Politik

Bewaffneter Angriff auf Atom-Konvoi in Brasilien

Lesezeit: 3 min
22.03.2019 17:13
In Brasilien haben Unbekannte einen Atomkonvoi angegriffen. Der Konvoi war auf dem Weg zu einer Atomanlage, die mit deutscher Technologie gebaut wurde.
Bewaffneter Angriff auf Atom-Konvoi in Brasilien
Nukleare Einrichtungen in Brasilien. (Grafik: Stratfor)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Eine Gruppe Bewaffneter hat am vergangenen Dienstag in Brasilien einen Atom-Konvoi angegriffen. Der Konvoi verließ den Hauptsitz von Industrias Nucleares de Brasil (INB) in Resend am Dienstag gegen 6.20 Uhr und fuhr in Richtung der Atomanlage Angra, das sich am Itaorna-Strand in Angra dos Reis (Rio de Janeiro) befindet.

Dem Konvoi gehörten zwei spezialisierte Lastwagen mit Uran-Pellets, die von der Federal Highway Police und Fahrzeugen des staatlichen Umweltinstituts begleitet wurden, an. Uran-Pellets sind kleine Brennstofftabletten. Nach Informationen der brasilianischen Zeitung O Globo attackierten Bewaffnete den Konvoi mit Schusswaffen. Die Polizei erwiderte den Angriff. Es soll zu einem heftigen Schusswechsel gekommen sein. Der Konvoi erreichte sein Endziel ohne weitere Zwischenfälle 20 Minuten nach dem Angriff.

Der Bürgermeister von Angra dos Reis, Fernando Jordão, bat den Gouverneur von Rio, Wilson Witzel, um zusätzliche Sicherheit rund um das Kernkraftwerk.

"Ich habe dem Gouverneur gesagt, dass wir einen Sicherheitsplan für die Region erstellen müssen, da wir hier über Atomkraftwerke verfügen. Dies ist ein sensibles Gebiet”, so Jordão. Er rief nach dem Vorfall den Notstand aus.

Die seit 2016 steigenden Kriminalitätsraten im Bundesstaat Rio de Janeiro erreichten 2017 und erneut 2018 Allzeit-Höchststände. Insgesamt wurden im Jahr 2017 6.732 Tötungsdelikte registriert, die auf Kämpfe zwischen bewaffneten Banden zurückgehen, berichtet die private kanadische Sicherheitsfirma Garda World.

Seit Februar 2018 sind im Bundesstaat Sicherheitskräfte im Einsatz. Es wird erwartet, dass sie mindestens bis zum Jahresende die Kontrolle behalten.

Deutschland in Brasiliens Atommarkt

Der Angra-1-Reaktor wurde vom US-Konzern Westinghouse von 1971 bis 1982 gebaut. Er hatte anhaltende Probleme mit der Dampfzufuhr und der Ladefaktor betrug in den ersten 15 Jahren nur 25 Prozent, so die World Nuclear Association.

Im Jahr 1975 schlossen Deutschland und Brasilien ein Atomabkommen ab, das auch als der “Deal des Jahrhunderts” umschrieben wurde. Deutschland erklärte sich bereit, acht Reaktoren, eine Reihe von Kernbrennstoff-Kreisläufen zu liefern und einen direkten Technologietransfer zu ermöglichen.

Im Rahmen des Deutschland-Brasilien-Abkommens sollten die Druckwasserreaktoren Angra 2 und 3 mit Ausrüstung der Kraftwerk Union (KWU) sofort gebaut werden. Die Arbeiten an Angra-2 begannen 1976, wurden jedoch wegen fehlender Finanzmittel und eines weniger als erwarteten Wachstums der Elektrizitätsnachfrage eingestellt. Die Arbeit wurde 1995 wieder aufgenommen und der Reaktor wurde im Jahr 2000 in Betrieb genommen. Drei Jahre zuvor wurde Eletronuclear als Tochtergesellschaft des staatlichen Energieversorgers Eletrobrás gegründet und übernahm die Verantwortung für den Bau und Betrieb von Kernkraftwerken.

Die Entwicklung von Angra-3 - einem Druckwasserreaktor von Siemens/KWU, der mit Angra-2 identisch ist - begann 1984, wurde jedoch 1986 vor dem Vollbau eingestellt. 2006 kündigte die Regierung Pläne an, Angra-3 fertig zu stellen und  ab 2015 vier weitere Reaktoren zu bauen. Im Jahr 2008 unterzeichnete Eletronuclear mit Areva eine Vereinbarung im Zusammenhang mit Angra-3. Mitte 2010 erteilte die Nationale Atomenergiekommission eine Baugenehmigung. Zwischenzeitlich gab es Finanzierungsprobleme.

