Finanzen

Deutsche Börse und LSE: Hessen fordert Frankfurt als Hauptsitz

Lesezeit: 2 min
04.02.2017 01:09
Das Bundesland Hessen dringt auf Frankfurt als Sitz der Gemeinschaftsholding von Deutscher Börse und London Stock Exchange. Es sei riskant und unverständlich, warum diese London angesiedelt sein sollte.
Deutsche Börse und LSE: Hessen fordert Frankfurt als Hauptsitz

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Das Bundesland Hessen fordert von der London Stock Exchange (LSE) so deutlich wie nie zuvor ein Entgegenkommen bei der geplanten Fusion mit der Deutschen Börse, berichtet Reuters. Die gemeinsame Holdinggesellschaft der Börsen sollte nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU in Frankfurt und nicht wie bisher geplant in London angesiedelt werden, sagte der hessische Finanzminister Thomas Schäfer in einem am Freitag veröffentlichten Interview. „Auch die Beteiligten in London müssten aus meiner Sicht erkennen, dass es – und zwar in ihrem ureigenen Interesse – keine gute Idee wäre, an den Plänen in ihrer ursprünglichen Form festzuhalten“, sagte der CDU-Politiker. „Ich habe das Gefühl, dass das Management der London Stock Exchange dies erkennt, aber eine Verlegung des Sitzes derzeit aus politischen Gründen scheut – nach dem Motto: „Wie sag ich's meinem Kind?“

Rational betrachtet lägen die Gründe für einen Hauptsitz in Frankfurt „glasklar auf dem Tisch“, sagte Schäfer. „Doch noch sind die handelnden Personen in nationaler Loyalität gefangen. Sie wollen nicht die ersten sein, von denen ein deutliches, sichtbares Zeichen ausgeht, dass der Brexit unaufhaltsame Nachteile für Großbritannien hat.“ Dabei wäre es nach Ansicht von Schäfer auch für die LSE von Vorteil, „wenn die Holdinggesellschaft der fusionierten Börse einen Anker in einem stabilen Rechtsraum wie Deutschland hätte. Denn wie die Rahmenbedingungen in London nach dem Brexit aussehen, kann derzeit niemand genau vorhersehen.“

Die Zustimmung der hessischen Börsenaufsicht, die im Wirtschaftsministerium angesiedelt ist, gilt als größte Hürde für die 25 Milliarden Euro schwere Fusion. Die Behörde prüft, ob die Weitentwicklung der Börsenplatzes Frankfurt durch den Deal gefährdet werden könnte. Insidern zufolge hat sie große Bedenken, weil sich nach dem Zusammenschluss mangelnde Kontrollmöglichkeiten fürchtet. Die Behörde hätte laut dem Börsengesetz nach einer Fusion zwar rechtlich Zugriff auf eine Holdinggesellschaft in London und könnte dieser beispielsweise die Stimmrechte für die deutsche Tochter entziehen. In Wiesbaden gibt es jedoch Zweifel, ob man dies im Streitfall auch vor einem britischen Gericht einklagen könnte. Zudem wäre es für die Behörde nach Einschätzung von Experten unmöglich, bei einem Zerwürfnis mit London von heute auf morgen einen neuen Betreiber für die Frankfurter Wertpapierbörse zu finden.

Die vor dem Brexit-Votum ausgearbeiteten Fusionspläne der Unternehmen sehen vor, dass Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter Vorstandsvorsitzender der Holding wird und dass diese dafür in London anzusiedeln. Aus Sicht von Schäfer ist der Sitz der Gesellschaft und damit die herrschende Rechtsform aber weit bedeutsamer als der Chefposten. „Solche Strukturentscheidungen sind auf lange Sicht wichtiger als die Besetzung von Spitzenpositionen.“ Zudem wird gegen Kengeter derzeit wegen des Verdachts auf Insiderhandel ermittelt.

Bisher hat die LSE keine Anzeichen gemacht, dass sie zu einer Verlegung der Holdinggesellschaft oder zur Schaffung eines doppelten Holdingsitzes bereit wäre. „Der Deal steht“, sagte LSE-Chef Xavier Rolet Anfang der Woche zu Reuters.

Für die Entscheidung über die Börsenfusion ist in Hessen am Ende Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) zuständig. Er kann sich – im Gegensatz zu Schäfer und Ministerpräsident Volker Bouffier – jedoch nicht in der Öffentlichkeit zu dem Thema äußern, weil die Entscheidung seines Ministeriums über die Fusion sonst am Ende angreifbar wäre. Neben Hessen muss auch die EU-Kommission noch grünes Licht für den Zusammenschluss geben.

Das hessische Wirtschaftsministerium werde am Ende ausschließlich nach Recht und Gesetz über den Antrag entscheiden, den die Deutsche Börse einreiche, sagte Schäfer. „Ich kann aber als an dem formellen Verfahren Unbeteiligter den Konzernen nur empfehlen, dass sie sich bei der Frage des Firmensitzes noch einmal bewegen. Das mag juristisch kompliziert sein, aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Palantir: Wie Vorurteile die sinnvolle Anwendung von Polizei-Software behindern
23.04.2024

Palantir Technologies ist ein Software-Anbieter aus den USA, der entweder Gruseln und Unbehagen auslöst oder Begeisterung unter seinen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 20 Jahre EU-Osterweiterung: Wie osteuropäische Arbeitskräfte Deutschland unterstützen
23.04.2024

Zwei Jahrzehnte nach der EU-Osterweiterung haben osteuropäische Arbeitskräfte wesentlich dazu beigetragen, Engpässe im deutschen...

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: Spannung und Entspannung – Geopolitik sorgt für Bewegung bei Aktien und Rohstoffen
23.04.2024

Die hochexplosive Lage im Nahen Osten sorgte für reichlich Volatilität an den internationalen Finanz- und Rohstoffmärkten. Nun scheint...

DWN
Finanzen
Finanzen Staatsverschuldung auf Rekordhoch: Steuerzahlerbund schlägt Alarm!
23.04.2024

Der Bund Deutscher Steuerzahler warnt: Ohne Kehrtwende droht der fiskalische Abgrund, trotzdem schöpft die Bundesregierung das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt weiter - Verband alamiert
23.04.2024

Laut neuen Zahlen gibt es immer weniger Apotheken-Standorte. Der Apothekerverband spricht von „alarmierenden Zeichen“ und erklärt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
23.04.2024

Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Handel warnt vor „Geisterstädten“ - tausende Geschäftsschließungen
23.04.2024

Seit Jahren sinkt die Zahl der Geschäfte in Deutschlands Innenstädten - auch weitere Filialen von Galeria Karstadt Kaufhof müssen bald...

DWN
Technologie
Technologie Ocean Cleanup fischt 10.000 Tonnen Plastikmüll aus Ozeanen und Flüssen
23.04.2024

Ein Projekt fischt Tausende Tonnen Plastik aus dem Meer und aus Flüssen. Eine winzige Menge, weltweit betrachtet. Doch es gibt global...