Politik

Spanische Regierung bereitet Machtübernahme in Katalonien vor

Lesezeit: 2 min
20.10.2017 00:40
Katalonien dürfte am Wochenende seine Autonomie verlieren. Die EU sagt, sie könne den Katalanen nicht helfen.

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Julien Toyer und Paul Day von Reuters berichten aus Madrid:

Nach dem Verstreichen eines zweiten Ultimatums an die katalanischen Separatisten bereitet die Zentralregierung in Madrid die formelle Machtübernahme in der Region vor. Ministerpräsident Mariano Rajoy berief am Donnerstag sein Kabinett dazu zu einer Sondersitzung am Samstag zusammen. Dabei könnte der Artikel 155 der Verfassung aktiviert werden, mit dem Katalonien die Autonomierechte entzogen und die Region der Zentralverwaltung unterstellt würde. In der EU kann Rajoys Regierung offenbar auf Rückendeckung setzen: Kanzlerin Angela Merkel sagte, sie hoffe auf eine Lösung auf Basis der spanischen Verfassung. Diese spricht wie die Zentralregierung von einer "unauflöslichen Einheit der spanischen Nation".

Regierungssprecher Inigo Mendez de Vigo kündigte an: "Die Regierung wird alle zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um so schnell wie möglich Gesetze und Verfassungsordnung wiederherzustellen." Am Donnerstagmorgen war auch ein zweites Ultimatum an die katalanische Regionalregierung abgelaufen, sich klar zur Einheit Spaniens zu bekennen. Kataloniens Regierungschef Carles Puigdemont drohte damit, bei einer Zwangsverwaltung durch Madrid werde die nach seiner Lesart in der vergangenen Woche verkündete, aber noch nicht in Kraft gesetzte Unabhängigkeit ausgerufen. In Spanien wird nun spekuliert, dass das Regionalparlament noch am Wochenende die Unabhängigkeit ausrufen könnte, um der Entmachtung zuvorzukommen. Dann würde das Regionalparlament aufgelöst, und verfassungsgebende Wahlen würden angesetzt.

Erstmals seit der Rückkehr zur Demokratie vor knapp 40 Jahren steht Spanien damit vor einer Zerreißprobe: Bisher wurde der Artikel 155 in der Verfassung von 1978 noch nie angewendet. Er sieht den Entzug von Autonomierechten und die Unterstellung unter die Zentralverwaltung vor, wenn sich eine der 17 Regionen nicht an die Verfassung hält. Vorbild ist der Artikel 37 ("Bundeszwang") im deutschen Grundgesetz, mit dem der Bund gegenüber den Ländern notfalls ein Weisungsrecht durchsetzen kann. Dem Schritt muss in Deutschland der Bundesrat zustimmen, in Spanien der Senat mit seinen Regionalvertretern. Die oppositionellen Sozialisten sagten der Regierung für ihr Vorgehen Unterstützung zu, regten aber an, dass die Zwangsmaßnahmen zeitlich und inhaltlich begrenzt werden sollten.

Der Streit über die Unabhängigkeit treibt seit Wochen immer wieder Hunderttausende Befürworter und Gegner auf die Straßen. Der Konflikt beunruhigt auch die Wirtschaft: Seit dem umstrittenen Referendum am 1. Oktober haben nach offiziellen Angaben 700 Unternehmen ihren Firmensitze aus Katalonien verlagert.

Sollte Katalonien unter Kuratel gestellt werden, könnte die Zentralregierung dort die Kontrolle über Polizei und Finanzen übernehmen und Neuwahlen ausrufen. Nach dem Referendum hatten Puigdemont und andere katalanische Politiker am 10. Oktober eine Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet, diese aber sofort wieder außer Vollzug gesetzt. Puigdemont vermied sowohl in seinem Schreiben am Montag als auch in seinem Brief am Donnerstag eine klare Aussage dazu.

