Politik

Bundesregierung beschließt Regulierung im Internet

Das Internet soll in Deutschland künftig reguliert werden.
05.04.2017 17:37
Lesezeit: 2 min

Lesen Sie auch: Wie das Gesetz die DWN betrifft

Internetplattformen wie Facebook oder Twitter müssen sich auf Geldbußen in zweistelliger Millionenhöhe einstellen, wenn sie Hassbotschaften und strafbare Falschnachrichten im Netz ignorieren. Das Bundeskabinett verabschiedete am Mittwoch einen Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas mit dem verbindliche Standards für den Umgang mit Beschwerden zu Hasskommentaren und Fake News geschaffen werden sollen. Bei Internet- und Branchenverbänden sowie dem Deutschen Journalisten-Verband (DJV) stößt das Vorhaben jedoch auf Kritik. Sie befürchten, dass künftig von den Betreibern vorsorglich zu viel gelöscht wird und die Meinungsfreiheit im Netz Schaden nimmt.

Die Betreiber sozialer Netzwerke werden mit dem Gesetzentwurf, der noch vom Bundestag beraten werden muss, verpflichtet, den Nutzern ein leicht erkenn- und erreichbares sowie ständig verfügbares Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden anzubieten. Die Konzerne müssen diese unverzüglich zur Kenntnis nehmen und auf ihre strafrechtliche Relevanz prüfen. Offensichtlich strafbare Inhalte müssen innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde gelöscht oder gesperrt werden. Bei Inhalten, deren strafrechtliche Relevanz zunächst geprüft werden muss, beträgt die Frist sieben Tage.

Bei Verstößen drohen den Konzernen Geldbußen von bis zu 50 Millionen Euro. Den für Beschwerden verantwortlichen Managern drohen Geldstrafen bis zu fünf Millionen Euro, falls sie untätig bleiben. Die Firmen werden zudem verpflichtet, vierteljährlich über den Umgang mit den Beschwerden zu berichten. Jeder, der in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt wird, kann künftig vom Betreiber des sozialen Netzwerks grundsätzlich Auskunft darüber verlangen, wer die Rechtsverletzung begangen hat.

Maas sagte, die Anbieter sozialer Netzwerke stünden in der Verantwortung, wenn ihre Plattformen missbraucht würden, um Hasskriminalität und gefälschte Nachrichten zu verbreiten. "Für strafbare Hetze darf in den sozialen Netzwerken genauso wenig Platz sein, wie auf der Straße", sagte der SPD-Politiker. Kritikern der Neuregelungen hielt er entgegen, das Problem bestehe nicht darin, dass zu viel gelöscht werde, sondern dass teilweise gar nicht gelöscht werde. Bei Twitter würden strafbare Inhalte gerade mal zu einem Prozent gelöscht, bei Facebook seien es 39 Prozent, bei YouTube hingegen 90 Prozent.

Quasi in letzter Minute war in der Begründung des Gesetzes noch klargestellt worden, dass der Tatbestand für ein Bußgeld "nicht bereits durch einen einmaligen Verstoß" gegen die 24-Stunden- bzw Sieben-Tage-Frist zur Löschung oder Sperrung erfüllt ist. In diesen Fällen könne noch nicht davon ausgegangen werden, dass kein wirksames Verfahren für den Umgang mit Beschwerden vorgehalten werde, heißt es dort.

Der Internetverband eco warnte vor einer "Löschkultur des vorauseilenden Gehorsams". Im Zweifel werde mehr gelöscht, als notwendig wäre. Der Branchenverband Bitkom monierte, im Hauruck-Verfahren werde ein handwerklich schlechtes Gesetz beschlossen, dass mehr Schaden als Nutzen erzeuge. Ob es sich bei einer Äußerung um Beleidigung, Verleumdung oder eine sonstige strafrechtlich relevante Aussage handele, sei mit wenigen Ausnahmen nicht in kurzer Zeit zu klären. "Angesichts der kurzen Fristen und der hohen Bußgeld-Androhungen werden sich die Anbieter gezwungen sehen, in Zweifelsfällen vorsorglich eine Äußerung zu löschen", sagte Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Die hätte gravierende Auswirkungen auf die freie Rede im Netz. Der DJV erklärte, die Meinungsfreiheit habe existenzielle Bedeutung für die Demokratie. Die journalistische Verantwortung für Inhalte könne nicht an Plattformbetreiber delegiert werden. Auch seien die Fristen zur Löschung zu kurz. Ein Facebook-Sprecher sagte, sein Unternehmen arbeite daran, illegale Inhalte zu entfernen. Mit dem geplanten Gesetz müssten private Firmen wie Richter darüber entscheiden, was in Deutschland illegal sei.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen EU-Vermögensregister und Bargeldbeschränkungen: Risiko für Anleger

Das EU-Vermögensregister gehört derzeit zu den größten Risiken für Anleger. Daher ist es wichtig, sich jetzt zu überlegen, wie man...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Börse-Ausblick: Europa trotzt Trump – doch wie lange noch?
07.07.2025

Ein halbes Jahr voller Turbulenzen: Trump, Zölle, Währungskrise – die Börsen zeigen extreme Bewegungen. Welche Märkte profitieren,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Euro-Kurs wird zur Gefahr: Europas Exporte brechen ein
06.07.2025

Ein starker Euro, schwaches Wachstum, neue US-Zölle – Europas Wirtschaft gerät unter Druck. Die EZB warnt, doch die Lage droht zu...

DWN
Politik
Politik Neuregelung der Vaterschaft: Mehr Rechte für leibliche Väter
06.07.2025

Die Bundesregierung plant eine Reform, die leiblichen Vätern zu mehr rechtlicher Anerkennung verhelfen soll. Der Entwurf aus dem...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnungstausch: Wie Sie Ihre Ferienwohnung herzaubern und worauf Sie achten müssen
06.07.2025

Der Wohnungstausch boomt – günstig, persönlich und spannend. Doch wie funktioniert das Ganze wirklich, und worauf muss man achten,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Jungmakler mit TikTok: Wie eine Generation den Versicherungsmarkt neu denkt
06.07.2025

TikTok-Reichweite, neue Rollenbilder, klare Erwartungen: Junge Makler treiben die Disruption im unabhängigen Versicherungsvertrieb voran....

DWN
Technologie
Technologie Wäschetrockner: Neues Energie-Label einfach erklärt
06.07.2025

Seit dem 1. Juli gelten für Wäschetrockner strengere Energiekennzeichnungen. Verbraucher sollen Geräte nun besser vergleichen können....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Praktika und Probearbeiten: Rechte, Pflichten und Fallstricke für Berufseinsteiger
06.07.2025

Viele Praktikanten kennen ihre Rechte nicht – und riskieren, ausgenutzt zu werden. Was wirklich erlaubt ist, wann Praktika bezahlt werden...

DWN
Technologie
Technologie Lithium: Schlüssel zur technologischen Unabhängigkeit – doch der Rohstoff ist knapp
06.07.2025

Lithium ist der Treibstoff moderner Technologien – von E-Autos bis Energiewende. Doch was passiert, wenn die Nachfrage explodiert und das...