Politik

Amazon setzt tausende kleine Zulieferer vor die Tür

Lesezeit: 3 min
30.05.2019 17:11
Laut Insidern will Amazon tausenden kleineren Zulieferern kündigen und diese dazu bringen, ihre Produkte künftig über den Marktplatz des Online-Händlers zu verkaufen.
Amazon setzt tausende kleine Zulieferer vor die Tür
Amazon-Chef Jeff Bezos (Foto: AFP)
Foto: AFP

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Vor zwei Monaten hatte Amazon zunächst ohne eine Erklärung bei tausenden Zulieferern Bestellungen gestoppt. Erst nach Wochen nahm Amazon die Bestellungen wieder auf.

Der weltgrößte Online-Händler sagte damals, dass die Unterbrechung Teil einer Kampagne war, um gefälschte Produkte auszusortieren. Die betroffenen Lieferanten konnten vorerst wieder aufatmen.

Amazon setzt tausende kleine Zulieferer vor die Tür

Doch nun hat Amazon tausenden meist kleineren Lieferanten dauerhaft die Zusammenarbeit gekündigt. In den nächsten Monaten werden ihre Großaufträge auslaufen, zitiert Bloomberg drei mit dem Plan vertraute Personen.

Amazon wolle damit die Kosten senken und den Großhandelseinkauf auf große Marken wie Procter & Gamble, Sony und Lego konzentrieren. So wolle man ausreichende Lagerbestände an unbedingt notwendigen Waren sicherstellen und sich auf den Konkurrenzkampf mit den großen Handelskonzernen Walmart, Target und Best Buy vorbereiten.

Die kleinen Zulieferer, für die Amazon seit langem einen stetigen Fluss an Bestellungen sicherstellten, müssen nun neue Wege finden, ihre Produkte zu verkaufen. Anstatt in großen Mengen direkt an Amazon zu verkaufen, müssen sie nun ihre Käufer selbst gewinnen.

Die Kündigung der Zulieferer ist eine der größten Veränderungen in der Strategie von Amazon, seit das Unternehmen seine Website vor fast 20 Jahren für unabhängige Verkäufer geöffnet hat.

"Das ist die Art von Veränderung, die Marken, die über Amazon verkaufen, zu Tode erschrecken wird", zitiert Bloomberg James Thomson, der die Prosper Show organisiert, eine jährliche E-Commerce-Konferenz, die sich auf Amazon konzentriert.

"Amazon gibt in der Regel nicht viel Vorlaufzeit und für die Marken wird es nicht einfach. Wenn sie diese Änderung bald vornehmen, haben die Marken bis Ende des Sommers Zeit, ihre Geschäftspläne anzupassen, oder ihr Weihnachtsquartal ist in Gefahr."

Amazon bestreitet massive Kündigung von Lieferanten

In einer per E-Mail versandten Erklärung schreibt Amazon: "Wir überprüfen unsere Vertriebspartnerbeziehungen individuell und im Rahmen unseres normalen Geschäftsablaufs, und jede Spekulation über eine massive Reduzierung der Lieferanten ist falsch."

Amazon kauft etwa die Hälfte seiner Produkte direkt von Großhändlern und verkauft sie wie ein traditionelles Einzelhandelsgeschäft an seine Kunden. Die andere Hälfte der Produkte werden von unabhängigen Händlern auf der Amazon-Website eingestellt. Künftig will man verstärkt auf das zweite Modell setzen.

Die geplante Lieferantenbereinigung ist Teil einer Amazon-Initiative, die darauf abzielt, die Produktauswahl auf der Website weiter auszubauen, ohne mehr Geld für Manager auszugeben, die alles überwachen müssen.

Das Projekt umfasst die Automatisierung von Aufgaben wie Nachfrageprognosen und Preisverhandlungen, die überwiegend von Amazon-Mitarbeitern durchgeführt wurden. Es geht auch darum, mehr Lieferanten dazu zu bringen, ihre Waren selbst zu verkaufen, damit Amazon nicht dafür bezahlen muss.

Amazon benötigt weniger Lagerbestände

Es gibt noch einen weiteren Vorteil für Amazon. Indem sie viele bestehende Großhändler zwingt, ihre Produkte direkt an die Verbraucher zu verkaufen, muss das Unternehmen selbst weniger Lagerbestände vorhalten. Die reduziert das Risiko, dass es auf unverkauften Waren sitzen bleibt.

Darüber hinaus kann Amazon für jeden Verkauf, den ein Verkäufer tätigt, eine Provision erheben und ihnen Gebühren für die Lagerung, Verpackung und Lieferung ihrer Waren in Rechnung stellen.

