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Abgas-Skandal: Gängige Praxis einer ganzen Branche

Lesezeit: 10 min
31.07.2017 22:11
Der Abgas-Skandal bei Volkswagen ist mehrdimensional. Er vereinigt sowohl technsiche wie auch finanzielle und gesundheitliche Faktoren. Die obersten Verantwortlichen mussten keine persönlichen Konsequenzen tragen.
Abgas-Skandal: Gängige Praxis einer ganzen Branche

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Der Diesel-Skandal hat sehr viele Facetten. Eine betrifft die Regulation in Europa, welche diese Treibstoffart zu Unrecht favorisiert – dies bis heute. Ein zweiter Aspekt betrifft das Verhalten der Autokonzerne. Sie haben bei den Zulassungstests nicht nur geschummelt, sondern effektiven Betrug begangen. Gegenüber den Kunden haben sie ein Produkt mit Premium-Versprechen verkauft, das keines ist.

Der Dieselgate-Skandal ist zunächst ein Betrug von Volkswagen, kein Irrtum, und nicht eine Operation oder Verschwörung untergeordneter Stellen, ausgerechnet noch von Ingenieuren aus der Motoren-Entwicklung, die bei einem Entwicklungs-Auftrag im Verzug waren. Solches war noch bis vor kurzem das Narrativ aus Wolfsburg. Große Autokonzerne, Volkswagen zuvorderst, haben den Diesel, einen Treibstoff der zweiten Güteklasse, als Super-Kraftstoff verkauft, der tiefen Verbrauch, sehr hohe Leistungsfähigkeit der Motoren und die Absenz von Emissionen kombiniert.

Im Ursprung war es eine verbotene Abschalt-Einrichtung. Standen anfänglich zwei Motoren-Typen bei Volkswagen im Vordergrund, so hat sich die Praxis der illegalen Abschalt-Einrichtungen inzwischen auch auf großvolumige Motoren anderer Konzernmarken, wie Audi und Porsche, ausgedehnt. Es ist ein umfassendes System, das die Diesel-Motoren des ganzen Konzerns und der profitabelsten Modelle betrifft. Der Konzern war hochzentralistisch und direkt von einem Patriarchen mit der Kern-Expertise in exakt diesem Gebiet der Motoren-Entwicklung geführt, der als Person die treibende Kraft für genau diese Technologien war. Während eines Jahrzehnts hat sein Vertrauensmann diese Politik durchgesetzt.

Das Paradoxe ist, dass es kein Köpferollen auf breiter Ebene gibt, sondern nur die beiden Galionsfiguren jenseits der Pensionsgrenze gehen mussten und einige weitere Bauernopfer ausgetauscht wurden. Der Abgang der beiden Konzernlenker erfolgte absolut würdelos und lässt keinen Zweifel, wer die Verantwortung für das Geschehene trägt. Nach einem solchen Skandal würde man aber ein hartes Durchgreifen, eine personelle Erneuerung auf höchster Ebene top-down erwarten – vom Aufsichtsrat über den Vorstand bis hinein in die Linie. Immerhin müssen bisher rund 22 Milliarden Euro an Strafen und Bußgeldern bezahlt werden. Der vorher untadelige Ruf des Unternehmens ist arg ramponiert. Man würde eine Transparenz-Initiative erwarten, ein rückhaltloses Aufklären der Vorgänge. Es handelt sich um eine Industrie, welche teure oder sogar Luxus-Produkte an Händler und an Endkonsumenten mit dem Etikett ‚Premium’ absetzt und die auf deren Vertrauen angewiesen ist.

