Ein von Russland im Mai 2017 vermittelter Plan zielt darauf ab, die Kampfgebiete in Syrien in „Deeskalations-Zonen“ zu teilen. Dadurch sollen die Kämpfe zwischen Söldnern und der syrischen Armee, die seit sechs Jahren toben, gestoppt werden. Doch faktisch geht es in Syrien darum, dass die USA, Russland, die Türkei, die EU-Staaten, Großbritannien, die Golf-Staaten, der Iran und China versuchen, Einfluss im Land zu gewinnen. Es geht um den Kampf um potenzielle Einflusssphären für ausländische Mächte. Nicht umsonst wird der Syrien-Krieg als Stellvertreter-Krieg umschrieben. Die Liste der vom Ausland finanzierten Söldner-Truppen ist lang. Im Fokus des Interesses stehen vor allem die nördlichen und südlichen Regionen des Landes. Es besteht sogar die Gefahr, dass am Ende von den USA und vom Iran unterstützte Söldner-Truppen sich direkt gegenseitig bekämpfen. Washington und Teheran verfolgen strategische Interessen in Syrien.
Ausgangspunkt für die Teilung Syriens in „Deeskalations-Zonen“ waren die Friedensgespräche in Astana. „Die Situation in Syrien ist nicht dieselbe wie vor den Gesprächen in Astana“, zitiert die Financial Times einen anonymen Diplomaten.
Ob das Abkommen von Astana darauf hinauslaufen wird, dass Syrien geteilt wird oder es zu einer Teilung der Macht im Land bekommt, ist noch unklar. Das von Russland, der Türkei und dem Iran in Astana beschlossene Abkommen zielt darauf ab, in Teilen der zentralen Provinzen Homs und Hama sowie den südlichen und nördlichen Regionen die Kämpfe einzustellen. Doch Teile des Ostens und des Südens Syriens bleiben vom Abkommen unberührt. Im Osten des Landes befinden sich zahlreiche Öl-Quellen. Zudem ist es ein für die Landwirtschaft wichtiges Gebiet. Wer immer den Osten des Landes von der Terror-Miliz ISIS befreit, wird die Möglichkeit haben, den strategischen Landweg vom Iran über den Irak und Syrien bis zur Hisbollah im Libanon zu verbinden oder zu blockieren. Der Iran gilt als vehementester Unterstützer der Hisbollah-Miliz.
Der Syrien-Krieg begann als Protest gegen die Regierung in Damaskus und hat sich nun in einen unübersichtlichen internationalisierten Krieg verwandelt, so das Blatt. Während die internationalen Söldner darum kämpfen, den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu stürzen, haben die Kurden-Milizen und dschihadistische Gruppen die Chance genutzt, um eigene Landstriche einzunehmen und Enklaven zu gründen.
Nach Ansicht von westlichen Diplomaten versuchen Großbritannien und die USA, einen Deal mit Russland auszuhandeln, um eine vom Westen unterstützte Pufferzone im Süden Syriens zu gründen. Dort könnten dann jordanische Truppen eingesetzt werden. Die zweite Alternative wäre, eine südliche Pufferzone zu schaffen, um diese unter die Kontrolle der Iraner zu stellen. Dann würden sich allerdings die Iraner an der Grenze zu Israel befinden. Gegen diese Option hatten die Israelis bereits Widerspruch bei US-Präsident Donald Trump eingelegt.
Ein anonymer westlicher Diplomat sagte den Financial Times: „Die Strategie von Moskau und Damaskus ist eindeutig: Die Ruhe, die durch Astana ausgelöst wurde, ausnutzen, um eine Verbindung zu Deir-Ezzor (Anm.d.Red. im Osten des Landes) zu schaffen.“
Die Söldner im Land geben sich mittlerweile pessimistisch. „Das Ganze geht in Richtung Teilung (…). Das Letzte, worauf die fremden Mächte hören, ist, was das syrische Volk will“, so Hassan Hamadeh, ein Söldner-Kommandeur, dessen Truppe im Norden des Landes von den USA unterstützt wird.
Währenddessen gibt es auch zwischen Russland und dem Iran Differenzen. Ein hochrangiger Beamter aus den Golf-Staaten sagte dem Blatt, dass Russland einen stabilen Waffenstillstand herbeiführen wolle. Doch der Iran glaube immer noch an eine militärische Lösung des Konflikts. Trotzdem würden die Russen verstehen, dass sie die Iraner brauchen. Denn die iranischen Kämpfer hätten eine wirkliche Schlagkraft auf dem syrischen Schlachtfeld.
Westliche Diplomaten argumentieren, dass die Schaffung einer südlichen Zone in Syrien mit jordanischen Truppen ISIS blockieren würde. Dann hätten die Verbände der Terror-Miliz keine Chance aus dem Osten und aus dem Irak in den Süden Syriens bis nach Jordanien einzudringen. Führende Söldner-Kommandeure sehen dies anders. Die südliche Zone mit jordanischen Truppen werde in Wirklichkeit den Landweg des Irans zur Hisbollah im Libanon blockieren. Das sei im Interesse Washingtons.
Am Wochenende meldeten westliche Söldner-Truppen, dass sich die vom Iran unterstützten Kämpfer entlang der südlichen und östlichen Grenzen Syriens bewegen würden. Im Normalfall ist das ein Hinweis auf eine bevorstehende Eskalation. Die Israelis hingegen haben damit begonnen, Manöver an der syrisch-israelischen Grenzregion durchzuführen. Die Regierung in Damaskus wiederum wirft den USA und Großbritannien vor, gezielt Söldner-Verbände in den Osten des Landes zu verlegen. Der Söldner-Kommandant Tlass Salameh sagt, dass die syrische Luftwaffe die Söldner-Verbände im Osten des Landes bombardieren würden, weil die syrischen Truppen als erstes in das von ISIS kontrollierte Ost-Syrien vorrücken wollen.
Tatsächlich birgt die aktuelle Entwicklung die Gefahr einer Teilung Syriens in sich. Die RAND Corporation, eine führende US-Denkfabrik, die dem Pentagon nahe steht, hatte zu Beginn des Jahres einen Bericht veröffentlicht, in dem sie für eine Lösung des Syrien-Konflikts das „bosnische Modell“ vorschlägt. Die Folge wären ethnische Säuberungen und neue, massive Fluchtbewegungen. Die CIA hatte zuvor ihre entscheidende Rolle im Syrien-Konflikt eingeräumt.