Politik

Chemie-Fusionen: Umweltschützer warnen vor Monopol bei Saatgut

Drei große Fusionen von Saatgut-Konzernen gefährden nach Ansicht von Umweltschützern die Vielfalt der Lebensmittel und der Landwirtschaft. Die EU-Kommission hat am Montag die Erlaubnis zum Entstehen der ersten Branchen-Giganten erteilt.
27.03.2017 21:16
Lesezeit: 3 min

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Die EU-Wettbewerbshüter haben den Weg für die Mega-Fusion der US-Chemiekonzerne Dow Chemical und DuPont freigemacht. Die Genehmigung steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass sich DuPont von großen Teilen seiner weltweiten Pflanzenschutzsparte trennt, wie die EU-Kommission am Montag mitteilte. Dazu zählten auch die dazugehörigen Forschungs- und Entwicklungskapazitäten. Die beiden Firmen hätten den Auflagen zugestimmt. „Der heutige Beschluss verhindert, dass der Wettbewerb auf dem Markt für erhältliche Pestizide durch die Fusion von Dow und DuPont beeinträchtigt wird und die Innovationstätigkeit zur Entwicklung besserer Produkte in der Zukunft abnimmt“, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. „Der Wettbewerb muss in dieser Branche funktionieren, damit sich die Unternehmen veranlasst sehen, Produkte zu entwickeln, die Gesundheit und Umwelt möglichst wenig belasten.“

Die 130 Milliarden Dollar schwere Fusion von Dow und DuPont wäre die größte in der Chemiebranche aller Zeiten. Danach soll der neue Branchengigant in drei verschiedene Unternehmen aufgespalten werden, darunter eines, das sich auf die Agrarchemie konzentriert. In Europa waren die Firmen bei den Kartellwächtern zunächst auf Skepsis gestoßen, weil die Transaktion zu höheren Preisen und geringerer Auswahl für die Landwirte führen könnte. Hintergrund ist die laufende Konsolidierungswelle in der weltweiten Pflanzenschutz- und Saatgutbranche. So will Bayer den US-Saatgutriesen Monsanto schlucken und der chinesische Staatskonzern ChemChina den Schweizer Pflanzenschutzspezialisten Syngenta. „Wir nehmen das sehr ernst, weil es hier buchstäblich um das tägliche Brot geht“, sagte Vestager laut Reuters. Schließlich erteilte die EU der ersten Fusion allerdings überraschend zügig die Genehmigung.

Von Interesse könnten die Verkäufe im Pflanzenschutzgeschäft von DuPont für den deutschen Chemieriesen BASF sein, der sich bislang am Übernahmepoker im Agrarchemiegeschäft nicht beteiligt.

Die Ludwigshafener hatten allerdings erklärt, für Zukaufsgelegenheiten offen zu sein, die sich aus kartellrechtlich erforderlichen Verkäufen aus den Deals der Konkurrenz ergeben. Nach Einschätzung von Kartellexperten dürfte die Forderung der Wettbewerbshüter nach einem Verkauf der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten von DuPont auch Signalwirkung auf künftige Deals haben. Dow muss sich im Rahmen der Auflagen zudem von Vermögenswerten im petrochemischen Bereich, in dem beide Firmen wichtige Marktteilnehmer sind, trennen.

Für die Branche stehen noch die EU-Entscheidungen zur Übernahme von Syngenta durch ChemChina und dem Monsanto-Kauf durch Bayer aus. Der Bayer-Deal sei den Wettbewerbshütern noch nicht zur Prüfung vorgelegt worden, sagte Vestager. Wegen der zeitlichen Abfolge der Prüffälle werde der Bayer-Zukauf auf Basis der Situation geprüft, die sich infolge der anderen Übernahmen in dem Sektor ergebe.

Doch Kritiker sehen in dem nun genehmigten Deal und den noch ausstehenden Fusionen eine ausgesprochen problematische Entwicklung: Das Umweltbündnis Friends of the Earth Europe warnt nachdrücklich vor den Folgen der Fusionen. In einem Brief an die EU-Kommission fordert das Bündnis, dem auch zahlreiche Organisationen aus Deutschland angehören, die Fusionen abzulehnen.