Solches war ursprünglich vom Aufsichtsrat in Aussicht gestellt worden. Nichts dergleichen ist geschehen. In der Jahresversammlung begründete der Aufsichtsratschef Pötsch diesen Gesinnungswandel mit finanziellen Erwägungen. Mit anderen Worten rechnet er damit, dass Volkswagen noch mehr zahlen müsste, wenn alles bekannt würde. Das hat wohl einiges an Wahrheitsgehalt – zumal das Rechnen von Kosten und Einnahmen seine Kernexpertise ist. Eine ausreichende Erklärung ist es nicht. Vor allem räumt es die Zweifel an der Eigentümerschaft und den Führungsgremien des Konzerns nicht aus. Der Konzern hat seinen Erfolg unter anderem genau diesem Betrug zu verdanken. Der Aufstieg zum größten Autobauer der Welt gelang, weil durch aggressives Vermarkten des ‚Sauberen Diesel‘ den Konsumenten das Blaue vom Himmel versprochen wurde. Die Großaktionäre mit Vertrauensleuten im Aufsichtsrat sind dadurch reich geworden. Es macht einen großen Unterschied, ob sie davon gewusst haben oder nicht. Wenn ja, müssten sie die Kosten einer Aufrüstung prioritär tragen. Also nicht nur die Porsche/Piech-Familien, sondern auch das Bundesland Niedersachsen. Der ganze Betrug ist entweder von den höchsten Führungsgremien und vor allem von den Großaktionären mitgetragen worden. Alternativ waren und sind diese Leute gutgläubig oder Kopfnicker und ihre Vertreter im Aufsichtsrat für die Aufsicht und Leitung eines solchen Konzerns ungeeignet.

Über die rein industrielle Manipulation hinaus ist es somit auch ein Finanzskandal erster Güte. Der Konzern ist nicht irgendeine Privatunternehmung, sondern ein am Aktienmarkt kotierter Großkonzern – 2015 der mit Abstand gewichtigste Titel im Dax. So hat nach dessen Aussagen der Konzernpatriarch, Aufsichtsratsvorsitzende und Großaktionär Piech, Teilhaber und Vertrauensmann der Eigentümerschaft, schon im April 2015 nach einem Tipp aus Israel den Vorstandsvorsitzenden Winterkorn auf die Angelegenheit angesprochen. Die beiden wichtigsten Entscheidungsträger des Konzerns wussten also spätestens im April 2015, worum es ging. Trotzdem wurden die Aktionäre erst am 21. September 2015 informiert – fast ein halbes Jahr später. In diesem Zeitraum haben die Aktien massiv korrigiert: Sie sind von über 240 Euro für die Vorzüge auf 170-180 Euro vor dem 21. September 2015 gefallen. Das verletzt alle Vorschriften, dass alle Aktionäre sofort über Inhalte dieser Brisanz informiert werden müssen. Aufsichts- und Vorstandschef waren informiert. Unklar ist, ob der Eklat zwischen beiden im Aufsichtsrat nicht mit dem Abgas-Skandal zu tun hatte. Unklar ist auch, ob nicht weitere Teile des Aufsichtsrates oder das gesamte Gremium bereits zu diesem Zeitpunkt informiert waren. Der Aufsichtsratsvorsitzende Piech hat jedenfalls ausgesagt, verschiedene Aufsichtsratsmitglieder eingeweiht zu haben.

Doch es stellen sich noch ganz andere Fragen: Hat es eine offizielle Untersuchung aller börsenrelevanten Transaktionen gegeben? Porsche SE und die Porsche AG haben in der zweiten Hälfte der 2000er Jahre während Jahren verdeckte Käufe von VW-Aktien gemacht und sich erst am Schluss als ‚Corporate Raider' zu erkennen gegeben hatte. Das betrifft im Übrigen nicht nur Cash-, sondern vor allem Derivat-Transaktionen. Bei einem einfachen Aktionär gäbe es zumindest eine Versuchung, seine Aktien sofort zu verkaufen. Anders bei einem Eigentümer-Aktionär. Dort stünde eher die Absicherung über Derivate im Vordergrund. Abzuklären wäre es also, ob informierte Personen – Manager oder Eigentümer als Holding oder als Einzelpersonen – Put-Optionen gekauft oder Calls verkauft und damit gewaltige Absicherungs-Gewinne gemacht haben. Auch bei den Käufen der VW-Aktien durch Porsche waren im großen Stil Derivat-Transaktionen getätigt worden. Seltsamerweise ist nichts über entsprechende Untersuchungen der Vorgänge im Jahr 2015 bekannt. Jede zivilisierte Aufsichtsbehörde würde bei solches ‚News‘ eine sofortige, umfassende Untersuchung einleiten. Die Informationen kann man direkt von den Banken erhalten – und selbst bei verschleierten OTC-Transaktionen den ultimativen Auftraggeber ermitteln.

