Die Europäische Zentralbank (EZB) wagt noch keine Weichenstellung in Richtung eines weniger expansiven geldpolitischen Kurses, berichtet Reuters. Die Währungshüter ließen am Donnerstag auf ihrer Zinssitzung in Frankfurt die Tür offen, notfalls die besonders in Deutschland umstrittenen Anleihekäufe erneut auszuweiten. Zuvor hatten verschiedene Stimmen wie Deutsche Bank-Chef John Cryan einen Ausstieg der EZB aus dem gegenwärtig vorherrschenden Kurs gefordert.
Draghi begründete das Festhalten mit Sorgen vor einer weiteren Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar. „Die jüngsten Schwankungen beim Wechselkurs sind eine Quelle der Unsicherheit“, sagte EZB-Präsident Mario Draghi. „Der Wechselkurs ist wichtig für das Wachstum und die Inflation.“ Die Notenbank müsse die Bewegungen im Blick halten und den Einfluss auf die Preisstabilität beobachten.
Der Euro hat seit Jahresstart um mehr als 14 Prozent zugelegt. Dadurch verteuern sich Produkte aus dem Währungsraum auf dem Weltmarkt. Zudem verbilligen sich Importwaren, was die Inflationsentwicklung bremsen könnte. Für die EZB würde es so noch schwerer, ihr Ziel von knapp zwei Prozent Teuerung zu erreichen. Im August lag die Inflation nur bei 1,5 Prozent.
Tatsächlich dürfte ein Ausstieg schwierig werden, weil sich die Finanzmärkte an die freundlichen durch die EZB gewährten Rahmenbedingungen gewöhnt haben und Schocks drohen, wenn die Zinsen wieder steigen und die Anleihekäufe zurückgefahren werden. Der Hauptzweck des Anleihe-Kaufprogramms dürfte ohnehin darin liegen, die Finanzierungszinsen der überschuldeten Eurostaaten an den globalen Kapitalmärkten zu senken. Indem die EZB als potentieller Käufer der Schuldscheine mit praktisch unbegrenzter Liquidität in Erscheinung tritt, werden die Renditeforderungen der Geldgeber gedrückt und die Regierungen der betroffenen Staaten können sich günstiger verschulden.
„Ein sehr substanzielles Ausmaß an geldpolitischer Unterstützung ist weiterhin nötig", bekräftigte Draghi. Die EZB will im Herbst ihre Instrumente auf den Prüfstand stellen. „Wahrscheinlich wird der Großteil der Entscheidungen im Oktober getroffen“, kündigte Draghi an. Die EZB könne diese aber auch noch verschieben, sollte sie noch nicht so weit sein. Die Fachleute der Notenbank sollten zunächst Vorschläge für mögliche Optionen machen. Auf der jetzigen Ratssitzung sei bereits über die Dauer der Anleihekäufe und den monatlichen Umfang gesprochen worden. Die Debatte sei aber noch in einem sehr frühen Stadium.
Die Käufe im Umfang von aktuell 60 Milliarden Euro pro Monat laufen zum Jahresende aus. Dann werden sie ein Volumen von 2,28 Billionen Euro erreicht haben. Da die Wirtschaftserholung im Euro-Raum immer mehr um sich greift, gehen die meisten Experten davon aus, dass die Notenbank beschließen wird, die Transaktionen ab Januar herunterzufahren. Die nächsten Zinssitzungen sind am 26. Oktober und dann am 14. Dezember.
Den Leitsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld beließen die Währungshüter erwartungsgemäß auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Auf diesem Niveau liegt er bereits seit März 2016. Der sogenannte Einlagensatz steht weiterhin bei minus 0,4 Prozent. Banken müssen also Strafzinsen zahlen, wenn sie über Nacht Geld bei der Notenbank parken.