Finanzen

Draghi macht Trump als Schuldigen für den nächsten Crash aus

Lesezeit: 2 min
06.02.2017 22:21
EZB-Chef Draghi deutet an, dass eine mögliche Lockerung der Bankenregeln in den USA zu einem Crash führen könnte. Die Debatte erweckt den Anschein, als sei die Suche nach einem Sündenbock für den nächsten Crash bereits in vollem Gang.
Draghi macht Trump als Schuldigen für den nächsten Crash aus

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

EZB-Präsident Mario Draghi hat US-Präsident Donald Trump indirekt als den Schuldigen an einem möglichen Crash an den Finanzmärkten ausgemacht. Draghi stellte dabei auf Trumps Anordnung ab, das Dodd-Frank-Gesetz überprüfen zu lassen: "Das Letzte, was wir im Augenblick brauchen, ist eine Lockerung der Regulierung." Die Vorstellung, dass sich die Situation vor der Finanzkrise wiederholen könne, sei sehr beunruhigend, sagte Draghi am Montag im Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments in Brüssel. Draghis etwas kryptisch daherkommende, jedoch unmissverständliche Warnung deckt sich im Ergebnis mit einer Crash-Warnung von Draghis früherem Arbeitgeber, Goldman Sachs. Doch die Goldmänner fürchten nicht die Deregulierung, sondern die Tatsache, dass Trump mit seiner Einwanderungs- und Handelspolitik Verwerfungen an den Finanzmärkten auslösen könnte.

Trump hat kürzlich einen Erlass unterzeichnet, wonach die Wall-Street-Reformen (Dodd-Frank-Gesetz) überprüft werden sollen. Das Gesetz von 2010 war als zentrale Konsequenz aus der Finanzkrise von 2008 aufgelegt worden. Damals wurden Banken weltweit mit Hilfe von Steuermilliarden und Liquiditätsgarantien vor dem Kollaps gerettet.

Tatsächlich hat Trump noch keine neue Lockerung veranlasst, weil dies durch den US-Senat geschehen müsste. Beobachter erwarten, dass es mindestens zwei Jahre dauern wird, bis eine Veränderung der Regulierung kommt - wenn sie denn überhaupt kommt.

Die EZB hat seit Jahren - also lange vor Trump - Papiere aller Art aufgekauft, um das Bankensystem zu stützen. Zugleich hat sie Staatsanleihen gekauft und damit den Bond-Markt faktisch zentralisiert. Die Bilanzsumme der EZB ist daher enorm aufgebläht und stellt ihrerseits ein Risiko für die Finanzstabilität dar.

Neben Draghi warnt auch die Banken-Lobby vor Trump: Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Michael Kemmer, fürchtet, dass die US-Banken Wettbewerbsvorteile gegenüber den Europäern erhalten könnten: "Die Stabilität des globalen Finanzsystems kann nur eine international abgestimmte Regulierung gewährleisten", sagte Kemmer. Das sei die Lehre aus der Finanzkrise. Sonst seien "transatlantische Wettbewerbsverzerrungen vor allem zulasten Europas nicht auszuschließen".

Kemmer befürchtet, dass eine Kehrtwende bei der Regulierung in den USA auch die laufenden Gespräche über eine Reform der weltweiten "Basel-III"-Regeln beeinträchtigen könnte. "Klar ist aber: Die weiteren Verhandlungen zu Basel IV werden durch diese Maßnahmen sicher nicht erleichtert." Die Verhandlungen stocken, weil vor allem Amerikaner und Europäer keinen gemeinsamen Nenner bei der Berechnung der Risiken von Banken fanden. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums pochte in Berlin darauf, bei der Diskussion im Baseler Ausschuss solle es nicht um eine Lockerung der Regulierung gehen, sondern um gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen für alle Institute weltweit.

Draghis Attacke auf Trump ist auch als Retourkutsche zu verstehen. Trump hatte gesagt, Deutschland würde sich mit dem schwachen Euro Vorteile auf dem Weltmarkt verschaffen. Draghi: "Wir sind keine Währungsmanipulatoren". Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) spiegele den unterschiedlichen Zustand der Wirtschaft im Währungsraum im Vergleich zu den USA wider. Der gemeinsame Markt würde nicht überleben mit anhaltenden wettbewerbsgetriebenen Abwertungen.

