Politik

Jordanien öffnet Grenzübergang zu Syrien

Jordanien hat am Montag die Grenze zu Syrien wieder geöffnet. Der Vorstoß ist ein Hinweis dafür, dass Jordanien mit einem Sieg von Syriens Präsident Assad rechnet.
16.10.2018 01:18
Lesezeit: 4 min

An der Grenze zu Jordanien wurde am Montag der wegen des Syrien-Konflikts seit drei Jahren geschlossene Grenzübergang Nassib wiedereröffnet. „Wir sind voll und ganz bereit für den Personen- und Warenverkehr”, sagte der jordanische Chef der Grenzabfertigung, Imad Riyalat, der Nachrichtenagentur Reuters. Der Grenzverkehr sei noch schwach, aber es werde erwartet, dass er in den nächsten Tagen richtig in Fahrt komme.

Die syrische Armee (SAA) hat das Grenzgebiet im Juli von den Söldner-Truppen zurückerobert. Die Schließung des Grenzübergangs 2015 durchtrennte eine der wichtigsten Transitrouten von der Türkei und Libanon bis an den Golf. Hunderte Lastwagen passierten ihn täglich. Geplant ist auch die Freigabe des Grenzübergangs Quneitra auf den in von Israel besetzten Golanhöhen. Damit sollen die UN-Friedenstruppen dort wieder in die Lage versetzt werden, ihren Aufgaben nachzukommen. Ihr Einsatz in der entmilitarisierten Zone wurde durch den Konflikt in Syrien unterbrochen.

Die BBC führt aus: „Die Schließung von Nassib im Jahr 2015, als es von syrischen Rebellengruppen überrannt wurde, schnitt eine entscheidende Transitstrecke für Güter in Milliardenhöhe ab und hatte schwerwiegende wirtschaftliche Auswirkungen auf die Region. Martin Patience von der BBC in Beirut sagt, dass die Wiederaufnahme der Überfahrt die syrische Wirtschaft stärken wird (...) Jordanien unterstützte die Rebellion gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Doch jetzt scheint er kurz vor dem Sieg zu stehen, nachdem die syrische Armee mit Hilfe russischer Luftangriffe und iranischer Milizen die Oppositionskämpfer in den südlichen Provinzen Deraa und Quneitra besiegt hat.“

Der Wiederaufbau Syriens

The Middle East Eye (MEE) berichtet, dass die syrische Regierung zwar einen militärischen Sieg errungen habe, der Wiederaufbau des Landes jedoch viel Geld kosten wird. MEE wörtlich: „Aus militärischer Sicht gewinnt Assad das Spiel. Eine Umkehr des Schicksals scheint jetzt unmöglich. Aber die Kriegsjahre haben eine schwere Bilanz hinterlassen: Schätzungen zufolge sind mehr als 500.000 Menschen gestorben, mehr als zehn Millionen sind aus dem Land geflohen oder wurden intern vertrieben. Schätzungen zufolge werden für den Wiederaufbau Syriens bis zu 400 Milliarden Dollar benötigt.

Andere Schätzungen reichen von 100 bis 350 Milliarden US-Dollar und sogar eine Billion US-Dollar (...) Die USA, die EU und die Golfstaaten könnten die notwendigen Wiederaufbaumittel aufbringen, waren aber Assad gegenüber politisch feindselig und unterstützten die Rebellengruppen, um ihn von der Macht zu entfernen. Assad hat bereits ein Angebot Saudi-Arabiens abgelehnt, den Wiederaufbau im Austausch für eine diplomatische Wende (Syriens, Anm. d. Red.) im Iran zu finanzieren (...) Die traditionellen Verbündeten Syriens, Russland und Iran, werden im Wiederaufbauprozess wenig genutzt werden, da ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Teheran befindet sich inmitten einer ernsten Wirtschaftskrise inmitten verschärfter US-Sanktionen, während Russland mit seiner großen Militärmacht ungefähr das BIP Spaniens hat. China ist zwar in der Lage, einen Teil des Wiederaufbaus zu finanzieren, ist jedoch weiterhin skeptisch gegenüber Investitionen in Syrien angesichts der allgegenwärtigen Korruption und des Fehlens jeglicher Garantien für eine Kapitalrenditen.“

Deutschland könnte hingegen beim Wiederaufbau Syriens eine entscheidende Rolle spielen. Reuters führt aus: „Klassischerweise kommen Deutschland und die EU ins Spiel, wenn es um den Wiederaufbau eines Landes geht. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte Merkel bereits Mitte August bei ihrem Besuch in Sotschi aufgefordert, nun in Syrien aktiv zu werden. Für die Rückkehr der nach Europa und vor allem Deutschland geflüchteten Syrer sei etwa der Wiederaufbau der zerstörten Wasserversorgung wichtig.

