Finanztechnologieunternehmen oder kurz Fintechs expandieren seit Jahren auch in Europa. Sie haben heute viele Millionen Kunden und verwalten Vermögen in Höhe von mehreren Milliarden Euro. In Finanzierungsrunden sammeln sie regelmäßig dreistellige Millionenbeträge ein.
Doch laut einer Studie der Beratungsgesellschaft PwC gibt es in der neuen Branche auch viele Verlierer. Seit dem Jahr 2011 mussten demnach 233 Fintechs ihr Geschäft einstellen. Das heißt, etwa jedes fünfte Unternehmen ist schon wieder vom Markt verschwunden. Die Pleitewelle bei den Fintechs hat vor zweieinhalb Jahren begonnen.
„Im Jahr 2017 ist die Zahl der Geschäftseinstellungen sprunghaft angestiegen, und dieser Trend scheint sich fortzusetzen“, zitiert das Handelsblatt Sascha Demgensky, Leiter Fintech bei PwC in Deutschland. Seitdem mussten 170 dieser neu in den Markt drängenden Konkurrenten der Banken und Versicherer ihr Geschäft einstellen.
Warum scheitern Fintechs?
Der Studie zufolge überdauern Fintechs in Schnitt 3,8 Jahre alt, die meisten scheitern im dritten oder vierten Geschäftsjahr. Diese Pleitewelle ist offenbar eine Folge der Gründungseuphorie in den Jahren 2015 und 2016. Allgemein haben Startups eine Erfolgsquote von nur zehn Prozent.
Dieser Effekt zeigt sich auch an der geografischen Verteilung der Pleiten. Die verschwundenen Fintechs hatten ihren Sitz jeweils dort, wo zuletzt besonders viele gegründet wurden – also in der Startup-Hauptstadt Berlin (74), in München (25), Hamburg (21) und Frankfurt (20).
Laut einer Studie der Direktbank Comdirect gibt es hierzulande Stand November rund 800 Fintechs. Diese wollen den alteingesessenen Instituten Marktanteile streitig machen. Sie setzen dabei auf einfach zu bedienende Software und Handy-Apps, mit denen die Nutzer Geld investieren, Kredite beantragen und Versicherungen abschließen können.
Zu den Pleitefirmen gehören die drei P2P-Zahlungsfirmen Cookies, Cringle und Lendstar, über deren Handy-Apps die Nutzer einander Geld senden und Rechnungen teilen konnten. Alle drei mussten Insolvenz anmelden und wurden vom schwedischen Zahlungsdienstleister Klarna, von der DKB beziehungsweise E-Pay übernommen.
"Wir sind 2012 als ein Pionier im Bereich mobiles Bezahlen gestartet und waren damit einfach zu früh", zitiert das Handelsblatt Lendstar-Gründer Christopher Kampshoff. Bei den Kunden sei das Thema offenbar noch nicht angekommen, und die Banken hätten sich noch nicht an Kooperationen mit Fintechs getraut.
Das größte Problem für die Fintech-Anbieter ist jedoch die Offensive der Sparkassen und Volksbanken, die eigene Handy-zu-Handy-Bezahlsysteme starteten. "Angesichts der Reichweite der Banklösungen haben wir von Investoren kein neues Geld mehr bekommen", sagt Kampshoff.
Finanzierung ist entscheidender Faktor für Fintechs
Laut dem Analysehaus CB Insights haben professionelle Geldgeber im ersten Quartal dieses Jahres weltweit 13 Prozent weniger Kapital in Fintechs gesteckt als im Vorquartal. Entgegen diesem Trend nahm das Interesse in Europa zu. Gleiches gilt laut einer Analyse des Datenexperten Peter Barkow auch für Deutschland.
Demnach haben Finanz-Startups in den ersten drei Monaten dieses Jahres 686 Millionen Euro Kapital eingesammelt. Das sind 77 Prozent mehr als im vierten Quartal 2018 und ein neuer Rekord. Gleichzeitig ist Zahl der Investments von 33 auf 26 pro Quartal gesunken, was für eine höhere Marktreife spricht.
Statt ihr Geld breit zu streuen, setzen Investoren größere Summen auf wenige, aber erfolgreiche Player, darunter die Smartphone-Bank N26, die Anlageplattform Weltsparen und das Versicherungs-Startup Wefox mit Finanzierungsrunden zwischen 100 und 260 Millionen Euro.
Die meisten der gescheiterten Fintechs waren im Bereich Finanzierung aktiv. Zu den 70 betroffenen Firmen zählten Fintura, ein Vergleichsportal für Mittelstandskredite, die Kreditplattform Innolend und Trustbills, eine Auktionsplattform für Handelsforderungen. Auch von den Immobilien-Fintechs (PropTechs) mussten 53 ihre Geschäfte einstellen.
Die Zahlen von PwC umfassen nur jene Firmen, die ihre Geschäfte tatsächlich eingestellt haben. Nicht betrachtet werden jene zahlreichen Fintechs mit finanziellen Problemen, die durch Fusionen und Übernahmen vom Markt verschwunden sind oder zumindest ihre Eigenständigkeit verloren haben.
Firmen, die auf Privatkunden abzielen, müssen viel Geld für Marketing ausgeben. Daher setzen viele Fintechs auf eine Kooperationen mit großen Firmen, richten sich an Geschäftskunden oder agieren als Technologiedienstleister für traditionelle Finanzinstitute. Doch laut PwC hat sich diese Strategie als erfolgreicher erwiesen.
So wandten sich 48 Prozent der gescheiterten Fintechs mit ihren Produkten und Dienstleistungen direkt an den Endverbraucher. Nahezu gleichauf verfolgten 44 Prozent ein B2B-Geschäftsmodell. Bei 8 Prozent war keine klare Zuordnung zu einer der beiden Rubriken möglich.
Auch das B2B-Modell ist schwierig. Denn bereits etablierte Firmen wollen vor der Zusammenarbeit Referenzen sehen, etwa abgeschlossene Projekte oder namhafte Investoren. Wie wichtig namhafte Investoren für Startups sind, zeigt die Tatsache, dass nur 11 Prozent der gescheiterten Fintechs Risikokapitalgeber im Boot hatten.
"Professionelle Investoren bringen meist Struktur in ein Startup, sie fragen regelmäßig die Fortschritte ab und achten darauf, dass sich die Gründer nicht verzetteln", sagtPwC-Berater Sascha Demgensky. Oftmals sind es auch professionellen Investoren, die den Marktstart vorantreiben.
Doch wer als Erster auf dem Markt ist, kann nicht aus Fehlern anderer lernen. Insbesondere bei regulierungspflichtigen Geschäften ist das ein klarer Nachteil, vor allem in Deutschland. "Die Finanzaufsicht Bafin legt die Gesetze in vielen Fällen am schärfsten aus", sagt Demgensky, so geschehen im Fall N26.
Er erwartet, dass der Fintech-Boom anhalten wird, weil heute die angestammten Finanzdienstleister ohne Bündnisse mit Fintechs nicht mehr auskommen. "Schließlich können nicht einmal die ganz großen Player alles selbst entwickeln, wenn sie ihre Prozesse zügig modernisieren oder neue Produkte schnell an den Markt bringen wollen."