Finanzen

EZB stößt bei Normalisierung der Geldpolitik auf Widerstände

Eine Mehrheit der Beobachter geht davon aus, dass die EZB ihren Ausstieg aus dem Anleihe-Kaufprogramm hinauszögern wird.
01.09.2017 17:06
Lesezeit: 2 min

Volkswirte rechnen nach einer Reuters-Umfrage mehrheitlich erst für den Oktober mit einem Schritt der EZB in Richtung Eindämmung der Geldflut. Nach den Ergebnissen der Erhebung erwarten 46 der 66 befragten Ökonomen – das sind fast 70 Prozent – dass die Europäische Zentralbank (EZB) im Oktober eine monatliche Verringerung ihrer billionenschweren Anleihekäufe ankündigen wird. Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass die Euro-Wächter ab Januar 2018 nur noch Wertpapiere im Volumen von 40 Milliarden Euro je Monat erwerben. Bislang sind es 60 Milliarden Euro.

Nur 15 Ökonomen rechnen damit, dass die EZB bereits auf ihrer Sitzung am nächsten Donnerstag in Frankfurt eine Reduzierung der Transaktionen verkündet. Fünf Experten erwarten einen solchen Schritt erst für die Ratssitzung im Dezember. Die große Mehrheit der Ökonomen – 58 von 63 Volkswirten – geht davon aus, dass die EZB die monatlichen Käufe bis Ende 2018 auf null absenken wird. Reuters befragte Volkswirte vom 28. bis 31. August zu ihren Erwartungen.

Seit März 2015 erwerben die EZB und die nationalen Euro-Notenbanken im großen Stil Staatsanleihen und andere Wertpapiere. Mit den Käufen wollen sie die Konjunktur anfeuern und für mehr Inflation im Euro-Raum sorgen. Im August zogen die Verbraucherpreise um 1,5 Prozent an – Ziel der EZB ist aber eine Teuerung von knapp unter zwei Prozent. Das Anleihenkaufprogramm soll nach den bisherigen Planungen noch bis mindestens Ende Dezember laufen und dann ein Gesamtvolumen von 2,28 Billionen Euro erreichen.

Der Hauptzweck des Anleihe-Kaufprogramms dürfte allerdings darin liegen, die Finanzierungszinsen der überschuldeten Eurostaaten an den globalen Kapitalmärkten zu senken. Indem die EZB als potentieller Käufer der Schuldscheine mit praktisch unbegrenzter Liquidität in Erscheinung tritt, werden die Renditeforderungen der Geldgeber gedrückt und die Regierungen der betroffenen Staaten können sich günstiger verschulden.

Weil viele überschuldete Staaten in Europa praktisch von den permanenten Interventionen der EZB auf dem Anleihemarkt abhängig geworden sind, gestaltet sich ein Rückzug der Zentralbank aus dem Programm schwierig und könnte zu Verwerfungen an den Finanzmärkten und einer deutlichen Erschwerung der Staatsschulden einiger Länder führen. Aus diesem Grund deutete EZB-Präsident Mario Draghi bereits an,  den Rückzug durch Re-Investitionen von Anleihegeldern zu dämpfen.

EZB-Chef Mario Draghi und seine Ratskollegen hatten im Juni angesichts der sich festigenden Erholung im Euro-Raum einen ersten Mini-Schritt Richtung Kurswende gewagt. Daraufhin kam es an den Finanzmärkten – die offensichtlich ebenfalls von geldpolitischen Stützungen der Zentralbanken abhängig geworden sind – zu Spannungen.

Auch EZB-Vizepräsident Vitor Constancio deutet an, dass die Ziele der Zentralbank noch nicht erreicht seien. Damit könnte Beobachtern eine vorsichtigere Vorgehensweise angedeutet werden. Zwar sei die wirtschaftliche Erholung im Währungsraum inzwischen breiter geworden und habe sich mehr gefestigt, sagte der Stellvertreter von EZB-Chef Mario Draghi am Freitag auf einer Veranstaltung im italienischen Cernobbio laut Redetext. Die starke Phase eines weltweiten Wiederanstiegs der Inflation, die zu Jahresbeginn noch wahrscheinlich schien, sei aber nicht eingetreten. „Deshalb sind die Aufgaben, die Inflation und die Arbeitslosigkeit auf akzeptable Niveaus zu normalisieren, weiterhin schwierig“, sagte Constancio.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Panorama
Panorama Der stille Anti-Trump? Internationale Reaktionen auf Papst Leo XIV.
09.05.2025

Mit der Wahl von Robert Francis Prevost zum neuen Oberhaupt der katholischen Kirche übernimmt erstmals ein Amerikaner das Papstamt. Welche...

DWN
Finanzen
Finanzen Allianz-Aktie nach Dividendenabschlag im Minus – Chance für Anleger?
09.05.2025

Die Allianz-Aktie zählt 2025 zu den Top-Performern im DAX – doch am Freitagmorgen sorgt ein deutlicher Kursrückgang für Stirnrunzeln...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch zur Eröffnung am Freitag
09.05.2025

Zum Handelsbeginn am Freitag hat der DAX ein frisches DAX-Rekordhoch erreicht. Die im April gestartete Erholungswelle nach dem ersten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Insolvenzen in Deutschland steigen nur noch geringfügig an - ist das die Trendwende?
09.05.2025

Der Anstieg der Insolvenzen in Deutschland hat sich im April deutlich verlangsamt. Laut Statistischem Bundesamt wurden im Monatsvergleich...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie profitiert von starkem Jahresauftakt - und nun?
09.05.2025

Die Commerzbank-Aktie hat zum Start in den Börsenhandel am Freitag leicht zugelegt. Das deutsche Geldhaus überraschte mit einem...

DWN
Politik
Politik Zweite Kanzlerreise: Erwartungen an Merz in Brüssel steigen
09.05.2025

Nur drei Tage nach seinem Amtsantritt ist Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zu seiner zweiten Kanzlerreise aufgebrochen – Ziel ist...

DWN
Technologie
Technologie Meta trainiert KI mit Ihren Daten – ohne Ihre Zustimmung. So stoppen Sie das jetzt!
09.05.2025

Ab dem 27. Mai analysiert Meta öffentlich sichtbare Inhalte von Facebook- und Instagram-Nutzern in Europa – zur Schulung seiner...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Silicon Valley wankt: Zölle, Zoff und zerplatzte Tech-Träume
08.05.2025

Während Europa auf seine Rezession zusteuert und China seine Wirtschaft auf staatlicher Kommandobasis stabilisiert, gibt es auch im sonst...