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Der Berliner Prof. Markus C. Kerber, Gründer des Think Tanks Europolis, bleibt auch nach der Wahl Emmanuel Macrons zum französischen Staatspräsidenten skeptisch, was die Zukunft der EU anbelangt. Besonders der Euro wirke wie ihr Spaltpilz.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Emmanuel Macron ist mit deutlicher Mehrheit zum französischen Staatspräsidenten gewählt worden. Wird dies dem Land politische Stabilität verleihen?
Markus Kerber: Dies ist zu hoffen, weil das politische Regime Frankreichs durch die letzten drei Präsidenten erheblich Schaden genommen hat. Die Franzosen trauen der politischen Klasse nichts mehr zu. Macron – immerhin ein ehemalige Minister seines tristen Vorgängers Hollande – hat diese einmalige Chance für sich genutzt und bekam als Lohn für seine taktische Finesse einen deutliche Präsidialmehrheit. Er müsste jetzt mit einer klaren Mehrheit im Parlament reformerisch durchstarten. Doch dazu ist sein Programm zu vage, fehlt es an Kohärenz in seiner Regierung und vor allem an der Bereitschaft der Franzosen zu Reformen, sofort und mutig die Problemfelder anzugehen: Öffentliche Finanzen, Arbeitsmarkt, Wettbewerbsfähigkeit – Sie sehen: Ich bin sehr skeptisch im Lichte meiner 40 Jahre Frankreich-Erfahrung.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: In Ihrem Buch „Europa ohne Frankreich“, das im Jahr 2006 bei Suhrkamp erschienen war und nun im Europolis Verlag neu aufgelegt worden ist, beschreiben Sie Frankreich als ein Land, das von der „Pariser Oligarchie“ regiert wird. Trifft diese Analyse immer noch zu?
Markus Kerber: Leider ja. Macron gehört zum Kern dieser Oligarchie. Zwar ist er in Amiens aufgewachsen, assimilierte sich aber schnellstens nach Besuch der ENA und seiner Tätigkeit im Investmentbanking mit den herrschenden Kreisen in Paris. Dass ein solcher Mann so schnell aufsteigen kann, beweist die Wirkmächtigkeit seiner Hintermänner. Dazu gehört auch, dass die Fragen nach der Finanzierung seiner professionelle Werbekampagne „ En Marche: Emmanuel Macron“ von den Pariser Medien nie problematisiert wurde. Die Pariser Clique hat einen neuen Star und behält somit das Land fest im Griff.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sehen Sie Deutschland in der Pflicht, Macron entgegenzukommen, was ein Eurozonenparlament, einen Euro- und Wirtschaftsminister, gemeinsame Investitionsfonds oder eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung anbelangt?
Markus Kerber: Diese Entgegenkommen ist noch in der Wahlnacht von dem nicht ressortzuständigen Bundesaußenminister signalisiert worden. Es scheint, dass die französische Politik und ihre Berliner Lobbyisten Gabriel bereits in der Tasche haben. Jedwedes Entgegenkommen Deutschlands würde die letzten Pfeiler der Stabilitätspolitik einreißen. In Brüssel wendet die Kommission den Stabilitätspakt auf Frankreich gar nicht an, weil – wie Juncker sagt- Frankreich nun einmal Frankreich sei. Die Sondernummern für Frankreich müssen ein Ende haben. Dazu gehört auch, dass das Gerede über die Fortentwicklung der Eurozone (Finanzminister, Parlament, Budget) die gebührende Antwort findet. Denn die Oligarchie in Paris träumt davon, Frankreich mit deutschem Geld zu sanieren.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Aber bestünde andernfalls nicht die Gefahr, dass in Frankreich radikale Kräfte die Oberhand gewinnen und das europäische Projekt gefährden?
Markus Kerber: Die Wahlen beweisen das Gegenteil: Frau Le Pen hatte – entgegen aller Beschwörungen in den Medien – nie eine Chance, 51 Prozent der Franzosen hinter sich zu bringen.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Ist eine auf Dauer angelegte Transferunion das letzte Mittel, die Länder der EU zu einen?
Markus Kerber: Im Gegenteil: Die Transferunion würde die Völker gegeneinander aufbringen. Denn auch in einer harmonischen Familie – davon sind wir in der EU weit entfernt – gilt: Beim Geld hört der Spaß auf. Wenn die Steuerbürger der Nettozahler-Länder wüssten, wieviel schädliche Subventionen in Ländern wie Polen, Bulgarien oder Rumänien gezahlt werden, würden sie bereits jetzt der EU kündigen. Leider zu Recht!
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Der Euro spielt bei den Diskussionen über den Zustand der EU eine wichtige Rolle. Befeuert der Euro die Fliehkräfte innerhalb der EU?
Markus Kerber: Der Euro ist der Spaltpilz der EU. Denn dieses zum Scheitern verurteilte Projekt wird von der EZB und den Brüsseler Technokraten mit allen Mitteln verteidigt. Draghi, Juncker und Co wissen, dass sie ein Scheitern des Euros nicht überleben würden. Deshalb sind sie bereit, alle Ressourcen - besonders jene, die ihnen nicht gehören – zum Einsatz zu bringen. Das Aufkaufprogramm der EZB bzw. des Eurosystems ist platte Transferpolitik, um die Südländer vor dem Wettbewerb um marktadäquate Emissionspreise zu schützen.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Bestünde die Möglichkeit, die Eurozone im Interesse aller Beteiligten zu reformieren?
Markus Kerber: Man kann monetären Sozialismus nicht reformieren, sondern nur seine Überwindung gestalten. Dazu habe ich in meiner Monographie „ Mehr Wettbewerb wagen: Zur Politischen Ökonomie monetärer Sezession“ einen Vorschlag gemacht. Deutschland und seine Verbündeten mögen eine Zweitwährung – die Guldenmark – einführen, um die monetären Entflechtung der Eurozone zu ermöglichen. Eine weiche Landung ist einer harten Landung stets vorzuziehen.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Würde eine Reform der Währungsunion auch eine Reform der verschiedenen europäischen Institutionen erfordern?
Markus Kerber: Dazu müsste zunächst eine schonungslose kritische Bestandsaufnahme erfolgen. Von einem französischen Spitzenbeamten stammt das Schwarzbuch zu Brüssel: Didier Modi, Der europäische Albtraum – ein Projekt wird seziert. Es liest sich amüsant, obwohl der Befund niederschmetternd ist. In Brüssel wird die Freiheit verzockt.
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Prof. Dr. Markus C. Kerber lehrt Öffentliche Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik an der Technischen Universität Berlin. Er ist Gründer des Think Tanks Europolis, der sich als eine deutsche Initiative für europäische Ordnungspolitik versteht. Kerber ist intimer Kenner der französischen Politik.