Politik

Italiens Eliten zittern: „Stabile Regierung nur noch mit einem Wunder“

In Italien hat das große Zittern begonnen. Finanzwirtschaft, Parteien und Verbände fürchten, dass es nach der Wahl keine klaren Mehrheiten und damit keine handlungsfähige Regierung geben könnte. Außerdem macht dem Establishment die Tatsache Sorge, dass sogar Führungskräfte aus der Wirtschaft offen mit dem Euro-Rebell Beppe Grillo sympathisieren.
25.02.2013 12:13
Lesezeit: 1 min

Bis 15 Uhr können die Italiener am Montag noch ihre Stimme abgeben, doch das Rennen um die Vorherrschaft im Parlament und Senat wird knapp. „Eine stabile Regierung ist eigentlich nur noch durch ein Wunder möglich“, sagte Guido Rosa, Präsident des Verbands der Auslandsbanken in Italien, der FT. Sollte Bersani die Wahlen noch gewinnen, ist er höchstwahrscheinlich auf ein Bündnis mit Mario Monti angewiesen. Aber Berlusconi könnte im Senat die Oberhand gewinnen und die zukünftige Regierung blockieren (hier). Bei der sich abzeichnenden niedrigen Wahlbeteiligung könnten überdies der Euro-Gegner Beppe Grillo und die Lega Nord überproportional gewinnen (hier). Das beunruhigt neben dem Verband der Auslandsbanken in Italien auch viele Anleger und Unternehmen.

Doch selbst wenn es Bersani und Monti gelingen sollte, auch im Senat die notwendige Mehrheit zu erreichen, steht Italien nicht vor minder großen Problemen. Der Präsident des Verbands der Auslandsbanken in Italien, Guido Rosa, zweifelt daran, dass das Bündnis tatsächlich genügend Stärke hätte, um die notwendigen Reformen durchzuführen. Zu stark sind die Gewerkschaften und die Lobbyisten der Rechtsanwälte, Notare und Banken. „Italien bracht eine Art Revolution in Bezug auf Reformen in der Bürokratie, Justiz, die Steuern und den öffentlichen Sektor“, so Rosa.

Unsicherheit zeigt sich indes auch unter den Unternehmen. Zunächst unterstützten sie lang den Kurs Montis. Aber dessen straffe Sparpolitik und die Arbeitsmarktreform haben sie in den vergangenen Tagen mehr in Richtung Berlusconi geführt. Eine drohende politische Instabilität angesichts eines zu knappen Wahlausgangs stellt die italienischen Unternehmen vor zusätzliche Herausforderungen. Die Direktinvestitionen in Italien sind aufgrund der immensen Bürokratie eher mau und steigende Zinskosten im Falle eines politischen Pattes könnten die Unternehmen ihren aufgrund der Krise ohnehin schwierigen Zugang zum Geldmarkt verlieren. Selbst Sergio Marchionne, Chef von Fiat und einer der früheren stärksten Befürworter Montis, hat sich in den vergangenen Wochen von diesem distanziert. Der FT zufolge sprechen auch etliche andere Führungskräfte Italiens im Privaten davon, wie enttäuscht sie von der politischen Klasse seien. So manch einer von diesen zieht sogar mittlerweile in Erwägung, dem EU-kritischen Beppe Grillo seine Stimme zu geben (hier mehr zu Grillos Siegeszug und seinen möglichen Folgen für die EU).

Die Baubranche ist ebenfalls desillusioniert. Sie leidet unter dem stärksten Einbruch seit fast 20 Jahren und will nun endlich Fortschritte sehen. „Die Baubranche liegt im Sterben“, so Paolo Buzzetti, Leiter der Baugewerbe-Lobby Ance. „Die nächste Regierung muss etwas tun oder wir  ziehen in die Schlacht“, fügt er hinzu.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik Warum sprechen diese Woche alle über Trumps „Big Beautiful Bill“?
01.07.2025

Es ist Trumps größtes Prestigeprojekt. Doch welche Vor- und Nachteile hat das Gesetzespaket, das am Freitag unterschriftsreif auf dem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kernenergie-Aktien explodieren um 542 Prozent: Anleger warnen vor Blasenbildung
01.07.2025

Kernenergie-Aktien feiern ein spektakuläres Comeback – befeuert durch den steigenden Strombedarf für Rechenzentren. Die Branche erlebt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Svenska Digitaltolk: Dolmetscher-Gigant kauft KI-Unternehmen – Millionenumsatz prognostiziert
01.07.2025

Schwedens Dolmetscher-Gigant will Europas Übersetzungsmarkt aufrollen – mit KI, Millionenplänen und dem Griff nach Deutschland. Doch...

DWN
Politik
Politik Grenze zu – zumindest teilweise: Polen kontrolliert ab Montag
01.07.2025

Polen wird ab kommendem Montag vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Das kündigte...

DWN
Politik
Politik Krankenkassen schlagen Alarm: Zusatzbeiträge könnten deutlich steigen
01.07.2025

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) warnen vor Druck zu neuen Beitragserhöhungen ohne eine rasche Bremse für steigende Kosten....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Investitionsstau: Kaputte Straßen, marode Schulen – Kommunen am Limit
01.07.2025

Viele Städte und Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand: Allein die Instandhaltung von Straßen, Schulen und...