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Islamischer Staat: Mysteriöser Führer al-Bagdadi angeblich tot

Lesezeit: 2 min
11.07.2017 15:32
Der Tod des angeblichen IS-Anführers wird diesmal von einer Stelle gemeldet, die es wissen könnte.
Islamischer Staat: Mysteriöser Führer al-Bagdadi angeblich tot

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Der angebliche Anführer der IS-Miliz, Abu Bakr al-Bagdadi, ist nach Erkenntnissen der sogenannten „Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ tot. Der Organisation lägen Informationen vor, die den Tod des Islamisten bestätigten, sagte der Direktor der Stelle, Rami Abdulrahman, der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag.

Das US-Verteidigungsministerium erklärte, es könne den Tod Bagdadis nicht bestätigen.

Diese Mitteilung der „Beobachtungsstelle“ ist interessant, weil diese als Ein-Mann-Unternehmen aus Großbritannien operiert und immer wieder während des Krieges in Syrien Meldungen zur Lage in Syrien abgesetzt hatte. Die Stelle soll den Muslimbrüdern nahestehen, welche ihrerseits von den britischen Geheimdiensten begleitet wird. Die Kriegsmeldungen der „Stelle“ haben sich oft als voreilig, unzuverlässig oder gar falsch erwiesen. Die einzige Nachrichtenagentur, die über die „Stelle“ einigermaßen distanziert berichtet, ist die AFP. Alle anderen Agenturen behauptet bei Meldungen der „Stelle“, sie sei gut in der syrischen „Opposition“ vernetzt. Wer genau diese Opposition ist, ist unklar. Reuters schreibt in seinem englischsprachigen Dienst sogar, die Stelle habe „einen Leistungsnachweis von glaubwürdiger Berichterstattung über den Krieg in Syrien“ aufzuweisen. In Syrien kämpfende internationale Söldner werden von der Stelle mitunter als „Rebellen“ bezeichnet. Von den Golf-Staaten finanzierte Söldner werden gelegentlich als „gemäßigte Rebellen“ bezeichnet.

Die „Stelle“ dürfte jedenfalls gute Kontakte zu Islamisten und Geheimdiensten unterhalten. Daher hat die Meldung des Tods von al-Bagdadi eine gewisse Glaubwürdigkeit.

Das russische Militär hatte bereits vor einigen Wochen laut TASS erklärt, der „IS-Chef“ sei möglicherweise bei einem Luftangriff am 28. Mai auf die syrische Stadt Rakka ums Leben gekommen. Die USA hatten auch damals angegeben, sie könnten dies nicht bestätigen. Auch Vertreter der irakischen Regierung äußerten sich damals skeptisch. Hingegen meldete Ende Juni die amtliche iranische Nachrichtenagentur Irna, Bagdadi sei umgekommen.

Der Chef des sogenannten Islamischen Staats hatte 2014 im irakischen Mossul ein Kalifat ausgerufen. Am Montag hatte der irakische Ministerpräsident Haider al-Abadi den Sieg über den IS in Mossul erklärt. Hauptstützpunkt des IS soll nunmehr das syrische Rakka sein, wo allerdings die Russen die Lufthoheit haben.

Bagdadi ist eine durchaus mysteriöse Figur: Er war 2014 aus dem Nichts aufgetaucht. Von ihm sind kaum Bilder überliefert. Es gibt im Wesentlichen zwei Videos: Eines, auf dem ein vergleichsweise schlanker Mann mit Bart in einer Moschee predigt, und eines, auf dem ein sehr korpulenter Mann mit Bart in einer Moschee mit Kindern spricht. Bagdadi ist – anders als Osama bin Laden – kaum durch radikale Reden oder Kampfaufrufe in Erscheinung getreten. Auch die verschiedenen IS-Statements wurden nicht von ihm unterschrieben, sondern durch die US-Website „Site Intelligence“ von Rita Katz im Internet verbreitet. Es ist nicht bekannt, ob Bagdadi und Katz in Kontakt stehen oder gestanden sind. Site hat ein kleines Büro in Maryland und ist stets sehr gut informiert über IS-Vorgänge. So meldete die Seite am Dienstag, dass Meldungen über einen neuen IS-Chef in Bangladesch von "IS-Medien" dementiert worden seien.

Die US-Regierung hatte Bagdadi von Anfang an nicht im Übermaß als Staatsfeind propagiert. Nur Hillary Clinton hatte in einer TV-Auseinandersetzung mit Donald Trump gesagt, die USA müssten Bagdadi jagen wie weiland Osama bin Laden. Nach dieser kurzen Aufwallung wurde es wieder still um den angeblichen Führer des sogenannten „Islamischen Staats“. Es ist durchaus denkbar, dass der angebliche IS-Chef wegen der Zusammenarbeit der Russen und der Amerikaner in Syrien nicht mehr den Stellenwert hat, der ihm einmal zugeschrieben wurde. Sein Abgang von der Bühne könnte vor dem veränderten geopolitischen Umfeld endgültig sein.


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