Politik

Donald Trumps erste Rede: Radikal bis an die Schmerzgrenze

Die erste Rede Trumps als neuer US-Präsident irritiert die Welt. Die Schelte für die Eliten war genau kalkuliert. Trump ist der Anchorman einer neuen globalen Elite, für die die alte Trennung zwischen Rechts und Links nicht mehr existiert. Nun kommt es darauf an, ob es dieser Elite gelingt, die Kluft zwischen Arm und Reich zu schließen.
21.01.2017 03:22
Lesezeit: 3 min

Aus Washington ist zu hören, dass viele professionelle Beobachter bis zuletzt gehofft hatten, der neue US-Präsident Donald Trump werde einen professionellen Redenschreiber engagieren. Nach der ersten Sätzen war klar: Trump folgt nicht den Regeln des Politikbetriebs, sondern jenen des Fernsehens. In kurzen Sätzen, einprägsamen Bildern appellierte er an die Emotionen. Trump ist der Anchorman einer neuen, durchgehend von den Republikanern dominierten Administration.

Viele Beobachter waren irritiert. Zahlreiche Medien quittierten den Auftritt mit der perfekten Chiffre für die Ratlosigkeit aller vom Machtverlust bedrohten Politiker und urteilten, Trump habe „populistisch“ gesprochen. Für die aussterbende Spezies der Lager-Politiker ist das ein Schimpfwort – auch wenn kein Zweifel besteht, dass es in keiner Demokratie einen erfolgreichen Politiker gibt, der nicht populistisch ist.

Die Irritation kommt allerdings vor allem daher, dass Trump die „Trademark“ eines neuen Politikstils verkörpert. Das bezieht sich nicht ausschließlich auf Form, sondern auch auf den Inhalt.

Trump vereint in seiner Person rechts und links, als wäre er eine personifizierte Koalition aus Linkspartei und AfD. Ein CNN-Kommentator merkte treffend an, die Rede hätte auch von Bernie Sanders gewesen sein können. Trump ist absolut unberechenbar. Er sagt Dinge, für die ihm die Linken zujubeln müssten: Ende der Globalisierung, voller Einsatz für die Arbeiter, Beschränkung der Macht der Konzerne, kein Lohn-Dumping, kein Freihandel. Zugleich können ihm die Rechten applaudieren: Grenzen dicht, Sicherheit, mehr Polizei, law and order, Begrenzung der Einwanderung.

Das politische Konglomerat kann man allerdings nur verstehen, wenn man scheinbare Widersprüche als Dialektik versteht. Karl Marx hätte seine reine Freude gehabt. Und die FT erinnert in einer subtilen Anspielung an einen anderen Führer, wenn sie schreibt, das Millennium kann nur jemand erwähnen, der eigentlich an ein tausendjähriges Reich denkt. Touché!

Die wichtigste dialektische Komponente ist eine, die alle politischen Eliten anwenden, wenn sie an die Macht kommen oder einen Zusammenbruch verhindern wollen: Als Chef einer durch und durch aus dem „Establishment“ rekrutierten Regierungsmannschaft betonte Trump durchgehend, dass ebendieses Establishment ausgedient habe und die Macht nun dem Volk zurückgegeben werde. Nicht ein einziges Mal sagte Trump „ich“ – sein Lieblingswort in den Wahlkampfreden. Er sprach von „Euch, Ihr und wir“. Damit erweckte er beim Zuhörer den Eindruck, dass seine Regierung eine Einheit mit dem Volk sei – was natürlich nicht stimmt: Seine Minister kommen aus dem Militär, von ExxonMobil und Goldman Sachs. Die meisten seiner Minister sind Millionäre. Essensmarken und Sozialhilfe kennen sie alle nur vom Hörensagen.

Daher hielt sich Trump auch streng an seine Wahlkampf-Slogans: Nicht, weil er die wirklich alle umsetzen will. Es ging ihm darum, in diesem Moment zu signalisieren: Wir, die neuen Eliten, wir halten unser Wort. Wir beziehen unsere Legitimation von unseren Wählern. Das ist schön zu hören, was es wert ist, können nur die konkreten Taten zeigen.

