Deutschland

Bundesregierung arbeitet an automatischer Organspende

Die Bundesregierung möchte, dass künftig jeder Bürger zum Organspender wird – außer, er wiederspricht der Regelung aktiv.
01.04.2019 11:53
Lesezeit: 2 min

Wer nicht ausdrücklich widerspricht, soll automatisch Organspender werden - nach umfangreicher Information zu dem Thema. Das sieht der am Montag von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach vorgestellte Gesetzentwurf vor. "Das ist keine Organspendepflicht", verteidigte Spahn seinen Entwurf. Der Vorstoß ist dennoch umstritten: Jeder solle das selbst entscheiden, wendet FDP-Chef Christian Lindner ein.

Jeder ab 16 solle dreimal angeschrieben werden, sagte Spahn bei der Vorstellung des von ihm und weiteren Abgeordneten erarbeiteten Gesetzentwurf. Nach den Worten der Linken-Abgeordneten Petra Sitte sollen die Informationen von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zur Verfügung gestellt werden.

Dem Gesetzentwurf zufolge soll jeder als potenzieller Organspender behandelt werden, sofern er nicht selbst widersprochen hat. Wer Organspenden ablehnt, kann dem Entwurf zufolge seine Haltung in ein Register eintragen lassen. Geschieht dies nicht, sollen Angehörige befragt werden - die dann aber kein Entscheidungsrecht haben.

Lauterbach verwies darauf, dass die Zahl von 10.000 Wartenden auf ein Spenderorgan zehnmal so hoch sei wie die der tatsächlichen Transplantationen. Die abstrakte Bereitschaft zu spenden sei aber wesentlich höher als die der tatsächlichen Spender.

Ein Alternativentwurf, der unter anderem von dem CSU-Abgeordneten Stephan Pilsinger, Grünen-Chefin Annalena Baerbock und der Linken-Politikerin Kathrin Vogler unterstützt wird, sieht grundsätzlich die Beibehaltung der derzeitigen Entscheidungsregelung vor. Demnach soll jeder regelmäßig befragt werden, ob er zur Organspende bereit ist oder nicht. Das könne beispielsweise bei der Verlängerung des Personalausweises oder bei ärztlichen Untersuchungen geschehen.

Die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Schmidtke (CDU), befürwortete die Widerspruchslösung. Obwohl die Mehrheit der Deutschen der Organspende positiv gegenüberstehe, habe die Zahl der Spender bisher nicht erhöht werden können, sagte sie der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Dienstagsausgabe).

Nach den Worten von Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU), der die Widerspruchslösung unterstützt, ist vollkommen offen, wie der Bundestag entscheiden wird. "Eine Mehrheit ist noch nicht sichergestellt", sagte er zu der Widerspruchsregelung. "Ganz im Gegenteil."

Lindner sagte dem Nachrichtensender n-tv: "Schweigen als eine Zustimmung zu werten, halte ich für nicht vereinbar mit dem Bild des selbstbestimmten Individuums." Dies gelte gerade in solchen besonders wichtigen Fragen. Die Linken-Politikerin Vogler verwies darauf, dass die Rechtswissenschaft "überwiegend einig" darin sei, dass die Widerspruchsregelung grundgesetzwidrig ist".

Auch die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther wandte sich gegen die Widerspruchslösung. Bei einer so persönlichen Frage müsse es eine freiwillige Entscheidung geben, sagte sie dem ARD-"Morgenmagazin".

Auch der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock sprach sich dagegen aus. "Ich finde die Widerspruchslösung bei einem so wichtigen Thema unnötig und schädlich", sagte er dem Deutschlandfunk. Sie verringere nur das ohnehin schon begrenzte Vertrauen der Menschen in das System der Organspende.

Zurückhaltend reagierte die Bundesärztekammer. Die  Widerspruchslösung sei ein "hochsensibles Thema", das ethische, religiöse und verfassungsrechtliche Fragen berühre, hieß es in einer Erklärung. "Notwendig ist eine besonnene Diskussion mit Respekt für die Ängste und Argumente der Gegenseite."

Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) verwies darauf, dass es noch völlig ungewiss sei, ob der Entwurf im Bundestag verabschiedet werde. "Eine Mehrheit ist noch nicht sichergestellt", sagte Nüßlein. "Ganz im Gegenteil."

Ein Alternativentwurf, der unter anderem von dem CSU-Abgeordneten Stephan Pilsinger, Grünen-Chefin Annalena Baerbock und der Linken-Abgeordneten Kathrin Vogler unterstützt wird, sieht die Beibehaltung der derzeitigen Zustimmungsregelung vor. Demnach soll jeder regelmäßig verbindlich befragt werden, ob er zur Organspende bereit ist oder nicht. Das könne beispielsweise bei der Verlängerung des Personalausweises oder bei ärztlichen Untersuchungen geschehen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Ukraine-Krieg: Russland startet schwersten Angriff seit Monaten
06.06.2025

Im Ukraine-Krieg eskaliert die Lage erneut: Russland greift massiv an, Kiew wird erschüttert. Droht nun ein Gegenschlag – oder ist das...

DWN
Politik
Politik Merz bei Trump: Was der USA-Besuch des Bundeskanzlers wirklich brachte
06.06.2025

Der Kanzler trifft den US-Präsidenten in Washington. Freundliche Worte gab es viele – doch was bleibt nach dem Besuch von Merz bei Trump...

DWN
Finanzen
Finanzen Studie: Hohe Kosten für Einführung des digitalen Euro
06.06.2025

Die Einführung des digitalen Euro wird nach einer Studie der Beratungsgesellschaft PwC erhebliche Kosten für europäische Banken...

DWN
Politik
Politik Putins Gaskasse bleibt gefüllt – weil Frankreich und Belgien blockieren
06.06.2025

Während Brüssel russisches Flüssiggas verbieten will, stellen sich ausgerechnet Frankreich und Belgien quer – und sichern damit weiter...

DWN
Finanzen
Finanzen Fondsmanager warnt: „Gold ist noch immer unterbewertet“
05.06.2025

Der Goldpreis explodiert – doch laut Fondsmanager Erik Strand ist das Edelmetall noch immer unterbewertet. Die wahre Blase?...

DWN
Panorama
Panorama Stromanbieterwechsel 2025: Neue Fristen ab 6. Juni – wichtige Tipps
05.06.2025

Ein Stromanbieterwechsel soll ab dem 6. Juni deutlich schneller gehen – das klingt gut, hat aber Tücken. Welche Chancen und Risiken...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersarmut wächst: Jede sechste Rentnerin in Deutschland lebt in Altersarmut
05.06.2025

Die neuen Zahlen zur Altersarmut in Deutschland sind alarmierend: 2,1 Millionen Rentnerinnen und 1,3 Millionen Rentner leben unterhalb der...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB stützt Konjunktur mit achter Zinssenkung seit Juni 2024
05.06.2025

Die von hohen US-Zöllen bedrohte Wirtschaft im Euroraum darf auf günstigere Kredite hoffen: Zum achten Mal seit Juni 2024 senkt die...