Volle Auftragsbücher bedeuteten volle Kapazitätsauslastung und letztlich Sicherheit für das Unternehmen. Der im Folgenden SPRIGU GmbH genannte Familienbetrieb lebte nach diesem Motto. Mit großen Spritzgussteilen wurde ein jährlicher Umsatz von 28 Millionen Euro erwirtschaftet. Jeder Auftrag wurde angenommen – oft ungeachtet der eigenen Kapazitätsgrenzen. Doch dass diese These nicht immer aufgeht, musste das 180 Mitarbeiter starke Unternehmen am eigenen Leib erfahren. Es musste umdenken – mit Erfolg.
Der Hersteller von weißer Ware stand eigentlich nicht schlecht da. Dank eines Deals mit einem günstigen und zuverlässigen bulgarischen Werkzeugbauer hatte man sich einen echten Wettbewerbsvorteil verschafft. Doch zunehmend sah sich das Unternehmen mit internationalen und osteuropäischen Wettbewerbern konfrontiert, die auf den deutschen Markt drängten. Sie ließen den Preisdruck deutlich ansteigen. „Es wird klar, dass die Abläufe optimiert und die Verschwendung, die Durchlaufzeiten und der Ausschuss reduziert werden müssten. Doch angesichts der erdrückenden Auftragslage war keine Zeit, über solche Maßnahmen nachzudenken“, beschreiben Heiner Kübler und Carl A. Siebel in ihrem Buch „Mittelstand ist eine Haltung: Die stillen Treiber der deutschen Wirtschaft“ die Ausgangslage. „Man mühte sich von Tag zu Tag und schleppte sich von Bilanz zu Bilanz. Eine langfristige Perspektive war kaum noch möglich.“ Langsam machten die Banken Druck. Der Ebit dümpelte um die Nulllinie herum. Im Maximalfall betrug er drei Prozent.
Das Umdenken begann schließlich im Kopf des Geschäftsführers. Mit einer einfachen Kundenanalyse fand man heraus, was man eigentlich schon lange wusste: Zwei Großkunden brachten etwa 60 Prozent des Umsatzes, während der Rest des Umsatzes sich auf etwa 400 weitere mittlere bis sehr kleine Kunden verteilte. Danach folgte die Bewertung der Kunden und darauf aufbauend eine Bereinigung. „Die Kundenbewertungen richteten sich nicht nur am Preis aus. Wichtig waren auch Kriterien wie Zahlungsfristen, Produktions-Standards, Reklamationsverhalten, Zuverlässigkeit in der Auftragsabwicklung und das Geschäftsgebaren der Kunden“, so die Autoren. Das Ergebnis: „Zwei Jahre später hatte SPRIGU über 200 Kunden weniger, aber dafür ausschließlich gute, zuverlässige und auch überwiegend gewinnbringende Kunden. Eine ausgewogene ABC-KundenStruktur bildete sich heraus.“
Natürlich bedeutete dieser Strategieprozess zunächst einen ungeliebten Mehraufwand. Dann aber wirkte die Entlastung. Die Arbeit konnte wieder fokussiert stattfinden. Es ging aufwärts. Und das nicht nur in der Produktion, auch der ein oder andere Mitarbeiter zeigte nun sein verstecktes Talent. Die Folgen: Das Unternehmen gewann neue, attraktive Kunden mit A-Potential, die Banken unterstützten den neuen Weg und die eigene Innovationskraft wuchs. Mit einem neuen Spritzguss-Verfahren konnte sich SPRIGU im engen Wettbewerb nun deutlich differenzieren.
Binnen drei Jahren gelang SPRIGU die Wende. Die entscheidenden Erfolgsfaktoren für die Neuausrichtung waren nach Ansicht der Autoren zum einen das Umdenken: „Raus aus dem Gefängnis des getriebenen Lohnlieferanten hin zum qualifizierten Partner der Kunden.“ Zum anderen vollzog sich eine Führungsänderung des Geschäftsführers, der lernte im Team zu denken und mit allen Beteiligten einen offenen Dialog zu führen. Insgesamt fokussierte sich der Betrieb auf seine Zielkunden und eine ausgewogene ABC-Kunden-Mischung. Der Markt wurde aktiv bearbeitet, neue Technologien eingesetzt und ein Dienstleistungspaket geschnürt.
***
Das Buch „Mittelstand ist eine Haltung: Die stillen Treiber der deutschen Wirtschaft“ ist im September im Econ-Verlag erschienen. Die beiden Autoren Heiner Kübler und Carl A. Siebel schauen dabei hinter die Kulissen des Deutschen Mittelstandes. Erfolg und Misserfolg ist hier gleichermaßen zu finden. Entscheidend jedoch ist, wie die Mittelständler mit den Misserfolgen umgehen. Bestellen Sie das Buch bei Amazon.