Unternehmen

Industrie 4.0: Zentrale Vernetzung birgt erhebliche Risiken

Lesezeit: 2 min
09.07.2017 02:31
Die ständige Vernetzung von Maschinen muss nicht Grundlage der Industrie 4.0 sein.
Industrie 4.0: Zentrale Vernetzung birgt erhebliche Risiken

Digitale Transformation gehört zum Schlachtruf der Technologieunternehmen, die von der zunehmenden Vernetzung der Industrie, Industrie 4.0, profitieren wollen. Bisher hat sich der deutsche Mittelstand nur wenig anstecken lassen. Allerdings erhöht sich der Druck. Getrieben wird die Entwicklung von Maschinenherstellern, welche durch Permanentverbindung mit den Industrieunternehmen den Service verbessern, aber auch die Kundenbindung erhöhen wollen.

Üblicherweise sind dann die Maschinen bidirektional permanent mit dem Internet verbunden. Techniker der Hersteller können so von jedem Ort der Welt auf die Maschine des Industrieunternehmens zugreifen. Eine solche Permanentverbindung über das Internet zu Maschinen ist dem IT-Sicherheitsexperte Olaf Berberich zufolge grob fahrlässig und zudem völlig unnötig. „Alle Türen, die man von außen zum Öffnen einrichtet, müssen permanent überwacht werden, weil auch Unbefugte eintreten können“, sagte Berberich den Deutschen Wirtschafts Nachrichten.

Die Überwachung funktioniere nämlich nicht, „weil auf unterschiedlichen Ebenen wie Betriebssystem, Hardware, Software von unterschiedlichen Herstellern Türen eingerichtet werden“. Darüber hinaus würde das die Situation noch komplexer gestalten. Außerdem gebe der „Mittelstand die Entscheidungshoheit über den Zugriff auf seine Daten(Maschinen) an viele andere ab“, so Berberich. Und, weil selbst das Konzept der automatischen Updates unterschiedlicher Hersteller viele Gefahren biete.

Es mache ihn daher wütend, dass scheinbar überhaupt kein Interesse an einfachen sicheren Konzepten bestehe. „Weder in der Forschung, noch bei den Herstellern finde ich derzeit ein offenes Ohr. Nur die betroffenen mittelständigen Unternehmen hören mir zunehmend zu. Im Weg stehen Geschäftsmodelle, die die Kunden möglichst eng an die Hersteller binden sollen.“

„In nur wenigen Monaten haben wir ein funktionsfähiges Konzept für Smart Home entwickelt“, so Berberich. Sobald ein Gerät im Intranet ein Problem feststelle – die Geräte können sich auch gegenseitig überwachen – meldet es die Störung per E-Mail. „Hier wird im Wesentlichen Standartsoftware und -hardware eingesetzt. Nur für die Problemmitteilungs-E-Mail schaltet ein Relais die Verbindung ins Internet für wenige Sekunden frei. Das ist auch auf Industrie 4.0 übertragbar.“

Was derzeit fehle, sei eine günstige Datendiode, um ein „Fenster“ für den Zustand der Geräte herzustellen. „Warum gibt es die nicht, wenn sie doch für wahrscheinlich über 100 Euro in Smartmetern verbaut ist?“ Diese ist nur in eine Richtung für Daten durchlässig. Maschinendaten können so permanent ausgelesen werden. Der Techniker muss dann über eine zweite Leitung in die Maschine eingreifen. Die Technikerverbindung wird nur kurzzeitig durch ein Relais über eine sichere VPN-Leitung aufgebaut. Selbst ein gezielter Angriff kann durch diese Maßnahme wesentlich besser abgewehrt werden, als wenn die Maschine permanent aus dem Internet erreichbar ist:

