Der „Bundesverband mittelständische Wirtschaft - Unternehmerverband Deutschlands e. V.“ (BVMW) hat ein innovatives Wohnungsbau-Projekt entwickelt. Dabei schließen sich Mitglieds-Unternehmen des Verbands zu einer Genossenschaft zusammen, um für ihre Angestellten Werkswohnungen zu bauen. Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten haben mit dem Berliner Rechtsanwalt Peter Diedrich gesprochen, der den Verband und die Genossenschaft in rechtlichen Fragen berät und das Projekt aufs Engste begleitet.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Erläutern Sie uns bitte das geplante Projekt.
Peter Diedrich: Wir sind ein Wohnungsbau-Projekt in Berlin, das einen genossenschaftlichen Ansatz verfolgt. Das heißt, mittelständische Unternehmen, die Mitglied beim BVMW sind, schließen sich getreu dem Raiffeisen-Grundsatz „Gemeinsam sind wir stark“ zu einer Genossenschaft zusammen, um Wohnungen zu bauen und anschließend Werkmietverträge mit Mitarbeitern zu schließen.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Das klingt nach dem Werkswohnungs-Konzept deutscher Traditionsbetriebe wie Thyssenkrupp und der Bundespost. Und nach der Siemensstadt im Berliner Bezirk Spandau.
Peter Diedrich: Genau. An diesen Vorbildern haben wir uns orientiert. Nur, dass es sich dabei um Großunternehmen handelte, die Mitarbeiter-Wohnungen in hoher Zahl bauen konnten. Über solch gewaltigen Ressourcen verfügen Mittelständler nicht. Darum auch der Zusammenschluss zu einer Genossenschaft.
Sehen Sie: Für Mittelständler ist der Fachkräftemangel ein großes Problem, vielleicht das größte Problem überhaupt. Es ist schwer, neue qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Sie zum Umzug zu bewegen, ist angesichts immer höherer Mieten und Immobilienpreise noch schwerer. Und sie zu überreden, in einen Ballungsraum zu ziehen, wo die Wohnkosten permanent steigen, ist häufig unmöglich - obwohl viele Menschen nur zu gern in die Großstadt ziehen würden. Dieses Dilemma wollen wir mittels des genossenschaftlichen Wohnungsbaus auflösen.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Um Wohnungen zu bauen, benötigten Sie zunächst einmal ein Grundstück.
Peter Diedrich: Natürlich. Deshalb werden wir zunächst an die BIM herantreten. Das ist die ´Berliner Immobilien Management GmbH´, die als Dienstleister für das Land Berlin die landeseigenen Immobilien verantwortet. Die BIM verfügt über eine Liste mit Grundstücken, die dem genossenschaftlichen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden, und zwar für verhältnismäßig wenig Geld. Die Grundstückspreise sind in den letzten Jahren geradezu explodiert - ein günstiges Grundstück erleichtert den Wohnungsbau also enorm.
Wir möchten im Wege des Erbbaurechts Grundstücke übernehmen, und zwar für 99 Jahre. Nach Ablauf dieser Zeit kann die Genossenschaft eine Verlängerungsoption ziehen, oder das Grundstück geht an das Land Berlin zurück, das dann eine Entschädigung für den Zeitwert der Gebäude zahlen würde.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie sollen diese Gebäude beschaffen sein?
Peter Diedrich: Wir planen eine modulare, serielle Bauweise. Die Wohndesigns sind standardisiert. Das verkürzt die Bauzeit und trägt erheblich zur Kostensenkung bei. Das System ist bereits entwickelt, und zwar vom Berliner Architekturbüro „dgk Architekten“, mit dem wir eine enge Zusammenarbeit pflegen.
Wir erwägen, die Gebäude im Stil des sogenannten Aktivhaus-Konzepts aus Holz zu errichten. In Deutschland ist das eher ungewöhnlich - in Regionen wie Skandinavien und den USA jedoch völlig normal. Holz sorgt für ein gesundes Wohnklima und ist energieeffizient. Darüber hinaus wächst es nach und ist daher ein äußerst ökologischer Rohstoff.
