US-amerikanische und russische Ölkonzerne wollen gemeinsame Energieprojekte realisieren. Die USA haben das Kapital und die Technologie, Russland verfügt über Energieressourcen. Im Grunde könnte eine ähnliche Konstellation auch mit Deutschland funktionieren, doch der politische Wille zur Kooperation mit Russland fehlt.
Mit der Ernennung des Exxon-Chefs Rex Tillerson zum US-Außenminister hat der Einfluss des Energiesektors in Washington seinen Höhepunkt erreicht, schreibt Brian C. Black von der Pennsylvania State University in einem Beitrag für das Magazin The Conversation. Der Einfluss der US-Ölkonzerne, insbesondere der Einfluss von Exxon, in Washington hatte sich insbesondere unter der Amtszeit von George W. Bush positiv auf die Beziehungen mit Russland ausgewirkt, berichtet Bloomberg. Big Oil – also die weltweit größten sieben Ölkonzerne – spielen eine wichtige Rolle bei der Formulierung der US-Außenpolitik, zumindest seit den 1950er Jahren. Führungskräfte von Ölkonzernen waren dafür bekannt, dass sie sich informell bei US-Wahlen einmischten, vor allem als Geldgeber und Lobbyisten für die Kandidaten, schreibt Steve Coll in seinem Buch „Private Empire- Exxon Mobil and American Power.“ So ist nach Einschätzung des Guardian Tillerson die „Personifizierung von Big Oil“. In diesem Zusammenhang gibt es sich überschneidende Interessen zwischen den US-amerikanischen und russischen Ölkonzernen.
Der Aufstieg von Tillerson dürfte in Moskau auch deshalb mit Interesse verfolgt worden sein, weil in Russland Öl-Magnaten immer eine wichtige Rolle auch in der Politik gespielt haben. Die Russen verstehen Energiepolitik als Außenpolitik. Daher werden sie nun versuchen, die guten Drähte zu Tillerson zu nutzen, um die USA nicht als Rivalen, sondern als Partner zu haben.
Der Kurs der Gruppe um den früheren Vizepräsidenten Joe Biden ging in eine andere Richtung: Biden wollte die Ukraine gewinnen, um Russland vom europäischen Energiemarkt abzuschneiden. Das PR-Vehikel für diese Strategie war das Fracking. Doch die US-Frackingindustrie ist bis zum heutigen Tag nicht auf die Beine gekommen. Und in der Ukraine hat sich lediglich die Macht von einem Oligarchen-Klüngel auf einen anderen verlagert. Die Spielräume der US-Regierung sind begrenzt.
Zuvor hatte es schon den Ansatz gegeben, das Energiethema im Konsens statt im Konflikt zu lösen. George W. Bush blickte Putin in die Augen und sah darin offenbar jede Menge Petrodollars glitzern.
In den frühen 2000er Jahren beschlossen der russische Präsident Wladimir Putin und US-Präsident George W. Bush, dass es an der Zeit war, dass ihre beiden Länder engere Beziehungen aufbauen. Der offensichtliche Startpunkt war die Ölindustrie. Die USA importierten fast doppelt so viel Öl wie sie produzierten und wollten sich von den Lieferanten im Nahen Osten unabhängiger machen. Die riesigen, ungenutzten Ölreserven Russlands brauchten zwei Dinge, die die US-Unternehmen hatten: Kapital und Technologie.
Im Oktober 2002 fand in Houston der russisch-amerikanische Energiegipfel statt. Über zwei Tage hinweg kamen russische und amerikanische Regierungsmitglieder und Vertreter von 70 Öl-Firmen zusammen, um über gemeinsame Projekte und Geschäfte zu sprechen. Elf Monate später fand in St. Petersburg ein zweites Gipfeltreffen statt, bei dem es um die Verbesserung des Umfelds für Energieinvestitionen in Russland ging.
