Zwei Jahre nach dem Germanwings-Absturz mit 150 Toten meldet sich die Familie des verantwortlichen Co-Piloten Andreas Lubitz zu Wort. In der Einladung zu einer Pressekonferenz am Freitag (24. März) bezweifelt Lubitz' Vater die «Annahme des dauerdepressiven Copiloten, der vorsätzlich und geplant in suizidaler Absicht das Flugzeug in den Berg gesteuert haben soll». Er schreibt: «Wir sind der festen Überzeugung, dass dies so nicht richtig ist.»
Für den Absturz der Germanwings-Maschine in Frankreich mit 150 Todesopfern ist nach Ansicht der deutschen Ermittler ausschließlich Lubitz verantwortlich. Zu diesem Schluss kam die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft fast zwei Jahre nach dem Absturz. «Die Ermittlungen haben keinen Anlass gegeben, strafrechtlich gegen eine lebende Person zu ermitteln», sagte Staatsanwalt Christoph Kumpa im Januar 2017 der Deutschen Presse-Agentur. Die Behörde habe das Todesermittlungsverfahren eingestellt. Es gebe einen entsprechenden Abschlussvermerk.
In der Ankündigung der Lubitz-Familie heißt, es seien viele Fragen unbeantwortet geblieben. Auch seien bei der Aufklärung der Ursachen Aspekte vernachlässigt worden.
Die Familie hat nach eigenen Angaben den Luftverkehrs-Journalisten Tim van Beveren mit einem Gutachten beauftragt, das am zweiten Jahrestag des Absturzes in Berlin vorgestellt und erläutert werden soll. Neben van Beveren will sich auch Günter Lubitz den Fragen der Journalisten stellen. Der Journalist hat die 17.000 Seiten umfassenden Ermittlungsakten ausgewertet, eigene Recherchen angestellt hat und «vernachlässigte Aspekte» in Betracht gezogen.
Van Beveren ist ein sehr angesehener Luftfahrt-Journalist, der für zahlreichen Zeitungen und TV-Sender gearbeitet hat. Seine Recherchen beziehen sich auf giftige Dämpfe in der Kabinenluft (siehe Video am Anfang des Artikels). So äußerte van Beveren im Berliner Sender Radio Eins nach dem Gemanwings-Absturz Zweifel über den Hergang. Er sagte:
«Kohlenmonoxid dringt in dem Moment ein, wo der Kapitän rausgegangen ist. Kohlenmonoxid ist unsichtbar, riecht nicht, führt dazu, dass ich innerhalb kürzester Zeit die Besinnung verliere, wirkt auf das Nervensystem. Als Co-Pilot möchte ich noch ganz schnell die Tür aufmachen, damit mir jemand zur Hilfe kommen kann, und versuche den Schalter umzulegen – der geht aber nicht nach oben sondern nach unten und verriegelt die Tür. Und dann sackt mein Körper zusammen – ich sacke mit dem Körper auf den Sidestick, der Airbus nimmt die Nase runter und beginnt zu sinken – in einem Bereich zwischen 2500 und 3500 ft. pro Minute.»
Ob es auch im konkreten Fall der Germanwings zu einem solchen Vorfall gekommen ist, ist unbekannt. Die Flugexperten von Austrian Wings halten dies für nicht wahrscheinlich. Thomas Müller erklärte damals den Deutschen Wirtschafts Nachrichten:
«Unsere Redakteure haben intensiv recherchiert, mit über einem Dutzend Piloten gesprochen, als der Crash bekannt wurde. Fazit: Kein einziger Pilot hatte auch nur den Hauch einer Erklärung für das, was geschehen ist und bereits bevor es die Staatsanwaltschaft offiziell bestätigt hat, wurde Austrian Wings aus Pilotenkreisen darauf aufmerksam gemacht, dass ,bei logischer Betrachtung der derzeit bekannten Fakten alles nach Pilotensuizid‘ aussieht.
Andere Szenarien sind derzeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, da nichts zusammenpasst. Dazu ein paar kurze Beispiele: Bei einem Vorfall mit kontaminierter Kabinenluft, bei dem beide Piloten plötzlich bewusstlos werden, fliegt das Flugzeug seinen vorprogrammierten Kurs weiter bis der Sprit ausgeht, ebenso bei einem Druckverlust, der so plötzlich auftritt, dass die Besatzung nicht einmal mehr Zeit hat die Sauerstoffmasken anzulegen (was extremst unwahrscheinlich wäre). Hier aber erfolgte ein aerodynamisch stabiler Sinkflug, soviel wir aus den Radardaten wissen, ein Manöver, dass nur vom Piloten manuell oder durch Programmierung des Autopiloten geflogen werden kann. Der Umstand, dass dies geschehen ist, aber weder über den Transponder noch über Funk ein Notsignal abgegeben wurde und die Cockpittüre offenbar von innen verriegelt wurde und das verzweifelte Klopfen des zweiten Piloten von außen zu hören ist, lässt nach derzeitigem Kenntnissstand bedauerlicherweise tatsächlich nur den Schluss zu, dass hier einer der Piloten, konkret der Erste Offizier, Suizid begangen hat, so unglaublich das auch klingen mag.»
Auch die Fluggesellschaften werden das Gutachten von van Beveren mit Interesse verfolgen. Weil der Fall Germanwings faktisch als Einzeltäter-Fall eingestuft wird, erwachsen der Lufthansa keine weiteren Verpflichtungen und Konsequenzen nach dem Absturz.