Was die Kosten anbelangt: Wir kalkulieren mit einem Preis von 2.350 Euro brutto pro Quadratmeter. Darin sind wirklich alle Kosten enthalten: Bau, Grundstück, Planung, etc. Normalerweise muss man bei Neubauten mit circa 4.000 Euro pro Quadratmeter rechnen - da ist unser Modell schon um Einiges günstiger.
Was die Finanzierung anbelangt: 20 Prozent bringen die Genossenschafts-Mitglieder auf, 30 Prozent kommen in Form von Fördermitteln von der Investitionsbank Berlin (IBB) und 50 Prozent werden als Darlehen auf dem Kapitalmarkt aufgenommen.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Sind das eigentlich Zukunftspläne, oder haben sie bereits ein ganz bestimmtes Projekt im Auge?
Peter Diedrich: Ja, das haben wir, und zwar sogar zwei. Das erste im Nordwesten Berlins, im Stadtteil Spandau, also gar nicht so weit weg von der Siemensstadt. Dort werden wir 100 Wohnungen bauen. Das zweite im Osten der Stadt, im Bezirk Marzahn-Hellersdorf. Dort werden 150 Wohnungen errichtet. Wir haben bereits Reservierungen für 171 Wohnungen - obwohl wir die Genossenschaft noch gar nicht gegründet haben. Das machen wir erst am 27. Juni.
Wann Baubeginn ist, steht noch nicht fest. Sollte der erste Spatenstich im Spätherbst erfolgen, würden wir uns sehr freuen. Wenn nicht, wäre das aber auch nicht so schlimm. Spätestens im ersten Quartal 2020 wird es losgehen. Die ersten Mieter werden wahrscheinlich Ende des dritten Quartals 2020 in ihre neue Wohnung einziehen können.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Was für Wohnungen werden Sie anbieten, und wie hoch werden die Mieten sein?
Peter Diedrich: Es wird vier Standardgrößen geben: ein Zimmer (40 Quadratmeter), zwei Zimmer (54 Quadratmeter), drei Zimmer (70 Quadratmeter) und vier Zimmer (82 Quadratmeter). Die Mieten werden zwischen 6,50 Euro (preisgebunden) und circa 8,50 Euro (nicht preisgebunden) liegen. Also um einiges günstiger, als auf dem normalen Mietmarkt.
Betonen möchte ich, dass es nicht darum geht, mit den Mieten Gewinne zu erzielen. Sollte die Genossenschaft einen Überschuss erwirtschaften, fließt der natürlich anteilsmäßig an die beteiligten Unternehmen. Aber das primäre Ziel ist ein anderes: Nämlich Fachkräfte zu gewinnen und Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Haben Sie vor, Ihr Genossenschaftsmodell weiter auszubauen?
Peter Diedrich: Ja, das haben wir. Beispielsweise haben wir bereits Gespräche in Hamburg und München über ähnliche Projekte wie die in Berlin geführt. Darüber hinaus haben wir es uns zum Ziel gesetzt, eine Musterbaugenehmigung zu erhalten. Das würde die Beantragung von Baugenehmigungen in Zukunft erheblich beschleunigen. Und es würde es erleichtern, Anträge auf staatliche Förderung zu stellen.
Selbstverständlich möchten wir, dass unser Modell seinen Bekanntschaftsgrad rasch steigert und wir viele Unternehmen davon überzeugen können, sich unserem Genossenschafts-Modell anzuschließen. Toll wäre es, wenn wir schließlich ein Label hätten, das allgemein bekannt ist, und mit dem unsere Mitglieder ihre Stellenanzeigen versehen könnten. Damit Bewerber sofort sehen: Dieser Arbeitgeber gehört zu den Unternehmen, die ihren Angestellten eine Wohnung zur Verfügung stellen.