Die Operationsweise von Volkswagen ist aber auch nur in einem speziellen Umfeld möglich. Wie mehr und mehr klar geworden ist, handelt es sich keineswegs nur um einen isolierten Betrug des Volkswagen-Konzerns, sondern um gängige Praktiken einer ganzen Branche. Noch ist unklar, welche Rolle die vom Magazin ‚Spiegel‘ kürzlich publizierten regelmäßigen Absprachen der großen deutschen Hersteller bei der Formulierung der Dieselpolitik gespielt haben. Aus den vom Spiegel publizierten Dokumenten geht zunächst hervor, dass es über sehr viele Aspekte der Beschaffung und Normierung Diskussionen und Absprachen gab. Das ist in vielen Industrien üblich und per se nichts Negatives, sondern Teil einer erfolgreichen Industriepolitik.

Kartellrechtlich auffällig sind aber drei Punkte: Normalerweise wären alle, insbesondere auch kleinere Hersteller in solche Diskussionen und Arbeitsgruppen integriert. Doch Opel und Ford wurden offenbar bewusst ausgeschlossen. Opel hat dies sogar erfolglos gerichtlich durchzusetzen versucht. Das ist unüblich und erklärungsbedürftig, auch wenn sie Töchter ausländischer Großkonzerne waren bzw. sind. Bei einem einheitlichen europäischen Binnenmarkt müssten darüber hinaus nicht nur die deutschen Hersteller mit ihrer Marktmacht (nach eigenen Angaben erreichen sie 80 Prozent des Weltmarktes für Premium-Fahrzeuge) sondern alle in Europa produzierenden Hersteller in solche Diskussionen und Absprachen integriert sein. Da stellt sich ganz allgemein die Frage, ob dies nicht über eine allfällige Verletzung kartellrechtlicher Vorschriften in Deutschland hinaus eine solche der Binnenmarktregeln der Europäischen Union darstellt. Noch seltsamer ist es, wenn in diesem Konsortium jahrzehntelang über Zulieferer, Normen und Industriestandards diskutiert wird, diese Zulieferer aber in die Diskussionen und Arbeitsgruppen nicht einbezogen sind. Normal wäre, dass dies etwa in Arbeitsgruppen des deutschen oder europäischen Verbandes zusammen mit den Zulieferern und für diese transparent stattfinden würde.

Schließlich offenbaren die Dokumente des Spiegels, dass in diesem Konsortium spezifische Diesel-Abgas-Politik betrieben wurde. Es wurden die Normen und Masse von Adblue-Tanks einheitlich spezifiziert und offenbar in vielen Fällen viel zu klein dimensioniert. Man einigte sich auf 8-Liter Tanks statt auf größer dimensionierte. Dies geschah auf Druck des Vertriebs, weil etwa eine besonders leistungsfähige Stereoanlage montiert werden oder noch eine zusätzliche Golftasche im Kofferraum Platz finden sollte. Der effektive AdBlue-Verbrauch liegt im realen Betrieb so hoch, dass viel größere Tanks nötig wären. Nur mit den größeren Tanks kann die kontinuierliche Versorgung mit dem Harnstoff-Additiv bis zum nächsten Service sichergestellt werden. Zwei Schlussfolgerungen sind aus diesen offenbar belegten Dokumenten naheliegend: Auch bei den anderen Autobauern konnten die Normen wohl bei vielen Modellen nur mit einer ‚Software-Lösung‘ ähnlich derjenigen von Volkswagen eingehalten werden. Umweltpolitische Erwägungen waren absolut zweitrangig. Es ging offenbar nie darum, diesen allerhöchste Priorität einzuräumen. Man verkaufte den Kunden den ‚Clean Diesel’ als ein prioritäres oder sogar wichtigstes Argument. In der konkreten Fahrzeug-Spezifikation stellte dies aber ein völlig untergeordnetes Kriterium dar. Banalitäten wie zusätzliche Lautsprecher oder eine zusätzliche Golftasche waren viel wichtigere Gesichtspunkte.