Die Folgen wären nach Ansicht des Bündnisses eine massive Konzentration in der Landwirtschaft. Die aus den Fusionen entstehenden Unternehmen könnten rund 70 Prozent der weltweiten Agrochemikalien und mehr als 60 Prozent des weltweiten kommerziellen Saatguts kontrollieren. Durch ihren beherrschenden Marktanteil und ihre schiere politische Macht würden sie das Landwirtschaft und Lebensmittelsystem übermäßig beeinflussen.

Der "reduzierte Wettbewerb und die zunehmende Marktdominanz würden die Vielfalt des Saatguts weiter einschränken". Die Freiheit der Bauern in der Wahl und ihre Rechte, ihr Saatgut zu bewahren, würde eingeschränkt, ihre Abhängigkeit von chemischen Stoffen erhöht.

Diese Unternehmen "würden ihre eigene Technologie und ihre Systeme vorantreiben, wodurch die Abhängigkeit der Bauer erhöht" würde. Die drei entstehenden Riesen wären in der Lage, ihre "Kontrolle über Patente und Urheberrechte zu verstärken". Sie wären in der Lage, die "verbleibenden kleinen Saatgutunternehmen aus dem Markt zu drängen". Dadurch könnten sich die Preise für die Bauern erhöhen. Dies würde die landwirtschaftlichen Betriebe und die Ernährungswirtschaft nachhaltig schädigen.

Durch die verstärkte Markt-Kontrolle würde sich durch die Fusionen die "Auswahl für die europäischen Konsumenten verringern". Außerdem würden sich die "Möglichkeiten für die Landwirtschaft vermindern, die Nachfrage der Konsumenten nach vielfältigen, gesunden, günstigen und Qualität von Produkten zu befriedigen", die in einer biologischen Anbauweise produziert würden. Erhebliche "Preissteigerungen würden zu sozialen Ungerechtigkeiten" führen, weil die einkommensschwachen Gruppen Probleme hätten, sich biologisch angebaute Lebensmittel leisten zu können.

Die Organisationen sehen auch eine große Gefährdung für die Umwelt. Die "Einschränkung der Vielfalt in der Landwirtschaft und die größere Dominanz von Monokulturen, welche in hohem Maße von Chemikalien abhängig sind, wie etwa gefährliche Pestizide, würden die Bio-Diversität und die Gesundheit auf lange Sicht gefährden".

Außerdem sehen die Organisationen eine "Gefahr für die Selbstständigkeit Europas in der Ernährungsindustrie". Dies würde vor allem eine Gruppe betreffen, die sich jetzt schon in Europa erfolgreich auf dem Markt bewährt hat – nämlich die Biobauern und Produzenten im biologischen Anbau. Diese Unternehmen wären durch die massive Konzentration gefährdet, die sich durch die neuen großen Unternehmen ergeben würde. Damit könnte ein wichtiger Pfeiler der europäischen Lebensmittelherstellung verschwinden, nämlich kleine und unabhängige Bauern auf dem Land.

In Deutschland gehören dem Bündins folgende Organisationen an: Agrar Koordination AGRECOL (Verein zur Förderung standortgerechter Nutzung in Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa), Aktion Agrar Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V., BI lebenswertes Korbach e.V., Biosicht Redaktionsbüro Bluepingu e.V., Nürnberg Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Bündnis für gentechnikfreie Landwirtschaft Niedersachsen, Bremen, Hamburg, FDCL - Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V., Förderverein Trostberger Rosengarten e.V., Forum Umwelt und Entwicklung / NGO Forum on Environment and Development Gen-ethisches Netzwerk e.V., INKOTA-netzwerk e.V., Interessengemeinschaft gegen Nachbaugebühren (IG-Nachbau), Kampagne Meine Landwirtschaft / Wir haben es satt!, Klimagarten Tübingen Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V., Obst- und Gartenbauverein Bengel e.V., Pestizid Aktions-Netzwerk e.V., (PAN Germany) Querbeet Leipzig, Rebsortenarchiv Südpfalzweinberg, Rettet den Regenwald e. V., Rosa Rose Gemeinschaftsgarten, Save Our Seeds Slow Food Deutschland e. V., Ton, Steine, Gärten e.V. Umweltinstitut München e. V., Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt e.V., Zukunftsstiftung Landwirtschaft.

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