„In meiner Patentanmeldung AKZ 10 2016 002 956.0 'Verfahren für eine dezentrale, energieoptimierte, anonymisierte Steuereinheit' vom 10.03.2016 habe ich beschrieben, wie Hersteller, ohne an ihrer Wartungssoftware etwas ändern zu müssen, weiter im Einzelfall die Maschinen warten können.“ Der wesentliche Unterschied ist, der Kunde wird erst gefragt, ob er dem Hersteller Zugang gewähren will. Die Tür kann dann nur von innen vom Kunden geöffnet werden. Alle Daten zum Beispiel über den Verschleiß einer Maschine, um den Kunden rechtzeitig warnen zu können, könnte der Hersteller und auch der Kunde permanent über ein Fenster sehen.

Das GISAD Institut, deren Initiator Berberich ist, hat mit mehreren Herstellern zusammen dieses zum Patent angemeldete Verfahren im Rahmen der Smart Home Projekts DAS-EI getestet. Grundsätzlich wäre auch die Einbindung in eine App möglich. „Neben meinem 'Fenster und Türen'-System sehe ich es als weitere große Herausforderung an, für jeden eine Anonymität im Internet herzustellen. Eine eigene IPV6-Adresse für jede Maschine ist für mich eine Horrorvorstellung. Anonymität ist für Maschinen genauso wichtig wie für Menschen. Gezielte Angriffe sind nur möglich, wenn Ziele bekannt sind.“

Auf die Frage, ob die Regierung hinsichtlich der Bedeutung des deutschen Mittelstandes für die Wirtschaft nicht entsprechend gezielter Start-ups, die an Alternativen arbeiten, stärker fördern sollte, sagte Berberich den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Ich habe gerade die Antwort des Bundesvorsitzenden einer Partei bekommen, dass man sich dringend mit mir über die Themen unterhalten will, aber erst nach der Wahl.“ Deshalb habe er eine Petition für das Grundrecht für jeden auf Anonymität gestartet. „Ich bin der Meinung, dass wir nicht bis September nach der Bundestagswahl warten können.“

 

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik Europaparlament billigt neue EU-Schuldenregeln nach langwierigen Debatten
23.04.2024

Monatelang wurde über Europas neue Regen für Haushaltsdefizite und Staatsschulden diskutiert. Die EU-Abgeordneten sprechen sich nun für...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauministerin: Innenstädte brauchen vielfältigere Angebote
23.04.2024

Klara Geywitz wirbt für mehr Vielfalt in den deutschen Innenstädten, um damit stabilere Immobilienmärkte zu unterstützen. Ein Mix von...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Palantir: Wie Vorurteile die sinnvolle Anwendung von Polizei-Software behindern
23.04.2024

Palantir Technologies ist ein Software-Anbieter aus den USA, der entweder Gruseln und Unbehagen auslöst oder Begeisterung unter seinen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 20 Jahre EU-Osterweiterung: Wie osteuropäische Arbeitskräfte Deutschland unterstützen
23.04.2024

Zwei Jahrzehnte nach der EU-Osterweiterung haben osteuropäische Arbeitskräfte wesentlich dazu beigetragen, Engpässe im deutschen...

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: Spannung und Entspannung – Geopolitik sorgt für Bewegung bei Aktien und Rohstoffen
23.04.2024

Die hochexplosive Lage im Nahen Osten sorgte für reichlich Volatilität an den internationalen Finanz- und Rohstoffmärkten. Nun scheint...

DWN
Finanzen
Finanzen Staatsverschuldung auf Rekordhoch: Steuerzahlerbund schlägt Alarm!
23.04.2024

Der Bund Deutscher Steuerzahler warnt: Ohne Kehrtwende droht der fiskalische Abgrund, trotzdem schöpft die Bundesregierung das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt weiter - Verband alamiert
23.04.2024

Laut neuen Zahlen gibt es immer weniger Apotheken-Standorte. Der Apothekerverband spricht von „alarmierenden Zeichen“ und erklärt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
23.04.2024

Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die...