Die deutschen Premium-Hersteller verkaufen ihren Kunden die Individualisierung des Autos als weiteres Argument für die happigen Preise. Die Kunden können aus einer schier endlosen Liste von aufpreispflichtigen Zusatzausstattungen ihr Auto individuell zusammenstellen. Da die Basisausstattung häufig eher karg ist, vor allem im Vergleich mit japanischem oder koreanischem Gefährt, addieren sich diese Zusatzausstattungen oft zu einem erklecklichen Teil des Gesamtpreises. Interessant ist, dass die Wahl eines größeren AdBlue-Tanks nicht einmal als Option für den Kunden angeboten wurde. Ein Auto, das den reglementarischen Vorschriften effektiv entsprach, war für den Kunden in den meisten Fällen gar nicht erhältlich. Selbst dann nicht, wenn er dafür bezahlen und auf die zusätzliche Golftasche oder den Lautsprecher verzichten wollte.

Das kann nicht ohne Konsequenzen für die Problemlösung sein. Wenn die Hardware willentlich und vorsätzlich falsch dimensioniert ist oder überhaupt fehlt, kann auch ein Update der Software niemals eine Lösung darstellen. Bei vielen Herstellern, nicht nur den deutschen, scheitert es schon an der Hardware, dass die Normen überhaupt erfüllt werden können. Die von den Autoherstellern angebotene Lösung eines flächendeckenden Software-Updates wäre nichts als ein zweiter Schwindel nach dem ersten Betrug. Seltsam, wenn sich Politiker in Kenntnis aller Fakten für einen solchen Schwindel gewinnen lassen würden – sie wären damit Komplizen des ganzen Betrugssystems.

Der Abgas-Skandal reicht über Volkswagen oder andere deutsche Hersteller hinaus. Eine Schlüsselrolle scheinen dabei spezialisierte Zulieferer gespielt zu haben. Die Steuerung für die Motor-Software (ECU) wurde früher intern bei den Autobauern entwickelt. Mit der rasanten Entwicklung der Elektronik ging dies auf wenige hoch spezialisierte Zulieferer über. Im Falle von Volkswagen war dies Bosch. Nach den Dokumenten, welche Forscher untersucht haben, konnten sie nicht nachweisen, dass Volkswagen irgendeine Programmzeile überhaupt selbst programmiert hat. Es scheint alles Auftragsarbeit von Bosch zu sein. Auch bei FIAT und Chrysler sowie bei GM sind gemäß den Dokumenten bzw. Anklagen der EPA die Modifikationen von Bosch vorgenommen worden – immer natürlich gemäß den Spezifikationen des jeweiligen Herstellers. Bei Jeeps schaltet etwa die Abgas-Reinigung komplett ab, sobald das Auto auf die Autobahn gelangt. Es gibt nur sehr wenige Zulieferer für die Motor-Software.