Verkäufer, die jedes Jahr weniger als 10 Millionen Dollar an Produkten auf der Website verkaufen, werden von Amazon künftig keine Großhandelsbestellungen mehr erhalten, obwohl das je nach Kategorie variieren wird, sagten die Insider zu Bloomberg.

Für die massenhafte Kündigung von Lieferanten spricht auch, dass Amazon die Jahresbedingungen mit vielen kleineren Anbietern nicht neu verhandelt hat, was üblicherweise im Frühjahr geschieht, sagte einer der Insider.

Zudem hat Amazon viele der freien Stellen als Verkaufsmanager nicht besetzt, sagte ein anderer Insider. Dies deute darauf hin, dass das Unternehmen davon ausgeht, weniger Leute zu brauchen, um Lieferantenbeziehungen zu bearbeiten, da es weniger Lieferanten geben wird.

In den letzten Jahren hat Amazon seinen Marktplatz zunehmend in den Vordergrund gestellt. Die Umsätze aus Handelsdienstleistungen wachsen doppelt so schnell wie die Umsätze aus dem eigenen Online-Shop.

Online-Marktplätze können eine größere Auswahl bieten als selbst die größten Geschäfte. Walmart und Target kopieren beide das Marktplatz-Modell von Amazon, um ihr Warenangebot zu erhöhen.

Konsumenten in den USA werden in diesem Jahr 317 Milliarden Dollar auf Amazon ausgeben, was 52,4 Prozent aller Online-Verkäufe entspricht, berichtet EMarketer. Die Gewinne sind seit sieben aufeinander folgenden Quartalen gestiegen.

Es dauert bis zu 120 Tage, um von einem Amazon-Großhändler zu einem Marktplatz-Verkäufer zu werden, zitiert Bloomberg Anderson Salgado, einen ehemaligen Amazon-Manager und CEO des Beratungsunternehmens Trisbell, das Menschen hilft, Produkte bei Amazon zu verkaufen.

Kleinere Anbieter müssen sich jetzt also schnell umstellen, um bis zur Weihnachtssaison bereit zu sein. Die Investoren an der Wall Street werden Amazons Pläne, ihre Masseneinkäufe auf namhafte Marken zu beschränken, wahrscheinlich begrüßen.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Sicherheitsrisiko Wiener Kanzleramt? Wie Österreich unter Herbert Kickl und FPÖ der neue Vasallenstaat Putins würde
13.01.2025

Herbert Kickl wird aller Voraussicht nach Kanzler Österreichs. In den Nachbarländern sorgt dies bei den einen für Stirnrunzeln, bei den...

DWN
Politik
Politik Weidel zu Windrädern: Das mit dem Abriss war so nicht gemeint
13.01.2025

Alice Weidel will Windkraftanlagen abreißen lassen. Das brüllte sie beim AfD-Parteitag so heraus, dass die jubelnde Menge elektrisiert...

DWN
Politik
Politik Schweden beteiligt sich mit drei Schiffen an Nato-Einsatz
13.01.2025

Nach den mysteriösen Schäden an Leitungen in der Ostsee sollen Nato-Kriegsschiffe die Region stärker überwachen. Unterdessen gibt es...

DWN
Politik
Politik Syrien-Konferenz: Außenministerin Baerbock stellt Lockerung von Sanktionen in Aussicht
13.01.2025

Arabische Staaten, die Türkei und EU-Staaten wie Deutschland beraten in Saudi-Arabien darüber, wie sie sich zu Syrien positionieren...

DWN
Politik
Politik Minister Pistorius berät mit europäischen Verteidigungsministern in Warschau
13.01.2025

Von Grönland über die Ostsee an die Front in der Ukraine: Wie kann mehr europäische Handlungsfähigkeit in der Verteidigungspolitik...

DWN
Politik
Politik Feuersbrunst in LA: Trump ätzt über Brandbekämpfung - und gegen Gouverneur Newsom
13.01.2025

Feuerwehrleute kämpfen Tag und Nacht gegen verheerende Brände in LA. Der künftige US-Präsident mokiert sich über die Bemühungen....

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Multilateralismus: Die USA und der Wandel internationaler Zusammenarbeit
13.01.2025

Der Multilateralismus steht vor einer Neubewertung, insbesondere durch die US-amerikanische Politik unter Präsident Trump. Im Kontext der...

DWN
Finanzen
Finanzen Nvidia-Aktie: Prognose 2025 mit Potential und Risiko - Nvidia-Aktie kaufen oder nicht?
12.01.2025

Die Nvidia-Aktie gehört zu den Lieblingspapieren sowohl der institutionellen Investoren als auch der privaten Anleger. Der US-Chipkonzern...