Trumps harsche Abrechnung mit der Obama-Zeit war keine persönliche Beleidigung. Sie war der Trick, den alle Manager verwenden, wenn sie an die Spitze eines neuen Unternehmens treten: Die Arbeit des Vorgängers muss schlechtgeredet werden, um später auch nur minimale Verbesserungen als Erfolg verkaufen zu können. Der Finanzblog Zerohedge hat die Worte herausgefunden, die noch nie in einer Antrittsrede vorgekommen sind: „Bluten, Gemetzel, Erschöpfung, Verfall, Flut, islamisch, zerrissen, traurig, verrostet, Zersiedelung, Diebstahl, stehlen, subventioniert, Grabsteine, eingeschlossen, Trillionen, nicht mehr aufzuhalten.“ Dem unbedarften Zuhörer jagten diese Worte den kalten Schauer über den Rücken. Aus Sicht des Managers ist es weniger dramatisch: Trump wollte sagen, dass es nur besser werden könne.

Niemand kann heute sagen, ob Trumps Wirtschaftspolitik Erfolg haben wird. Auch das ist Dialektik: Trump vereinfacht extrem, weil er weiß, dass die Lösung der Probleme in der vernetzten und globalisierten Welt extrem komplex sein wird. Handel, Währung, Wertschöpfung und Migration berühren immer mehrere Player. Kauft nur beim Amerikaner klingt für die einen schrecklich, für die anderen gut. Tatsächlich ist die globale Arbeitsteilung nicht einfach zu entwirren.

Doch darum ging es bei dieser Rede nicht. Etwa zeitgleich sagte IWF-Chefin Christine Lagarde in Davos, die Weltwirtschaft müsse wieder mehr für den Mittelstand tun. Die Eliten haben Angst, dass die sich immer weiter vertiefende Kluft zwischen Arm und Reich zu einer Revolution führen könnte – und zwar noch zu Lebzeiten der heute Mächtigen. Die überall erkennbare Dynamik, dass die Grenzen wieder geschlossen werden, ist der Hoffnung geschuldet, man könne den Unmut der Leute besser auf nationaler Ebene kanalisieren.

Trump ist der Sprecher des einen Prozents, der sicherstellen soll, dass die 99 Prozent nicht aufmucken. Gott, der Patriotismus, der Sternenhimmel und die Ozeane sind das rhetorische Opium für die Unzufriedenen.

Die Globalisierung war ein Experiment. Sie hat nachweislich nicht zur gerechteren Verteilung des Reichtums geführt. Donald Trump hat dem amerikanischen Volk in seiner Rede eine alternative Vision angeboten: die Rückkehr in den Schoss der Nation. Er tat das nicht aus Nationalismus. Trump hat Immobilien und Hotels auf der ganzen Welt. Er hat viel zu verlieren und kann viel gewinnen. Das verbindet ihn mit all jenen, die zum 1 Prozent gehören. Die Wirtschafts- und Finanzeliten brauchen keinen Nationalstaat. Aber sie haben erkannt, dass es vermutlich besser ist, wenn die Billigjobs in jenen Ländern geschaffen werden, in denen sie regieren. Für die größte Volkswirtschaft der Erde, die USA, kann dies ein entscheidender Vorteil sein. Der Rest der Welt muss nun sehen, wie er mit der neuen Lage zurechtkommt.

George Soros hat Trump noch wenige Stunden vor dessen Amtsantritt wüst beschimpft. Er hat Milliarden mit der Globalisierung gemacht. Jetzt gelten neue Regeln. Die Implementierung dieser Regeln wird zu heftigen Auseinandersetzungen führen. Trump will den Übergang nicht mit Krieg, sondern mit Deals. Doch die Last der Vergangenheit ist schwer: Schulden-Krise und Asset-Blasen sind nicht mit Handschlag zu beseitigen. Vielleicht kippt das ganze System. Trump ging in seiner Rede an die Schmerzgrenze und hat damit den Zeitgeist getroffen. Das Ende der Transformation kennt keiner. Und das ist vermutlich ganz gut so.

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