Finanzen

Zwangsabgabe auf Sparguthaben kommt auch für kleine Sparer

Deutsche Sparer werden sich schon bald überlegen müssen, ob sie ihr Geld weiter auf der Bank liegen lassen. Die Anzeichen mehren sich, dass auch die Guthaben der kleinen Sparer in Kürze mit einer Zwangsabgabe belegt werden.
10.10.2016 00:43
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die deutschen Sparer müssen sich auf eine Zwangsabgabe auf ihre Sparguthaben einstellen. Ein Kenner der Banken-Szene, Martin Hellmich von der Frankfurt School of Finance and Management, sagte der FT, dass negative Zinsen für private Kunden in Deutschland „definitiv kommen werden“. Hellmich: „Einige Banken analysieren bereits ihre Beziehungen zu unprofitablen Kunden, um ihre Sparguthaben loszuwerden. Banken, die das nicht tun können, werden andere Maßnahmen ergreifen müssen, werden dazu übergehen, die Negativ-Zinsen auf ihre Kunden abzuwälzen. Dies wird schrittweise auch die kleineren Kunden erfassen.“

Welche Banken das betreffen wird ist unklar. Es ist zu erwarten, dass es nicht bei Einzelfällen bleiben wird.

Die Sparkassen kämpfen seit jeher gegen die EZB-Geldpolitik und wollen um jeden Preis verhindern, dass sie zu derart drastischen Maßnahmen wie einer Zwangsabgabe greifen missen. Der Präsident des Sparkassen- und Giroverbands, Georg Fahrenschon, sagte der FT allerdings, dass er „nicht ausschließen könne, dass die Betriebswirtschaft irgendwann eine andere Entscheidung erfordere".  Bisher gibt es das Modell der Negativzinsen in Deutschland nur am Tegernsee und bei der Skatbank in Thüringen.

Fahrenschon  sagte der FT - wie unabhängig von ihm Hellmich - , dass die aktuelle EZB-Politik die Sparkassen in ein echtes Dilemma stürze: „Wir sind in der Situation, dass wir über jeden Kunden glücklich sind. Aber eigentlich müssten wir sie mit ihren Depots wegen der Negativzinsen der EZB wegschicken. Das passt jedoch nicht zu unserem Selbstverständnis.“

In einem Statement bei der IWF-Tagung sagte Fahrenschon, „dass durch zu billiges Geld der Handlungsdruck von der europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik genommen werde, die notwendigen Strukturreformen umzusetzen. Die europäischen Kredit- und Kapitalmärkte funktionierten nicht mehr ausreichend, weil Liquiditätsverzicht und Risikoübernahme nicht mehr honoriert würden. Und gerade Bevölkerungsgruppen mit geringeren Vermögen würden durch Zinsausfälle besonders getroffen, weil sie nicht ohne Weiteres auf Kapitalmärkte ausweichen könnten. Von der Schwemme billigsten Geldes profitierten nur zu hoch verschuldete Staaten und Investoren, die in hohe Risiken investieren könnten.“

Derzeit gibt es nach Feststellung von Fahrenschon ein Ungleichgewicht zwischen den globalen Ersparnissen auf der einen und den globalen Investitionsmöglichkeiten auf der anderen Seite. Das mache einen Ausstieg aus der falschen Geldpolitik schwer. Es sei aber falsch, die Sparer für dieses Ungleichgewicht verantwortlich zu machen. Sie handelten vernünftig, wenn sie angesichts sprunghaft steigender Lebenserwartungen die eigene Altersvorsorge ausbauten und fehlende Zinsen durch erhöhte Sparanstrengungen kompensierten.

Der Ökonom Kenneth Rogoff hatte kürzlich einen Vorgeschmack über die Höhe der Negativ-Zinsen gegeben: Er hält im Fall einer Finanzkrise minus 6 Prozent für denkbar. Damit liegt er noch etwas unter den bekannten Vorschlägen des IWF, der sich für eine Vermögensabgabe von 10 Prozent ausgesprochen hatte. Allerdings wollte der IWF eine einmalige Abgabe, während die Zwangsabgabe zum Dauerzustand wird.

Über den Mindestzeitraum der Maßnahme gab EZB-Chef Mario Draghi Auskunft: Die Euro-Zone wird nach Einschätzung von EZB-Präsident Mario Draghi bis spätestens Anfang 2019 ihr Inflationsziel von fast zwei Prozent erreichen. Bereits Ende dieses Jahres werde sich die Teuerung beschleunigen, im Laufe des nächsten Jahres dann über ein Prozent hinausgehen und Ende 2018 oder Anfang 2019 an die Zielmarke von knapp zwei Prozent herankommen, sagte Draghi zum Abschluss der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank am Samstag in Washington.

Unklar ist, wann und in welchem Ausmaß das von vielen Seiten geforderte Bargeld-Verbot kommen wird. Es ist im Grund die Voraussetzung, um die Negativzinsen auch wirklich durchzusetzen. Bis sich hier eine klare Gefechtslage abzeichnet, dürften es die deutschen Sparer schon bald den griechischen Sparern gleichtun und auf die Matratze als bewährtes Aufbewahrungsmittel zurückgreifen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kursgewinne oder Verluste: Anleger hoffen auf drei entscheidende Auslöser für Börsenrally
18.07.2025

Zölle, Zinsen, Gewinne: Neue Daten zeigen, welche drei Faktoren jetzt über Kursgewinne oder Verluste entscheiden. Und warum viele...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wenn Kunden nicht zahlen: So sichern Sie Ihre Liquidität
18.07.2025

Alarmierende Zahlen: Offene Forderungen in Deutschland sprengen die 50-Milliarden-Euro-Marke. Entdecken Sie die Strategien, mit denen Sie...