Aber die Bundesregierung steckt in einem Zielkonflikt: Einerseits stimmen EU-Diplomaten der Argumentation Putins zu. Nur Deutschland und die EU hätten die finanziellen Ressourcen, um den Menschen in dem vom Bürgerkrieg zerstörten Land wieder eine Lebensgrundlage zu schaffen. Andererseits droht man damit aber die Kriegsziele Russlands und des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu unterstützen und deren Macht zu zementieren. Dabei hatte auch die Bundesregierung früher gefordert, dass Assad abtreten müsse. „Dass es am Ende eines solchen (politischen) Prozesses eine langfristige Perspektive für Assad gibt, das kann ich mir, wenn dies ein echter demokratischer Prozess ist, beileibe nicht vorstellen“, so Bundesaußenminister Heiko Maas.

Parteiübergreifend ist man sich deshalb in Berlin einig, dass es ohne klare Zugeständnisse kein Geld für den Wiederaufbau geben dürfe.

Problematische Lage in Idlib

Syriens Außenminister Walid al-Moualem sagte am Montag, es obliege jetzt Russland, zu beurteilen, ob der Deal zur Verhinderung einer syrischen Regierungsoffensive auf die Provinz Idlib in Erfüllung gegangen sei, berichtet der englischsprachige Dienst von Reuters.

„Wir können nicht über die Fortsetzung der gegenwärtigen Situation in Idlib schweigen, wenn die al-Nusra-Front (Hayat Tahrir al-Scham, Anm. d. Red.) sich weigert, dieses Abkommen einzuhalten (...) Wir haben immer gesagt, dass Idlib, wie jede andere Provinz auch, zur syrischen Souveränität zurückkehren muss. Wir ziehen es vor, dies durch friedliche Mittel zu erreichen, durch Versöhnung, aber wenn nicht, gibt es andere Möglichkeiten. Unsere Streitkräfte sind bereit, den Terrorismus zu beseitigen, wenn das Idlib-Abkommen nicht umgesetzt wird“, sagte al-Moualem auf einer Pressekonferenz mit seinem irakischen Amtskollegen Ibrahim al-Jaafari in Damaskus.

Einen Tag zuvor teilte die die al-Nusra-Front mit, dass sie das Abkommen von Idlib nicht umsetzen werden. Stattdessen will die extremistische Söldner-Truppe den bewaffneten Kampf gegen Syrien und Russland weiterführen.

Das Idlib-Abkommen von Sotschi wurde am 17. September zwischen Russland und der Türkei ausgearbeitet. Dem Abkommen zufolge soll eine entmilitarisierte Zone entlang der Frontlinie zwischen Söldnern und syrischen Regierungssoldaten entstehen und 15 bis 20 Kilometer breit sein. Die Nationale Befreiungsfront (NLF) hat das Abkommen bereits umgesetzt. Die NLF wird von der Türkei kontrolliert.

Ahmed Tomeh, der unter dem oppositionellen Dachverband der Nationalkoalition syrischer Revolutions- und Oppositionskräfte von Istanbul aus eine Gegenregierung gegen Damaskus anführt, sagte am Montagnachmittag, dass in Idlib ein umfassender Waffenstillstand umgesetzt werden muss. „Wir hoffen, dass es in Idlib zu einer Rückkehr zu einem umfassenden Waffenstillstand kommt. Nach einer kurzen Zeit muss die gesamte Region in eine Sicherheitszone übergehen. Das Idlib-Abkommen hat sowohl die nationale Sicherheit Syriens als auch der Nachbarländer vor Terroristen gesichert. Die Projekte der Gruppen in der Region, die verschiedenen Zielen dienen, wurde somit verhindert. In Syrien muss eine zivilisierte und demokratische Regierung an die Macht und das syrische Regime muss weg (...) Alle Gruppen, die sich nicht wie die Freie Syrische Armee (FSA) an das Abkommen zum Abzug ihrer Waffen gehalten haben, müssen das Abkommen unverzüglich umsetzen“, zitiert die Zeitung Hürriyet Tomeh.

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