Die EU-Kommission wird nach Angaben des Europa-Abgeordneten Jens Gieseke (CDU) Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und voraussichtlich gegen sechs weitere Mitgliedstaaten einleiten, die trotz Verstößen gegen die Emissionsvorschriften nichts gegen die Autohersteller unternommen haben. Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska hatte das Verfahren Mitte September angekündigt. Die Kommission fälle die Entscheidung noch am Mittwoch, sagte Gieseke der AFP – die Kommission gibt die nächste Runde von Vertragsverletzungsverfahren am Donnerstag bekannt.
Die EU-Behörde wollte sich am Mittwoch nicht äußern. Vorab würden mögliche Verfahren nicht kommentiert, sagte eine Sprecherin. Gieseke, der im Europäischen Parlament Berichterstatter im zuständigen Untersuchungsausschuss ist, sprach gegenüber AFP von geplanten Verfahren gegen Deutschland, Großbritannien, Tschechien, Litauen, Luxemburg, Griechenland und Spanien.
Konkret geht es bei dem Verfahren gegen Deutschland demnach um einen Verstoß gegen EU-Recht bei den Typengenehmigungen und Emissionsnormen (Euro 5 und Euro 6) für Dieselfahrzeuge. Die Bundesrepublik habe dabei nicht alle Maßnahmen ausgeschöpft, um EU-Vorgaben widersprechende Praktiken der Autobauer festzustellen, sagte Gieseke.
Ausgelöst wurde das Verfahren durch den VW-Skandal. Volkswagen hatte vor rund einem Jahr zugeben müssen, dass weltweit bei rund elf Millionen Dieselfahrzeugen eine illegale Software eingesetzt wurde, welche die Abgaswerte bei Tests im Labor drückte. Die Ergebnisse lagen dadurch deutlich unter dem tatsächlichen Stickoxid-Ausstoß im normalen Fahrbetrieb.
Das EU-Parlament setzte im März einen Untersuchungsausschuss zum VW-Skandal ein. Er soll unter anderem klären, welche Fehler auf EU-Ebene und auf nationaler Ebene den jahrelangen Betrug von VW ermöglichten. Vor dem Gremium hatte Bienkowska im September die Vertragsverletzungsverfahren angekündigt.
Der Untersuchungsausschuss will seinen Abschlussbericht im Januar vorstellen. Gieseke kritisierte am Mittwoch, es wäre „politisch opportun“ gewesen, den Bericht abzuwarten. Dass die Kommission das Verfahren bereits jetzt anstrebe, sei „nicht optimal“. Der Europa-Abgeordnete vermutete „politische Gründe“ hinter dem Vorgehen der EU-Behörde.