Politik

Euler Hermes zum Welthandel: „Bald müssen sich alle warm anziehen“

Dem Handelsversicherer Euler Hermes zufolge sind die Rückgänge der deutschen Handelsgeschäfte ein sicheres Anzeichen für eine weltweite Kontraktion der Handelsgeschäfte.
28.07.2019 12:25
Lesezeit: 2 min

Der Handelsversicherer Euler Hermes schreibt in einer Medienmitteilung:

Die Sorge um die aktuell schwächelnde deutsche Wirtschaft ist vielerorts groß. Nicht ohne Grund, denn die Exportabhängigkeit der Deutschen entpuppt sich als derzeit größte Achilles-Ferse angesichts des insgesamt bereits schwachen Welthandels und der Vielzahl an Abwärtsrisiken, die auf dem Exportausblick lasten – allen voran der Handelskonflikt zwischen den USA und China und der Brexit. Eine aktuelle Studie von Allianz und Euler Hermes hat nun untersucht, inwieweit die deutsche Wirtschaft dank ihrer engen Integration in das globale Handelsgeflecht als Pulsmesser der globalen Handelsdynamik fungieren kann.

Keine guten Vorzeichen: Wenn sich nichts ändert, müssen sich alle warm anziehen

„Die Entwicklung der deutschen Wirtschaft könnte ein Vorgeschmack auf die bevorstehenden Entwicklungen im Welthandel sein“, sagt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Durch den großen Exportsektor und die Offenheit beim Handel spürt Deutschland globale Entwicklungen meist schneller als viele andere Nationen. Umgekehrt kann die schwächelnde deutsche Wirtschaftsdynamik aber auch als ein Indikator für die globalen Entwicklungen dienen – und das sind keine guten Vorzeichen. Wenn sich hier nicht bald Verbesserungen zeigen, müssen sich alle warm anziehen.“

In der aktuellen Studie stellen die Volkswirte von Euler Hermes und Allianz das neu entwickelte Berechnungsmodell „German Global Trade Momentum“ (GGTM) vor, welches auf Grundlage von deutschen Wirtschaftsindikatoren die globale Handelsdynamik misst. Das GGTM stütz sich bei der Berechnung auf zwei deutsche Indikatoren, die eine hohe Korrelation mit dem Wachstum des Welthandels vorweisen: Neuaufträge im verarbeitenden Gewerbe und die ifo Exporterwartungen im verarbeitenden Gewerbe.

Rezession setzt sich im 2. Quartal fort – Welthandel steuert auf Kontraktion zu

„Es zeigen sich dunkle Wolken am Himmel – und so schnell vermutlich kein Lichtblick“, sagt Katharina Utermöhl, Senior Economist Europe bei Euler Hermes. „Unsere Berechnungen zeigen, dass sich die Welthandelsrezession im zweiten Quartal höchstwahrscheinlich fortgesetzt hat. Eine Trendwende ist nicht in Sicht: Die ifo-Exporterwartungen im verarbeitenden Gewerbe notieren auf einem Siebenjahrestief, bei den Neuaufträgen im verarbeitenden Gewerbe zeigt sich sogar der tiefste Stand seit fast zehn Jahren. Sicherlich könnten Deutschland-spezifische Entwicklungen – wie etwa die zum Teil hausgemachte Krise im Automobilsektor – die aktuelle Schwäche des Welthandels überbewerten. Klar ist aber auch, dass der Welthandel ohne eine baldige Erholung der Dynamik für das Gesamtjahr 2019 schrumpfen dürfte. Dies wäre die erste Kontraktion seit der großen Finanzkrise.

Die deutsche Wirtschaft eignet sich nach Ansicht der Euler Hermes- und Allianzexperten besonders gut als Frühindikator für globale Handelsentwicklungen. Die Gründe dafür sieht die Studie in der Größe des Exportsektors, der Offenheit beim Handel sowie der starken Exportdiversifizierung, sowohl geografisch als auch bei den Branchen.

Offenheit: Fluch und Segen, Stärke und stärkere Anfälligkeit auf externe Entwicklungen

„Keine andere große Exportnation hat mehr Handelspartner als Deutschland und ist mehr vom globalen Handel abhängig. Diese Offenheit im Handel ist Fluch und Segen zugleich“, sagt Van het Hof. „Einerseits macht es die Stärke der deutschen Wirtschaft aus, die seit den frühen 50er-Jahren immer einen Handelsüberschuss erwirtschaftet hat. Andererseits macht es die hiesige Wirtschaft aber auch anfälliger für negative globale Entwicklungen. Deshalb eignet sich ihr Herzschlag besonders gut als Frühindikator für den Welthandel.“

Zwar sind die Deutschen inzwischen nur noch auf dem dritten Platz beim Rennen um den Titel des Exportweltmeisters, den sie zuletzt 2008 innehatten. Allerdings ist der Außenhandelsanteil der Deutschen (Exporte und Importe in Relation zum Bruttoninlandsprodukt) mit 87% im Jahr 2018 inzwischen mehr als doppelt so hoch als in China (38%) oder den USA (26%). Der Anteil hat sich dabei in den vergangenen 30 Jahren fast verdoppelt. Wichtige Treiber hinter Deutschlands zunehmender Integration in die globalen Handelsketten waren die EU-Mitgliedschaft, die Einführung des Euro und die damit einhergehende verbesserte preisliche Wettbewerbsfähigkeit sowie die hohe Nachfrage in aufstrebenden Volkswirtschaften – allen voran natürlich China – nach ‚Made in Germany‘ Produkten.

Neben dieser großen Offenheit beim Handel tragen insbesondere die starke Diversifizierung der deutschen Ausfuhren dazu bei, dass die deutschen Indizes eine hohe Korrelation zu künftigen Entwicklungen im Welthandel zeigen. Unter den großen Exportnationen liegt Deutschland bei der geografischen Diversifizierung unangefochten auf der „Pole Position“. Auch bei der Branchendiversifizierung liegt die Bundesrepublik nur knapp hinter den USA.

 

 

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik Warum sprechen diese Woche alle über Trumps „Big Beautiful Bill“?
01.07.2025

Es ist Trumps größtes Prestigeprojekt. Doch welche Vor- und Nachteile hat das Gesetzespaket, das am Freitag unterschriftsreif auf dem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kernenergie-Aktien explodieren um 542 Prozent: Anleger warnen vor Blasenbildung
01.07.2025

Kernenergie-Aktien feiern ein spektakuläres Comeback – befeuert durch den steigenden Strombedarf für Rechenzentren. Die Branche erlebt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Svenska Digitaltolk: Dolmetscher-Gigant kauft KI-Unternehmen – Millionenumsatz prognostiziert
01.07.2025

Schwedens Dolmetscher-Gigant will Europas Übersetzungsmarkt aufrollen – mit KI, Millionenplänen und dem Griff nach Deutschland. Doch...

DWN
Politik
Politik Grenze zu – zumindest teilweise: Polen kontrolliert ab Montag
01.07.2025

Polen wird ab kommendem Montag vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Das kündigte...

DWN
Politik
Politik Krankenkassen schlagen Alarm: Zusatzbeiträge könnten deutlich steigen
01.07.2025

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) warnen vor Druck zu neuen Beitragserhöhungen ohne eine rasche Bremse für steigende Kosten....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Investitionsstau: Kaputte Straßen, marode Schulen – Kommunen am Limit
01.07.2025

Viele Städte und Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand: Allein die Instandhaltung von Straßen, Schulen und...