Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sieht Anzeichen für ein Ende der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Er verwies am Wochenende darauf, dass sich die Leistungsfähigkeit der Euro-Staaten allmählich verbessere. Er sei zuversichtlich, dass es in Frankreich unter einem Präsidenten Emmanuel Macron Fortschritte geben werde, sagte Schäuble. "In Italien sind wir auf einem richtigen Weg. Auch Griechenland entwickelt sich besser als vor ein, zwei Jahren."
Schäuble sagte der Passauer Neuen Presse vom Samstag: "Da sich die wirtschaftliche Lage in der Eurozone insgesamt verbessert hat und die Sorge vor einer Deflation verschwunden ist, gibt es Andeutungen aus dem Kreis des EZB-Vorstands, wonach man dort allmählich den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik einleiten will."
Die Aussagen sind allerdings eher als Wahlkampf in Richtung der deutschen Sparer zu verstehen: EZB-Chef Draghi hat erst kürzlich klargemacht, dass er aktuell noch keine Chance zu einer Kehrtwende sieht. Allgemein wird die Zinswende in der Euro-Zone erst im Jahr 2018 erwartet. Bis dahin unterstützt Draghi die Schuldenpolitik aller Euro-Staaten. Ursprünglich war behauptet worden, dass die Zinspolitik den Euro-Staaten "Zeit kaufen" solle, um sich von den aufgeblähten Staatsausgaben zu verabschieden. Die Geldpolitik der EZB hat allerdings das genaue Gegenteil bewirkt: Die Staaten haben jegliche Reformanstrengungen eingestellt.
Die US-Notenbank Federal Reserve hat bereits eine Zinswende mit Augenmaß eingeleitet, um die Anleger wieder langsam in Richtung Normalität zu bringen. In der Euro-Zone dürften sich wegen der langen Dauer der Niedrigzinspolitik erhebliche Verwerfungen ergeben. Bis dahin haben die Sparer den geldpolitischen Parforce-Ritt zu finanzieren. Wegen der steigenden Inflation hat sich in den vergangene Monaten die Enteignung der Sparer beschleunigt. Dessen ungeachtet wird die Politik der lockeren Geldpolitik von allen politischen Parteien unterstützt, weshalb das Thema im Wahlkampf keine Rolle spielen wird.
Ende April hatte sich bereits die EZB mit ihrem Präsidenten Mario Draghi vorsichtig optimistisch hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung in der Eurozone gezeigt.
Die EZB hatte den zentralen Zinssatz vor einem Jahr auf den historisch niedrigen Wert von 0,0 Prozent gesenkt, um mit günstigem Kapital Konjunktur und Inflation anzukurbeln. Nachdem die Inflation in der Eurozone im Februar den höchsten Stand seit vier Jahren erreicht hatte, war die EZB unter Druck geraten, von ihrer Politik abzurücken.