Ein anderer Vorreiter des Diesels, der früher staatliche französische Renault-Konzern, hat als zweitgrößter europäischer Autohersteller offenbar seit rund 25 Jahren in verschiedenen Modellen mit einer Software operiert, um die Ergebnisse von Abgastests zu fälschen. Dies ist nach einer aufwendigen Recherche durch die Kommission für Wettbewerb, Verbraucher und Betrugsbekämpfung (DGCCRF) dargelegt und durch die Zeitschrift ‚‘Libération’ bekannt geworden. Die Antibetrugsbehörde war von der Regierung, genauer von Ministerin Segolène Royal im Anschluss an den Abgas-Skandal beauftragt worden. Und zwar hat der Hersteller offenbar seit 1990 die Abgaswerte einzelner Modelle, darunter auch von Benzinern, manipuliert ausgewiesen. Der seit 2005 dafür verantwortliche PDG, der im Bericht auch als eigentlicher Verantwortlicher bezeichnet wird, ist heute noch in Amt und Würden. Carlos Ghosn habe als Unternehmenschef selbst die Strategien zur Motorenkontrolle genehmigt und diese zu keiner Zeit delegiert. Der französische Staat ist immer noch Hauptaktionär – er könnte problemlos darüber entscheiden. Warum dort Vollzugsprobleme scheitern, ist unklar.

Die Liste lässt sich beliebig erweitern. Auch anderswo sind eigentliche Betrugsmanöver begangen sowie Schlupflöcher und Grauzonen in der Regulierung bis zur Lächerlichkeit ausgenutzt worden. Diese juristisch als Betrug zu qualifizieren, ist vorerst offen – der Sache nach sind sie es. Opel hat bei Temperaturen unter 17 Grad, im nördlichen Europa, seinen Hauptmärkten, häufig anzutreffen, die Abschalt-Funktion bei seinen Dieselmotoren aktiviert, ‚damit die Motoren nicht beschädigt werden‘. Beim FIAT 500X wurde sie nach 26-minütiger Funktionsweise (genau 26 Minuten 40 Sekunden) aufgegeben. Die für die Zulassung wichtige NEFZ-Testdauer ist auf 20 Minuten festgelegt.

Es ist eine Industrie, wo viele Player Standards systematisch ausgehebelt haben – und dies nicht nur in Einzelfällen, sondern systematisch. Für das Gesamtverständnis dessen, was passiert ist, wäre es wichtig, die Ablaufkette genau zu kennen. Wie war und hat sich die Praxis in der ganzen Industrie entwickelt, welcher Hersteller hat wann mit der Programmierung begonnen und welche Rolle haben spezialisierte Zulieferer für die Motorsteuerung gespielt? Das sind Fragen, die auf gesamteuropäischer Ebene geklärt werden müssen.

Zum Schluss sei darauf verwiesen, um welche Größenordnungen von Abweichungen es sich effektiv handelt: Verschiedene Tests sind seit mindestens 2014 durchgeführt worden. Sie fanden heraus, dass die Überschreitung der Grenzwerte hoch und sehr ungleich ist. Im Durchschnitt werden die Grenzwerte aber um das Fünf- bis Zehnfache überschritten – in einzelnen Fällen um mehr als das Dreißigfache.

Nach Marken ist kein einheitliches Muster zu erkennen. Einige Fahrzeuge des Volkswagens-Konzerns oder von BMW liegen unter oder nahe bei den Grenzwerten. Gleichzeitig gibt es auch mehrere Modelle von beiden Herstellern, welche die Norm um mehr als das 10-fache überschreiten. Viele schwere SUVs und selbst große Premium-Limousinen haben gravierende Probleme: so etwa Mercedes S-Klasse Limousinen, BMW 7er oder große Audi Q7 und Porsche Cayennes. Aber auch Kleinwagen wie diejenigen von Fiat oder Renault schneiden sehr schlecht ab. Volumenmodelle lassen ein uneinheitliches Bild erkennen und liegen in der Regel im Mittelfeld.

Fast durch die Bank schneiden Modelle des Renault- und des FCA-Konzerns oder von Volvo bei den Tests miserabel ab. Dass der im chinesischen Besitz befindliche schwedische Autohersteller sich öffentlichkeitswirksam ein grünes Mäntelchen umhängt und bald schon (2019) keine Personenwagen ohne Elektromotoren mehr anbieten will, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass seine Karossen, die heute fast ausschließlich als Diesel auf den Markt kommen, selbst mit völlig neu entwickelten Motoren schlechte Schadstoff-Emissionswerte aufweisen. Auch einzelne Koreaner und Japaner haben teilweise unterirdische Werte.