In seinem zweiten Schreiben an Rajoy machte Puigdemont deutlich, dass er sich nicht beugen will. "Wenn die Regierung weiter den Dialog verhindert und mit der Unterdrückung weitermacht, könnte das katalanische Parlament (...) über eine formelle Unabhängigkeitserklärung abzustimmen." Wann das geschehen könnte, ließ er offen. Puigdemont steht auch im eigenen Lager unter Druck. Er führt eine aus vier Parteien bestehende Minderheitsregierung an, die auf die Tolerierung durch die CUP angewiesen ist, die auf eine zügige Abspaltung dringt.

Der Präsident des Europaparlaments, Antonio Tajani, rief die Separatisten im Sender Cope auf, auf die Proklamation der Unabhängigkeit zu verzichten. "Niemand in Europa könnte die Unabhängigkeit Kataloniens akzeptieren. Deswegen werden sie alleine stehen. Niemand wird der katalanischen Regierung in dieser Richtung helfen." Die Europäische Union sieht keine Möglichkeit für eine Vermittlerrolle im Katalonien-Konflikt. "Es gibt keine Möglichkeit für ein Einschreiten der EU", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Donnerstagabend auf einem EU-Gipfel in Brüssel. Man könne nicht leugnen, dass die Situation dort besorgniserregend sei. Er sei aus vielen Gründen ständig in Kontakt mit dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy.


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Unternehmen
Unternehmen Unmotivierte Arbeitnehmer: Nur 48 Prozent der Deutschen geben am Arbeitsplatz ihr Bestes
15.01.2025

Nicht nur die Wirtschaft schwächelt in Deutschland, auch die Arbeitsmoral der Arbeitnehmer. Ein weltweiter Vergleich zeigt: Nicht einmal...

DWN
Politik
Politik EPA: Elektronische Patientenakte kommt - Lauterbach betont Sicherheit der E-Patientenakte
15.01.2025

Die EPA (Elektronische Patientenakte) wird in Arztpraxen eingeführt - zunächst nur in Testregionen, später bundesweit....

DWN
Finanzen
Finanzen Aktionäre in Deutschland: Weniger Deutsche investieren ihr Geld an der Börse
15.01.2025

Die Zahl der Aktionäre in Deutschland ist erneut rückläufig: Zum zweiten Mal in Folge sank die Anzahl, liegt aber weiterhin über der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Rezession: Deutschlands Wirtschaft 2024 erneut geschrumpft
15.01.2025

Unsichere Konsumenten, schwächelnde Industrie und sinkende Exporte: Die Rezession setzt Deutschland weiter zu. Auch 2025 stehen die...

DWN
Politik
Politik Syrien: Übergangsregierung spricht sich gegen schnelle Rückkehr von Flüchtlingen aus
15.01.2025

Deutschland diskutiert über die Rückkehr syrischer Flüchtlinge. Seit dem Sturz von Baschar al-Assad fällt der Asylgrund für die...

DWN
Finanzen
Finanzen Ripple-XRP-Prognose 2025: Die aktuelle XRP-Kursentwicklung und was Anleger jetzt wissen sollten
15.01.2025

Der Ripple-Kurs, der lange Zeit von Unsicherheiten geprägt war, zeigt sich auch zu Beginn des Jahres 2025 relativ stabil - und legt...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuern auf Rente: Steuervorteile und Grundfreibetrag - so hoch ist die Besteuerung 2025
15.01.2025

In Deutschland wird die Rente besteuert. Doch seit wann sind Rentner steuerpflichtig? Welcher Rentenfreibetrag gilt aktuell, welche...

DWN
Immobilien
Immobilien Zwangsversteigerungen 2024: Zahl stark gestiegen
15.01.2025

Deutlich mehr Immobilien zwangsversteigert: Die Wirtschaftskrise und steigende Zinsen hinterlassen Spuren, besonders bei Eigentümern. 2024...