Zudem ging es laut Brandner um den Haushalt des Verfassungsschutzes. Dieser ist als vertraulich eingestuft.

Ein Sprecher des Verfassungsschutzes trat laut dpa dem Endruck entgegen, Maaßen habe unerlaubt Informationen weitergegeben. Das Bundesinnenministerium teilte zu dem Vorgang mit, Gespräche des Verfassungsschutzchefs mit Abgeordneten seien "Teil des gesetzlichen Auftrags" der Behörde. Sie erfolgten "mit Wissen und Wollen" des Innenministeriums.

Die Daten aus dem Verfassungsschutzbericht hätten "den anderen Fraktionen und der Öffentlichkeit erst Wochen später zur Verfügung gestanden", sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz der Frankfurter Rundschau. Zudem wäre es aus seiner Sicht ein schwerwiegender Vorgang, wenn Maaßen auch Interna aus dem Haushalt seiner Behörde an die AfD gegeben habe.

Der Linken-Abgeordnete André Hahn verwies darauf, dass Maaßen am Mittwoch im Innenausschuss erklärt habe, niemals Unterlagen des Bundesamtes an Vertreter der AfD weitergegeben zu haben. Wenn Maaßen nun auch noch das Parlament belogen habe, dann müsse Seehofer ihn "noch heute entlassen", forderte Hahn in Berlin.

Vorwürfe wegen Amri

Angebliche Angehörige deutscher Opfer des Weihnachtsmarkt-Anschlags auf dem Berliner Breitscheidplatz haben Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen Falschaussagen vorgeworfen. Maaßen habe "den Bundestag und die Öffentlichkeit über die Aktivitäten seiner Behörde wissentlich falsch informiert", heißt es nach einem Bericht des RBB vom Donnerstag in einer Stellungnahme der Betroffenen vom 11. September 2018, die dem Sender vorliege. Der Sender legte allerdings nicht offen, um welche Angehörige es sich handelt.

Hintergrund sind Berichte, wonach das Bundesamt für Verfassungsschutz einen V-Mann im unmittelbaren Umfeld des Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri platziert hatte. Maaßen hatte damals jedoch auf entsprechende Fragen hin erklärt, die Behörde habe vor dem Anschlag vom Dezember 2016 "keine eigene Informationsbeschaffung" betrieben. "Im Umfeld des Amri wurden keine V-Leute des BfV eingesetzt", hieß es seinerzeit in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion.

"Es ist offensichtlich, dass frühere Aussagen gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit revidiert werden müssen“, zitierte auch das Magazin "Spiegel" aus dem Schreiben der Hinterbliebenen. Sie forderten Maaßen auf, "sich kurzfristig und umfänglich öffentlich dazu zu erklären, in welchem Umfang das Bundesamt für Verfassungsschutz in Zusammenhang mit Anis Amri aktiv gewesen ist".

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter bezeichnete Seehofer als Sicherheitsproblem für die Bundesregierung. "Der Innenminister sorgt nicht für Sicherheit, sondern ist selbst zum Sicherheitsproblem geworden", sagte Hofreiter der Rheinischen Post. Hofreiter machte den CSU-Chef zudem für die kritische politische Lage der Koalition verantwortlich. "Gerade einmal zehn Wochen nach der letzten Regierungskrise erleben wir heute die nächste", sagte der Fraktionschef der Grünen im Bundestag. Im Mittelpunkt stehe "wieder einmal" Seehofer.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tarifkonflikt gelöst: Keine Lufthansa-Streiks zu Ostern
28.03.2024

Nachdem die Deutsche Bahn ihren Tarifkonflikt mit der Lokführergewerkschaft GDL in dieser Woche gelöst hat, scheinen auch bei der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft „Made in Germany“ ist wieder gefragt - deutsche Exporte steigen deutlich
28.03.2024

Der Außenhandel in Deutschland hat wider Erwarten zu Jahresbeginn deutlich Fahrt aufgenommen. Insgesamt verließen Waren im Wert von 135,6...

DWN
Finanzen
Finanzen Der Ukraine-Krieg macht's möglich: Euro-Bonds durch die Hintertür
27.03.2024

Die EU-Kommission versucht, mehr Macht an sich zu ziehen. Das Mittel der Wahl hierfür könnten gemeinsame Anleihen, sogenannte Euro-Bonds,...

DWN
Politik
Politik Bundeswehr unterstützt Strukturwandel in der Lausitz
27.03.2024

In Bernsdorf im Landkreis Bautzen wird ein neues Logistik-Zentrum der Bundeswehr entstehen. Das entschied Verteidigungsminister Boris...

DWN
Unternehmen
Unternehmen EU blockiert Übernahme von ITA Airways und schützt Lufthansa vor sich selbst
27.03.2024

Brüssel hat neue Hürden für die Übernahme der italienischen Fluggesellschaft ITA Airways aufgestellt. Die dänische EU-Kommissarin...

DWN
Finanzen
Finanzen Gold verkaufen: So geht's und so erhalten Sie den besten Preis
27.03.2024

Der Goldpreis-Rekord liegt bei über 2.200 US-Dollar, erst kürzlich erreichte das Edelmetall dieses historische Hoch. Viele Goldbesitzer...

DWN
Finanzen
Finanzen Staatsschulden steigen - Ende 2023 bei fast 2,5 Billionen Euro
27.03.2024

Die öffentlichen Staatsschulden sind im vergangenen Jahr um 3,3 Prozent gestiegen. Die Verschuldung des Bundes nahm überdurchschnittlich...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Douglas-Börsengang: Was nach dem IPO für Anleger zu beachten ist
27.03.2024

Douglas wurde zum Börsenstart bei der Rückkehr auf das Frankfurter Parkett mit einer Marktkapitalisierung von 2,8 Milliarden Euro...