Finanzen

Abschied von der EU-Disziplin: Italien will mehr Schulden machen

Lesezeit: 2 min
20.10.2016 01:23
Die Neuverschuldung Italiens wird im kommenden Jahr 2,4 Prozent der Wirtschaftskraft betragen. Es hat den Anschein, als verabschiede sich Italien langsam von den EU-Regeln. Als Vorbild dient Italien Frankreich.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Italiens Neuverschuldung soll im kommenden Jahr 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen, analysiert Florian Eder vom Magazin Politico die Zahlen des von der Regierung Renzi vorgelegten Haushaltsentwurfs.  Der Wert übersteigt die 1,8 Prozent, auf die sich Italien für 2017 in diesem Frühjahr verpflichtet hat ebenso deutlich wie die 2 Prozent, welche die Regierung unter Premierminister Matteo Renzi später bekanntgab.

Die Regierung habe das Parlament gebeten, eine „weitere Erhöhung des Defizits um bis zu 0,4 Prozentpunkte vom BIP zu genehmigen“, sagte Finanzminister Padoan. Die Mehrausgaben würden benötigt, um zusätzliche Kosten für Flüchtlinge, für den Wiederaufbau nach dem verheerenden Erdbeben im Sommer und „einen Investitionsplan für anti-seismische Gebäude und Infrastruktur“ abzudecken. Am 12. Oktober hatte das Parlament den zusätzlichen fiskalischen Spielraum genehmigt.

Eder, ein kenntnisreicher Beobachter des Verhältnisses zwischen der EU und den Mitgliedsstaaten, hebt hervor, dass die Italiener ein klares Signal in Richtung EU gesendet hätten: Der Haushalt würde immer noch in Rom beschlossen. Das ist zwar formal richtig. Doch durch den Vertrag von Maastricht sind die EU-Staaten zur Einhaltung von Defizitgrenzen verpflichtet. Erst vor wenigen Tagen war bekanntgeworden, dass Francois Hollande in einem Buchbeitrag eingeräumt hat, mit der EU einen Deal für eine französische Sonderregelung geschlossen zu haben. Das berichtete Le Monde. Die Buchveröffentlichung sorgte in Berlin und Brüssel für Kopfschütteln. Die Entwicklung ist allerdings keineswegs geheim: Frankreich hat vor zwei Jahren offiziell mit der EU vereinbart, die Defizitregeln etwas lockerer betrachten zu dürfen. Im kommenden Jahr sind in Frankreich Wahlen.

Eder spricht von einer "Ankündigung der Aufkündigung der Regeltreue" und schreibt in seinem Newsletter: "Budgetentwürfe können sprechen, und wenn man ein bisschen genauer hinschaut, dann geht das italienische Finanzministerium selbst davon aus, dass die Produktivität (sowohl von Arbeit als auch von Kapital) in den kommenden beiden Jahren abnehmen wird und 2019 stagniert und somit das Wirtschaftswachstum nach unten zieht statt zu beleben. Auf Seite 31 des römischen Haushaltsplans für 2017 findet sich dieses erstaunliche Eingeständnis wirtschaftspolitischen Versagens. Zusammengefasst: Das Wachstum ist gering, die Verschuldung bleibt hoch und das Defizit steigt."

Der scheidende US-Präsident Barack Obama hat zum Abschied noch einmal deutliche Kritik an Europas rigiden Sparmaßnahmen in der Schuldenkrise geübt. „Ich glaube, dass die Austeritätsmaßnahmen zu einer Verlangsamung des Wachstums in Europa beigetragen haben“, sagte Obama in einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit der italienischen Tageszeitung La Repubblica. Obama lobte hingegen Italiens schuldenfinanzierte Wachstumspolitik unter Regierungschef Matteo Renzi (Video am Anfang des Artikels).

„Matteo verfolgt den richtigen Ansatz und dieser zeigt erste Ergebnisse“, sagte Obama über den Mitte-links-Politiker Renzi, der am Dienstagabend an Obamas letztem Staatsdinner in der US-Hauptstadt Washington teilnehmen sollte.


Mehr zum Thema:  

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Neue EU-Verpackungsverordnung bedroht Lieferketten: Fehlende Mehrweglösungen und rechtliche Unsicherheiten
13.09.2024

Die Transformation zu einer scheinbar grüneren Welt ist in vollem Gange. Eifrig werden Gesetze kreiert, die uns von Umweltsünden der...

DWN
Politik
Politik EU-Ministertreffen in Ungarn: Nur ein Drittel nimmt teil
13.09.2024

Wie sollte man auf die Provokationen von Ungarns Premierminister Viktor Orban reagieren? Die EU-Mitgliedsstaaten sind sich uneins. Nach...

DWN
Politik
Politik Etatberatung im Bundestag: Wohlfeile Ratschläge aus der Schweiz zur Sicherheitslage
13.09.2024

Die Schweizer "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ) schreibt auf Deutsch - und zumeist Klartext. Manche Leser könnten glauben, es handelt es sich...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Nach Kritik: Bahn kassiert Pläne für höhere Schienenmaut
13.09.2024

Ab 2026 wollte die Deutsche Bahn die Trassenpreise deutlich erhöhen, im Nahverkehr um 23,5 Prozent, im Fern- und Güterverkehr ebenfalls...

DWN
Technologie
Technologie Neues KI-Modell von OpenAI für komplexe Aufgaben
13.09.2024

OpenAI, der Entwickler von ChatGPT, hat ein neues KI-Modell vorgestellt, das in der Lage ist, komplexere Aufgaben als frühere Chatbots zu...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Handelsregistergebühren sollen kräftig steigen – eine weitere teure Belastung für Unternehmen!
13.09.2024

Das Bundesjustizministerium will die Gebühren für den Handelsregistereintrag um 50 Prozent erhöhen. Ein besserer Kostendeckungsgrad soll...

DWN
Panorama
Panorama Bundesverfassungsgericht: Zustimmung zur geplanten Reform
13.09.2024

Ein breites Parteienbündnis setzt sich dafür ein, die Widerstandskraft des Bundesverfassungsgerichts zu stärken. Dies geschieht vor dem...

DWN
Finanzen
Finanzen Störung bei Kartenzahlungen: Leider kein Einzelfall - was wirklich passiert ist
13.09.2024

Über mehrere Stunden hinweg war das System für Kartenzahlungen in Deutschland betroffen, bevor am Donnerstag-Nachmittag Entwarnung...