Was ferner auffällt, ist die Diskrepanz zu den Lastwagen, die ebenfalls mit Diesel betrieben werden. Personenwagen haben im Durchschnitt absolut gesehen einen mehr als doppelt so hohen und auf die Motorengrüße bezogen einen bis zu zehnmal höheren Stickoxid-Ausstoß als große Lastwagen, was die ungleiche Überwachung dokumentiert.

Für die Umweltproblematik in Deutschland ist natürlich wichtig, welche Bedeutung die einzelnen Hersteller im deutschen Markt haben. Hier ist auf eine eklatante Diskrepanz zwischen in- und ausländischen Herstellern hinzuweisen. Die deutschen Hersteller dominieren im Heimmarkt und haben auch die höchsten Anzahl und Anteile der dieselbetriebenen Personenwagen. Nur Volvo, dem Anspruch nach auch ein Premium-Hersteller, hat noch höhere Diesel-Anteile.

Die Fokussierung der gegenwärtigen öffentlichen Debatte auf die Abweichungen von den Grenzwerten und auf das Betrügen lenken aber von einer wichtigen Tatsache ab: dass die Zulassungstests selbst sehr problematisch sind. Dies trifft nicht nur auf den bisher gültigen NEFZ, sondern auch den ab 2018 gültigen WETF zu.

Was bisher öffentlich bekannt geworden ist, lässt eine Industrie erkennen, die skrupellos und bewusst Normen verletzt hat. Das Besondere an den deutschen Premiumherstellern ist, dass sie den Diesel schon lange europaweit und später global so aggressiv vermarktet und dadurch Marktanteile gewonnen haben. Andere Hersteller wie Volvo, Opel, Jeep oder Chrysler waren eindeutig Nachzügler. Das Verhalten beziehungsweise die Verletzung der Vorschriften ist aber recht allgemein. Das Kernproblem war nicht, dass die Einhaltung technisch nicht oder nur mit extremen Kosten machbar gewesen wäre. Bei Lastwagen ging es auch. Man hat die technisch möglichen Lösungen aus stumpfsinnigen oder banalen Gründen nicht implementiert. Dabei war die Auflage glasklar. Seit 2007 galt die EU-Direktive, dass die Grenzwerte nicht nur auf dem Prüfstand, sondern im realen Betrieb einzuhalten seien. Die Autohersteller haben die Implementierung eines allseits akzeptierten RDE-Tests aber lange Zeit erfolgreich verhindert und das Problem auf ihre Weise gelöst. Das Ausmaß, wie die Grenzwerte in der Praxis überschritten werden, ist indiskutabel und eine Schande. In jeder anderen Industrie würde man bei solchen Fehlertoleranzen bei Industriestandards sofort gefeuert.

Die Kosten einer adäquaten Nachrüstung sind nur ein Argument. Nicht oder nachzurüsten hat noch viel höhere Kosten. Die drohenden Dieselverbote sind erst ein Vorbote dazu. Dabei gilt eine Komplexität. Viele Autohersteller haben staatliche oder private Kern-Aktionäre, die privilegiert im Aufsichtsrat vertreten sind. Die Verteilung der Lasten gegenüber Publikumsaktionären hat dies zu berücksichtigen. Doch bevor irgendetwas beschlossen werden sollte, muss die ganze Wahrheit auf den Tisch kommen. Immer neue Horror-Meldungen zerstören den Ruf der Industrie und der einzelnen Hersteller komplett. Das kann und sollte auch einen personellen Schnitt mit der Vergangenheit einschließen. In anderen Unternehmen und Industrien ist das Standard. Warum ausgerechnet bei einem derartigen Skandal gezögert wird, ist nicht einsichtig.

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