Politik

EuGH-Anwältin: Deutschland kann Aufnahme von Flüchtlingen nicht abwälzen

In der Flüchtlingskrise wurden nach Ansicht der EuGH-Anwältin die EU-Asylregel außer Kraft gesetzt. Staaten mit EU-Außengrenzen seien überfordert gewesen.
08.06.2017 12:35
Lesezeit: 1 min

+++Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Deutschland oder Schweden können nach Einschätzung der Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Aufnahme hunderttausender Flüchtlinge im Jahr 2015 nicht auf andere EU-Staaten abwälzen. Unter den außergewöhnlichen Umständen der Flüchtlingskrise sei für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag zuerst gestellt worden sei, erklärte Generalanwältin Eleanor Sharpston am Donnerstag in Luxemburg. Wenn Ländern mit einer EU-Außengrenze die Zuständigkeit für die Aufnahme und Betreuung außergewöhnlich hoher Zahlen von Asylbewerbern auferlegt würde, bestehe ein Risiko, dass sie nicht in der Lage seien, die Situation zu bewältigen und ihre unionsrechtlichen Verpflichtungen einzuhalten. (Az: C-490/16 und C-646/16)

Die „ganz außergewöhnlichen Umstände“ der Flüchtlingskrise haben den EU-Staaten dem Gutachten zufolge Ausnahmen von den gemeinsamen Asylregeln erlaubt. Als sich im Jahr 2015 mehr als eine Million Menschen – Flüchtlinge, Vertriebene und andere Migranten – in die EU aufmachten, habe Kroatien die Fälle der dortigen Ankömmlinge unmöglich allein prüfen können, stellte Sharpston fest.

Die Generalanwältin hatte Fälle zu begutachten, in denen syrische und afghanische Flüchtlinge erst in Slowenien und Österreich Schutz beantragten. Slowenien hatte einen Syrer nach Kroatien zurückschicken wollen, der gegen diese Entscheidung klagte – in diesem Fall geht es vor allem um die Frage, ob der Mann legal oder illegal nach Kroatien eingereist war. Zwei Afghaninnen, die mit ihren Kindern nach Österreich gekommen waren, klagten gegen eine Entscheidung der dortigen Behörden, sie nach Kroatien zurückzuschicken.

Normalerweise ist nach der sogenannten Dublin-Verordnung jener Mitgliedstaat für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig, in dem der Flüchtling zuerst europäischen Boden betritt. Eine Lage wie die der Flüchtlingskrise war in den EU-Regeln aber nicht vorgesehen, erläuterte Sharpston. Deshalb sei in dieser Situation der EU-Staat zuständig, in dem der Antrag gestellt werde.

Weil in Griechenland „systemische Mängel im Asylverfahren“ bestünden, wäre Kroatien – wo die Flüchtlinge auf der Balkanroute erneut EU-Gebiet betraten – nach den üblichen Regeln für die Ankömmlinge zuständig gewesen. Wegen der hohen Zahl der Asylbewerber wären EU-Staaten in Grenzlage wie Kroatien aber in Gefahr, die Lage nicht bewältigen zu können, stellte Sharpston fest. „Das wiederum könnte die Mitgliedstaaten in eine Lage bringen, in der sie nicht imstande wären, ihren unions- und völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen“, teilte der EuGH zu ihrem Gutachten mit.

Der EuGH ist in seinem Urteil nicht an die rechtliche Einschätzung der Generalanwälte gebunden. Häufig geben deren Gutachten jedoch die Richtung einer späteren Entscheidung vor.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Ölpreis: OPEC-Konflikt eskaliert – Saudi-Arabien warnt vor Marktchaos
11.05.2025

Ein gefährlicher Riss geht durch die mächtige Allianz der OPEC-Plus-Staaten. Statt mit geschlossener Strategie die Preise zu...

DWN
Politik
Politik Kann Deutschland Europa retten? Der neue Koalitionsvertrag offenbart alte Schwächen
11.05.2025

Zum Europatag 2025 richtet sich der Blick erneut nach Berlin. Die Erwartungen an Deutschland sind hoch – nicht nur innerhalb der Union,...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenkrisen: Warum Volatilität kein Risiko ist
11.05.2025

Wenn die Börsen Achterbahn fahren, zittern viele Anleger. Doch Panik ist oft der schlechteste Berater – denn was aussieht wie ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Strategien für Krisenzeiten: Wie Sie jetzt Ihre Unternehmensleistung steigern
11.05.2025

Steigende Kosten, Fachkräftemangel, Finanzierungsdruck – viele KMU kämpfen ums Überleben. Doch mit den richtigen Strategien lässt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle
11.05.2025

Ein fundamentaler Wandel zeichnet sich in der US-Wirtschaft ab: Elektrizität verdrängt Öl als Rückgrat der nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bill Gates verschenkt Vermögen – Symbol einer neuen Weltordnung oder letzter Akt der alten Eliten?
11.05.2025

Bill Gates verschenkt sein Vermögen – ein historischer Akt der Großzügigkeit oder ein strategischer Schachzug globaler Machtpolitik?...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Made in America“ wird zur Hypothek: US-Marken in Europa auf dem Rückzug
11.05.2025

Eine neue Studie der Europäischen Zentralbank legt nahe: Der Handelskrieg zwischen den USA und der EU hat tiefgreifende Spuren im...

DWN
Finanzen
Finanzen Tech-Börsengänge unter Druck: Trumps Handelskrieg lässt Startup-Träume platzen
10.05.2025

Schockwellen aus Washington stürzen IPO-Pläne weltweit ins Chaos – Klarna, StubHub und andere Unternehmen treten den Rückzug an.