Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schließt es aus, dass der CSU-Politiker Manfred Weber oder ein anderer Europawahl-Spitzenkandidat noch eine Chance auf den Posten des EU-Kommissionspräsidenten hat. Die Gespräche hätten gezeigt, dass neue Namen vorgeschlagen werden müssten, erklärte Macron am Freitag nach dem Ende des EU-Gipfels in Brüssel.
Die französische Nachrichtenagentur AFP berichtet:
Monatelang ist Manfred Weber durch Europa gehastet, traf Parteianhänger und Bürger, gab ohne Unterlass Interviews und stellte sich Fernsehduellen. Der CSU-Politiker hat für Europas Konservative einen ambitionierten Wahlkampf geführt, um Nachfolger von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu werden. Doch die Widerstände sind so groß, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim EU-Gipfel nur mit Mühe das sofortige Aus für den Kandidaten Weber verhindern konnte. Er hat nun eine allerletzte Chance.
Im Europawahlkampf hat Merkel Weber eher pflichtbewusst unterstützt. Vor dem Urnengang im Mai verwies sie auf den komplizierten Prozess zur Kür des Juncker-Nachfolgers. "Und dann werden wir sehen, was passiert." Erst im Nachgang bekannte sie: "Ich unterstütze Manfred Weber, damit das ganz klar ist."
Da wusste Merkel wohl schon, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron von Weber nichts hält und ihn mit allen Mitteln verhindern wollte. Schnell fallen lassen konnte sie den Kandidaten aus der unbequemen bayerischen Schwesterpartei aber auch nach der Wahl nicht.
"Merkel braucht mehr Zeit, um zu zeigen, dass sie ihren Kandidaten verteidigt", sagt ein EU-Vertreter am Freitag, nachdem die Staats- und Regierungschefs die Entscheidung über den Spitzenposten auf einen Sondergipfel am 30. Juni verschieben mussten. Anfangs habe es in Brüssel noch die Hoffnung auf einen Durchbruch am zweiten Gipfeltag gegeben. "Aber sie war sehr fokussiert auf diesen neuen Gipfel am 30. Juni."
Weber bekommt damit eine letzte Woche, die Verhandlungen im Europaparlament mit den anderen Fraktionen über ein "Regierungsprogramm" für den künftigen Kommissionspräsidenten zum Erfolg zu führen. Am Ende sollte auch ein gemeinsamer Kandidatenvorschlag stehen. Doch EVP, Sozialdemokraten und Liberale beharren bisher auf ihren eigenen Kandidaten.
Es gibt nach dem Gipfel zwei Szenarien: Wenn das Parlament bis Ende nächster Woche einen gemeinsamen Kandidatenvorschlag präsentiert, kommt der Sondergipfel daran kaum vorbei. Gelingt dies nicht, haben die Staats- und Regierungschefs freie Bahn.
Präsentieren diese dann ein komplettes Personalpaket mit allen fünf EU-Spitzenposten, das bereits nach Parteienproporz, Geschlechterverteilung und regionaler Herkunft ausgewogen ist, wird es für das Parlament schwer, dieses wieder aufzuschnüren. Zu dem Personaltableau würden auch die Posten des Parlamentspräsidenten, des EU-Außenbeauftragten, des EU-Ratspräsidenten und des Chefs der Europäischen Zentralbank (EZB) gehören.
Zum Kommissionspräsidenten gab es seit Mittwoch aus Webers Europäischer Volkspartei (EVP) Berichte über einen Plan B für die Juncker-Nachfolge und Alternativkandidaten. Schon lange genannt wird Brexit-Unterhändler Michel Barnier.
Wenn der Deutsche Weber unter tatkräftiger Hilfe Macrons abgeschossen wird, ist aber ein Franzose auf dem Kommissionsposten schwer vorstellbar - es sei denn, die Koalition in Berlin hält das Amt des EZB-Präsidenten für so wichtig, dass sie sich damit zufrieden gibt und Bundesbankpräsident Jens Weidmann ernennen lässt.
Für Macron kamen jedenfalls schon in der Gipfelnacht weder der CSU-Mann, noch die anderen Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten und seiner eigenen Liberalen, Frans Timmermans und Margrethe Vestager, für die Juncker-Nachfolge noch in Frage. "Die Namen der drei Spitzenkandidaten wurden verworfen", sagt er kategorisch.
Auch Merkel betont am Freitagmittag, sie nehme die Bewertung von EU-Ratspräsident Donald Tusk ernst, "dass keiner der Spitzenkandidaten eine Mehrheit im Europäischen Rat hat. Und ich sehe im Augenblick nicht, dass sich an dieser Feststellung etwas ändern kann."
"Der Spitzenkandidaten-Prozess ist noch nicht am Ende", sagt der EU-Vertreter. "Es ist zu früh, das zu sagen." Das Parlament müsse aber schnell entscheiden, ob es wie das britische Unterhaus beim Brexit weiter "nur blockieren wolle", sagt der EU-Vertreter. "Sie müssen eine Mehrheit bis zum 30. Juni finden." Manfred Weber bräuchte nun dringend ein Wunder, um als Kandidat am Leben zu bleiben.