Der Chef-Wirtschaftsberater von US-Präsident Donald Trump, Peter Navarro, hatte unlängst Deutschland vorgeworfen, den seit längerem niedrigen Euro-Kurs für Handelsvorteile auf Kosten der USA zu nutzen. Am Wochenende hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gekontert, die europäische Geldpolitik werde nicht von der Bundesregierung, sondern der EZB gemacht. Dem CDU-Politiker zufolge ist der Euro-Kurs für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sogar zu niedrig. Schäuble hatte seine Kritik mit einem Seitenhieb auf Draghi verbunden und den Eindruck erweckt, als geschähe alles in der EZB ohne Zutun der Bundesregierung. Diese hätte sich jedoch vornehm zurückgehalten und gegen die Verbilligung ihrer Schuldenlast nicht protestiert.

Der Wirtschaft in der Euro-Zone hat die aufgeblähte EZB-Bilanz noch nicht geholfen. Die radikalen EZB-Maßnahmen seien laut Draghi notwendig, damit sich die Inflation wieder nachhaltig dem Ziel von knapp zwei Prozent annähere. Der Anstieg im Dezember und Januar gehe vor allem auf statistische Basiseffekte sowie anziehende Energiepreise zurück. "Unsere geldpolitische Strategie schreibt vor, dass wir auf einzelne Datenpunkte und kurzlebige Erhöhungen der Inflation nicht reagieren sollten", so Draghi. Die Notenbank werde Veränderungen in der Teuerungsrate ignorieren, falls die mittelfristigen Aussichten dadurch nicht nachhaltig beeinflusst würden.

Die Inflation im Währungsraum war im Januar auf 1,8 Prozent nach oben geschnellt, nachdem sie noch im Dezember bei 1,1 Prozent gelegen hatte. Die Inflation wird jedoch falsch gemessen, weshalb alle politischen Kämpfe darüber reine Schaukämpfe sind.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft OWZE-Prognose 2024: Minimales Wirtschaftswachstum für Deutschland erwartet
02.05.2024

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OWZE) geht von einem minimalen Wirtschaftswachstum für Deutschland...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschland im Investitionstief: Rückgang setzt Wirtschaft unter Druck
02.05.2024

Deutschlands Attraktivität für ausländische Investitionen schwindet weiter: 2023 markiert den niedrigsten Stand seit 2013. Manche...

DWN
Politik
Politik 1.-Mai-Demonstrationen: Gewerkschaften fordern dringend Gerechtigkeit
02.05.2024

Am Tag der Arbeit kämpfen Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen. Ihre Spitzenvertreter betonten die Notwendigkeit von...

DWN
Politik
Politik Militärhistoriker Lothar Schröter im DWN-Interview: Die Folgen des Massenmords von Odessa 2014
02.05.2024

Der Militärhistoriker Lothar Schröter ordnet im DWN-Interview den Massenmord in Odessa vom 2. Mai 2014 ein. Dabei geht er auch auf die...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview: Ukraine-Krieg - Zehn Jahre nach dem Massenmord von Odessa
02.05.2024

Am 2. Mai 2014 ist es in der ukrainischen Stadt Odessa zu einem Massenmord gekommen, bei dem fast fünfzig Menschen qualvoll ums Leben...

DWN
Technologie
Technologie Infineon vor herausforderndem Quartal: Augenmerk auf Zukunftsaussichten
02.05.2024

Der Chiphersteller Infineon sieht schwieriges Quartal voraus, mit moderaten Rückgängen und angespanntem Automobilmarkt. Wie geht es...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin als Geldanlage: „Das ist gleichzusetzen mit einem Besuch im Casino“
02.05.2024

Bitcoin entzweit trotz neuer Kursrekorde die Anlegergemeinschaft. Die einen halten große Stücke auf den Coin, die anderen sind kritisch....

DWN
Immobilien
Immobilien Balkonkraftwerk mit Speicher: Solarpaket könnte Boom auslösen - lohnt sich der Einbau?
01.05.2024

Balkonkraftwerke aus Steckersolargeräten werden immer beliebter in Deutschland. Insgesamt gibt es aktuell über 400.000 dieser sogenannten...