In Russland ist die Hoffnung sehr groß, dass die großen Öl-Konzerne beider Staaten sich an den Erfahrungen der Jahre zu Beginn des Jahrtausends orientieren. Igor Yusufow, Russland Energieminister zwischen 2001 und 2004, der derzeit einen Energie-Investmentfonds führt, hofft, dass Donald Trump die Zusammenarbeit zwischen den USA und Russland im Energiesektor stärken wird. In der Ernennung von Tillerson sieht Yusufow einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Schließlich hat Tillerson mehr Erfahrung mit den Russen als jeder andere Vertreter der US-Energiewirtschaft und der US-Regierung, da er im Jahr 2011 ein Joint Venture zwischen Exxon und Rosneft im Volumen von 500 Milliarden Dollar ausgehandelt hatte. Das Potenzial für eine neue Ära der konstruktiven Beziehungen zwischen den USA und Russland war wahrscheinlich auch ein Thema bei den Diskussionen auf dem Davos-Gipfel des World Economic Forums im Januar, denn die Teilnehmerliste bestand zum Großteil aus Vertretern der Ölindustrie, so Bloomberg.
Die erste und wichtigste Annäherung zwischen Russland und den USA könnte in der Aufhebung der Sanktionen gegen Russland liegen. „Wenn er eine bessere Beziehung zu Russland will, kann Trump damit beginnen, die Sanktionen aufzuheben“, so Steven Pfifer, der von 2001 bis 2004 als stellvertretender US-Außenminister im Amt für europäische und eurasische Angelegenheiten mit Verantwortung für Russland und die Ukraine diente.
Yusufow hat einen konkreten Vorschlag dafür, wie Russland und die USA im Energiesektor kooperieren könnten, um den volatilen Ölmarkt zu stabilisieren. „Wir könnten unsere Bemühungen kombinieren, um Preise zu schaffen, die für beide Länder von Vorteil wären. Eine Bandbreite von 60 bis 80 Dollar pro Barrel wäre hoch genug für den Kreml, um sein Budgetloch zu stopfen und für US-Fracker, um in neue Projekte zu investieren (…). Das könnte der Inhalt der Diskussion eines russisch-amerikanischen Energiegipfels sein, wie es vor 15 Jahren der Fall gewesen ist“, so Yusufow.
Auffällig ist, dass sich der Ölpreis seit dem Wahlsieg Trump im November in einer Phase der Stabilisierung befindet. In der Nacht vom 8. Zum 9. November lag der Ölpreis für die richtungsweisende Sorte Brent bei 44, 98 Dollar pro Barrel. Seitdem ist der Ölpreis gestiegen und erreichte am 30. Januar 2017 einen Wert von 55,30 Dollar pro Barrel. Ein steigender Ölpreis wird nicht nur Russland dabei helfen, aus den steigenden Einnahmen das Haushaltsdefizit und die negativen Auswirkungen der Russland-Sanktionen auszugleichen, sondern auch den Einfluss von Big Oil in Washington ausweiten – sowohl politisch als auch wirtschaftlich.
Die Los Angeles Times bestätigen, dass Big Oil künftig eine entscheidende Rolle in der US-Politik spielen wird. Trump habe unmissverständlich ein „Comeback“ von Big Oil eingeleitet, so das Blatt.
Der gesamte Prozess der anstehenden Kooperation zwischen US-amerikanischen und russischen Ölkonzernen hat Folgen für die deutsche Energiewirtschaft. Es gibt derzeit keinerlei Anzeichen dafür, dass die Bundesregierung daran denkt, die Russland-Sanktionen abzumildern oder aufzuheben. Dabei verfügt Deutschland über die Technologie, das Investitionspotenzial und das Kapital für Joint Ventures mit russischen Ölkonzernen, um im globalen Energiegeschäft ein Mitspracherecht zu erringen. Während Deutschland diese Option offenbar nicht nutzen will, werden US-Ölkonzerne versuchen, gemeinsam mit den Russen den Öl- und Gasmarkt zu kontrollieren. Am Ende könnte ein amerikanisch-russisches Duopol stehen, welches auch Deutschland bei den Preisen wenig Handlungsspielraum gewährt.