Das Megaprojekt interessiert auch die USA: Über eine 2100 Kilometer lange Pipeline will Israel von 2025 an Erdgas nach Europa liefern. Wenn an diesem Mittwochabend der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit seinem griechischen Amtskollegen Alexis Tsipras und dem zyprischen Präsidenten Nikos Anastasiadis in Jerusalem das Projekt bespricht, ist auch US-Außenminister Mike Pompeo dabei.
Pompeos Kommen zeigt, dass das riesige, voraussichtlich sechs Milliarden Euro teure Vorhaben weitaus mehr ist als nur ein anspruchsvolles Wirtschaftsprojekt. Es ist auch, wie die Beteiligten immer wieder betonen, eine Allianz der "drei demokratischen Staaten am östlichen Mittelmeer", soll heißen, des einzig möglichen Verbunds in einer Region voller gefährlicher Konflikte. Wobei Zypern immer noch geteilt ist und Nordzypern türkisch beherrscht wird, was Konflikte um die zyprische Wirtschaftszone im Mittelmeer birgt.
Die strategische Achse Israel-Griechenland-Zypern existiert erst seit einigen Jahren - seit Israels Verhältnis zur Türkei sich deutlich verschlechtert hat. Oded Eran vom Institut für nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv nennt zwei Hauptgründe für die neuen engen Beziehungen: "Der eine ist die Notwendigkeit, sich der türkischen Aggression in der Region entgegenzustellen, und der andere sind die Perspektiven für eine wirtschaftliche Kooperation, in deren Zentrum die Gas-Pipeline Eastmed steht."
Längst nutzt die israelische Armee Griechenland als Trainingsregion. Bei griechischen Militärexperten heißt es, interessant seien für Israel vor allem die russischen S-300-Abwehrraketen der Griechen, über die auch der Iran verfügt. Zudem könne die israelische Marine viel von den Griechen lernen. Manöver gibt es immer wieder auf Kreta und auch auf dem Militärstützpunkt nahe der mittelgriechischen Stadt Larisa. Gemeinsam mit den USA wollen Israel und Griechenland zudem auf Kreta einen Überhorizontradar installieren, der das östliche Mittelmeer abdeckt - und damit die Aktivitäten der türkischen Streitkräfte in Luft und Wasser.
Das kommt Griechenland und Zypern sicherheitspolitisch entgegen. Aber auch wirtschaftlich gesehen ist die Zusammenarbeit mit Israel wichtig für die beiden Länder. Das gilt nicht nur für den Bereich Tourismus, sondern auch für Themen wie Telekommunikation und Energie, darunter die geplante Gasleitung. Sie soll in bis zu 3000 Metern Tiefe auf dem Grund des Mittelmeeres verlaufen und Erdgas aus den reichen Vorkommen im Meer vor Israel nach Zypern und von dort nach Kreta und über das griechische Festland nach Italien bringen.
Kritiker bezweifeln jedoch, dass das Vorhaben überhaupt sinnvoll ist. "Es ist ein extrem teures Projekt, wenig aussichtsreich, um nicht zu sagen unrealistisch aufgrund der schwierigen geopolitischen Gemengelage, der hohen Kosten und der enormen technischen Herausforderungen", sagt Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.
"Wenn man die Klimaziele ernst nimmt und die Emissionen in den kommenden Jahrzehnten drastisch sinken, muss man sich von allen fossilen Energien, auch von Gas, verabschieden. Eine derartige Pipeline rechnet sich nur, wenn sie über viele Jahrzehnte voll ausgelastet sein wird", sagt die Energieökonomin. "Der Gasbedarf wird in Europa eher abnehmen und es gibt ausreichend Gas auf den Märkten."
Deutlich wirtschaftlicher wäre zudem, das Gas als Flüssiggas in Tankern weltweit zu verschiffen. Das würde die Vermarktung flexibler gestalten und mehr Absatzmärkte erschließen. Israel verfügt über mehrere Gasfelder vor seiner Küste, darunter die vor rund zehn Jahren entdeckten Tamar und Leviathan.
Allein, es geht nicht nur um die Wirtschaftlichkeit des Projekts, sondern auch um die strategische Allianz in der Krisenregion des östlichen Mittelmeers. Denn zusätzlich zu den zahlreichen Konflikten der Anrainerstaaten entwickelt sich derzeit ein weiterer potenzieller Brandherd. Im Februar wurden südlich von Zypern reiche Erdgasvorkommen entdeckt - die Rede ist vom größten Fund weltweit der vergangenen Jahre. Vermutet werden Vorkommen von bis zu 227 Milliarden Kubikmeter.
Darauf erhebt auch die Türkei Anspruch - türkische Kriegsschiffe hinderten im vergangenen Jahr unter anderem ein italienisches Bohrschiff an der Erkundung des Gebiets, es kam zu Spannungen mit Nikosia. Immer wieder droht der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, dass es eine Ausnutzung des Vorkommens ohne die Türkei nicht geben werde; die Rede ist von "Seeräubern, die Erdgas vor Zypern abzapfen".