Russland und China wollen in Brasiliens Atommarkt eintreten

Im vergangenen Jahr hatten Centrais Electricas Brasileiras (Eletrobras) und Eletrobras Termonuclear S.A. (Eletronuclear) mit dem französischen Energieversorger Electricité de France (EDF) eine Absichtserklärung unterzeichnet, wodurch Angra-3 bald fertiggestellt werden könnte. Zuvor hatten Eletrobras und Eletronuclear Absichtserklärung mit dem russischen Atomkonzern Rosatom und der  China National Nuclear Corporation (CNNC) unterzeichnet, um ihre Kooperationen im Ausbau der nuklearen Fähigkeiten Brasiliens zu erweitern.

Zuvor hatte im Dezember 2015 das brasilianische Bundesstrafgericht die Anklagen der Staatsanwaltschaft gegen Eletronuclear im Zusammenhang mit dem Nuklearreaktor Angra-3 ratifiziert. Der Chef von Eletronuclear, Luiz Pinheiro da Silva - ein Gesellschafter von Engevix -, wurde unter Hausarrest gestellt. Im August 2016 wurde Silva zu 43 Jahren Haft verurteilt. Er soll unter anderem Bestechungsgelder an Beamte gezahlt haben, um den Bau von Angra-3 voranzutreiben, so der englischsprachige Dienst von Reuters. Neben Silva wurden im August 2016 zwölf weitere Personen, darunter Silvas Tochter, wegen ihrer Beteiligung an der Veruntreuung öffentlicher Gelder verurteilt.

Ex-Präsident von Brasilien, Michel Temer, wird verhaftet

Im Zusammenhang mit dem Bau von Angra 3 wurde der brasilianische Ex-Präsident Michel Temer am Donnerstag verhaftet. Gegen Temer wird im Rahmen des größten Korruptionsskandals Lateinamerikas, “Lava Jato”, ermittelt. Unter anderem soll er bei der Vergabe eines Energieprojekts die Zahlung von Schmiergeldern eingefädelt haben. Neben Temer wurden am Donnerstag auch der frühere Energieminister Moreira Franco und sechs weitere Verdächtige festgesetzt, so die dpa.

Der Eigentümer des Energieunternehmens Engevix sagte laut einem Bericht des Nachrichtenportals G1 bei einer Vernehmung durch die Bundespolizei, er habe auf Bitten eines Vertrauten Temers eine Million Reais (rund 260.000 Euro) Schmiergeld gezahlt. Später erhielt das Unternehmen einen Auftrag beim Bau des Atomkraftwerks Angra 3.

 

 

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Verfassungsgericht stärken: Mehrheit der Parteien auf dem Weg zur Einigung?
28.03.2024

Das Verfassungsgericht soll gestärkt werden - gegen etwaige knappe Mehrheiten im Bundestag in aller Zukunft. Eine Einigung zeichnet sich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschlands maue Wirtschaftslage verhärtet sich
28.03.2024

Das DIW-Konjunkturbarometer enttäuscht und signalisiert dauerhafte wirtschaftliche Stagnation. Unterdessen blieb der erhoffte...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Lauterbach will RKI-Protokolle weitgehend entschwärzen
28.03.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, dass einige der geschwärzten Stellen in den Corona-Protokollen des RKI aus der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Brückeneinsturz in Baltimore trifft Importgeschäft der deutschen Autobauer
28.03.2024

Baltimore ist eine wichtige Drehscheibe für die deutschen Autobauer. Der Brückeneinsturz in einem der wichtigsten Häfen der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Osterfreude und EM-Fieber: Hoffnungsschimmer für Einzelhandel
28.03.2024

Das Ostergeschäft verspricht eine Wende für den deutschen Einzelhandel - nach einem düsteren Februar. Wird die Frühlingshoffnung die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft „Made in Germany“ ist wieder gefragt - deutsche Exporte steigen deutlich
28.03.2024

Der Außenhandel in Deutschland hat wider Erwarten zu Jahresbeginn deutlich Fahrt aufgenommen. Insgesamt verließen Waren im Wert von 135,6...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienkrise für Banken noch nicht überwunden
28.03.2024

Die deutschen (Pfandbrief-)Banken sind stark im Gewerbeimmobilien-Geschäft engagiert. Das macht sie anfällig für Preisrückgänge in dem...

DWN
Finanzen
Finanzen Der Ukraine-Krieg macht's möglich: Euro-Bonds durch die Hintertür
28.03.2024

Die EU-Kommission versucht, mehr Macht an sich zu ziehen. Das Mittel der Wahl hierfür könnten gemeinsame Anleihen, sogenannte Euro-Bonds,...