Bei der Eröffnung der Krim-Brücke für den Straßenverkehr im Mai letzten Jahres steuerte Präsident Wladimir Putin persönlich eines der Baufahrzeuge, welche die Brücke über die Straße von Kertsch überquerten. Damit sandte er die klare Botschaft, dass die Krim jetzt zu Russland gehört.
Die 19 Kilometer lange Brücke, sagte Putin damals, werde "uns alle näher zusammenbringen" und der Wirtschaft der Krim dabei helfen, "sich in einem neuen Tempo und auf neue Weise zu entwickeln". Nach Einschätzung des Westens hat Russland die Halbinsel im Jahr 2014 illegal annektiert.
Doch die Ukraine und ihre westlichen Verbündeten sagen, dass die Brücke zwischen dem russischen Festland und der Krim auch ein strategisches Ziel verfolgt. Die Brücke solle die Ukraine wirtschaftlich in den Würgegriff zu nehmen und ihre kommerzielle Schifffahrt auf dem Asowschen Meer lahmlegen.
Straße von Kertsch ist Konfliktgebiet
Im November letzten Jahres kam es in der Straße von Kertsch zu erheblichen Spannungen, als Russland dort drei ukrainischen Marinebooten die Einfahrt ins Asowsche Meer verwehrte. Die Russen beschossen die ukrainischen Schiffe und verletzten dabei mehrere Matrosen.
Sie beschlagnahmten die Boote und brachten sie mit ihren Besatzungen in den Hafen von Kertsch. Im russischen Staatsfernsehen gaben einige der festgenommenen ukrainischen Seeleute an, sie hätten eine geplante Provokation ausgeführt. Die Regierung in Kiew sprach von erzwungenen Aussagen.
Die Ukraine sagte damals, dass ihre Schiffe im Rahmen eines Abkommens mit Moskau aus dem Jahr 2003 das Recht zur Durchfahrt gehabt hätten. Doch Russland sagte, dass die Schiffe unberechtigt in seine Hoheitsgewässer eingedrungen seien.
Ukraine wirft Russland Sabotage vor
Generalleutnant Serhiy Nayev, Vizechef des ukrainischen Generalstabs, wirft Russland vor, Regeln mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Moskau schaffe "künstliche Barrieren, zeitaufwändige Inspektionen und die Möglichkeit, die Durchfahrt unter der Brücke zu verhindern", zitiert ihn die Financial Times.
Seit Inbetriebnahme der Brücke vor einem Jahr sind die Verspätungen der Schiffe, die zu den ukrainischen Seehäfen am Asowschen Meer Mariupol und Berdyansk fahren, von durchschnittlich sieben Stunden im Juni 2018 auf mehr als fünf Tage im November gestiegen. Dies zeigen Daten des ukrainischen Think-Tanks Maidan of Foreign Affairs.
Den Analysten zufolge werden die Verzögerungen dadurch verursacht, dass die Brücke nur kleineren Schiffen mit einer maximalen Höhe von 35 Metern den Zugang ermöglicht und dass Russlands Marine und Küstenwache deutlich mehr Inspektionen und Festnahmen durchführen.
Zwar hat der Einsatz der ukrainischen Marine Ende letzten Jahres zu einer Verringerung der russischen Festhaltemaßnahmen geführt. Doch die Schiffe, die im April nach Mariupol und Berdyansk fuhren, waren immer noch mit Verzögerungen von durchschnittlich 40 Stunden konfrontiert.
Krim-Brücke behindert ukrainische Schiffe
Nach Angaben der ukrainischen Regierung ist der Umschlag von Gütern in Mariupol und Berdyansk um fast 70 Prozent beziehungsweise 50 Prozent gesunken, seit Russland im Jahr 2014 die Kontrolle über die Kertscher Straße erlangte. Dies habe für die Häfen und die Region insgesamt zu Verlusten von fast 400 Millionen Dollar führte.
Und laut der Regierung in Kiew hat sich der Abwärtstrend seit Ende letzten Jahres weiter fortgesetzt. "Wegen der Blockade [...] wollen Reeder kein Geld und keine Zeit verschwenden", zitiert die Financial Times den ukrainischen Infrastrukturminister Volodymyr Omelyan.
Vizeadmiral Herve Blejean, stellvertretender Kommandant des Alliierten Seekommandos und einer der ranghöchsten Marinekommandanten der Nato, sagte, dass die beiden Häfen "bald außer Betrieb sein werden", wenn Russland nicht den Griff auf das Asowsche Meer erleichtert.
Nato machtlos gegen Russland
Angesichts der im Schwarzen Meer schwelenden Spannungen und des Krieges zwischen der Ukraine und den von Russland unterstützten Streitkräften in der Donbas-Region im Osten, der in ihr sechstes Jahr fällt, fordert Kiew von den USA und Europa, mehr Druck auf Moskau auszuüben.
Kay Bailey Hutchinson, die Nato-Botschafterin der USA, sagte im April, dass die Militärallianz mehr Schiffe in die Region schicken und mehr Sanktionen gegen Russland verhängen werde.
Doch nach Ansicht von Vizeadmiral Blejean ist die Nato nur begrenzt in der Lage, militärisch in der Region einzugreifen. "Fakt ist, dass die ukrainische Marine nicht so mächtig ist." Und auch die Nato sei nicht in der Lage, Schiffe zu eskortieren. Man müsse internationalen Druck ausüben.