Als im vergangenen November das Kartell Erdöl exportierender Staaten (OPEC) und Russland beschlossen hatten, eine Drosselung ihrer Ölförderungen einzuleiten, war die Stimmung optimistisch. Das Ziel bestand darin, durch eine Angebotsverknappung den unter Druck stehenden Ölpreis zu stabilisieren. Allerdings gab es zwei Themen, die bei den OPEC-Mitgliedern für Unsicherheit sorgten, berichtet Oilprice.com. Zum einen wurde befürchtet, dass sich einige OPEC-Mitglieder nicht an die zugesagten Förderkürzungen halten würden. Zum anderen bestand die Gefahr, dass die US-Schieferölindustrie – die seit einigen Jahren auf den Weltmarkt drängt – sich als widerstandsfähig erweisen würde. Die zweite Befürchtung trat ein, obwohl oder gerade weil zahlreiche der Schieferfirmen überschuldet sind.
Die Opec-Mitglieder hielten sich zwar an die Förderbremse vom November 2016, doch sie fuhren ihre Förderungen nur zögerlich zurück. Während Saudi-Arabien seine Produktion um eine Million Barrel (159 Liter-Fass) pro Tag zurückfuhr, erklärte sich Russland lediglich zu einer Kürzung von 300.000 Barrel pro Tag bereit. Der Ölpreis stieg im Dezember 2016 auf etwa 50 Dollar pro Barrel und hielt sich auch im Januar über dieser Marke. Derzeit befindet sich der Preis aber wieder auf dem Niveau vor dem November-Beschluss und der Optimismus ist Pessimismus gewichen. Am Morgen des 17. Juli 2017 kostete US-Öl der Sorte WTI etwa 46,50 Dollar pro Barrel. Die Nordseesorte Brent kostete knapp 49 Dollar pro Barrel.
Der Chef-Rohstoffanalyst der Commerzbank, Eugen Weinberg, hatte schon Ende vergangenen Jahres im Gegensatz zu vielen anderen Energieexperten eine anhaltende Schwächeperiode für den Ölpreis prognostiziert, berichtet Oilprice.com. Er schrieb Anfang Dezember 2016 in einer Analyse, dass die Opec-Produktion letztendlich nur dazu beitragen würde, den Umfang der US-Produktion zu stärken. Seine Aussichten auf die Ölpreise habe er unverändert gehalten. Seiner Analyse zufolge werden sich die Notierungen im aktuellen Jahr weitgehend unter der 50-Dollar-Marke bewegen. Auch viele Banken gehen nun dazu über, ihre optimistischen Prognosen für den Ölpreis nach unten zu korrigieren. Im Gespräch mit Bloomberg erteilte Weinberg der Opec einen Rat. Er schlug vor, dass das Kartell seine Förderung massiv anheben und einen Preissturz herbeiführen sollte, um die Schieferindustrie komplett auszuhebeln.
Auf Nachfrage der Deutschen Wirtschafts Nachrichten, wie sich die Konkurrenz zwischen der Opec und den US-Frackingfirmen entwickeln wird, sagte Weinberg: „Die Opec wird weitere Förderkürzungen vornehmen und der Ölpreis wird sich kurzzeitig stabilisieren. Doch die US-Frackingfirmen werden im Gegenzug ihre Produktion steigern, was wiederum zu einem Rückgang des Ölpreises führt. Wir werden dieselbe Entwicklung wie bisher haben. Schlussendlich werden die OPEC-Staaten immer weniger Einnahmen und die US-Frackingfirmen und weitere Nicht-Opes-Staaten steigende Einnahmen vorweisen. Die Interessen zwischen den OPEC-Staaten und den US-Frackingfirmen sind gegensätzlich, da sie miteinander konkurrieren. Es ist auch nicht möglich, eine Einigung zwischen den US-Frackingfirmen und den Opec-Staaten zu erzielen. Denn in den USA gibt es Hunderte von Unternehmen im Ölsektor, die meistens nicht börsennotiert sind und ihre eigenen Ziele verfolgen. Das sind keine Firmen wie ExxonMobil oder andere Energieriesen. Das Dilemma zwischen der Opec und den US-Frackingfirmen ist nicht zu lösen. Der von der Opec erwünschte Effekt wird auch künftig ausbleiben.“
Nach Angaben von Oilprice.com bleiben der Opec letztendlich nur drei Alternativen. Erstens kann sie die gültigen Förderkürzungen verlängern. Zweitens könnte sie ihre Förderkürzungen drastisch ausweiten. Und drittens könnten die Opec-Staaten dem Rat Weinbergs folgen und die Produktion wieder hochfahren.
Die erste Option scheint angesichts der Erfahrungen der vergangenen Monate die Preise nicht signifikant zu stützen. Die Folgen der zweiten Option könnte noch gravierender als die anderen beiden Optionen ausfallen. Katars ehemaliger Öl-Minister, Abdullah al-Attiyah, sagte Bloomberg, dass von hohen Förderkürzungen ausschließlich die US-Frackingunternehmen profitieren würden. Wenn nämlich die Preise steigen, erhöhen diese ihre Produktion und streichen Gewinne und Marktanteile ein.
Die von Weinberg vorgeschlagene Option könnte an einem bestimmten Zeitpunkt die sinnvollste sein, so Oilprice.com. Allerdings besteht die Opec aus zahlreichen Staaten mit eigenen Interessen, sodass ein gemeinsames entschlossenes Vorgehen wenig wahrscheinlich erscheint.