Politik

Ukraine: Konflikt zwischen Russland und den USA verschärft sich

Lesezeit: 5 min
08.12.2017 02:05
In der Ukraine-Frage sind die Fronten zwischen den USA und Russland verhärtet. Das Misstrauen ist erheblich, beide Seiten wittern jeweils eine Falle bei den Vorschlägen des Kontrahenten.
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Der Konflikt zwischen Russland und den USA in der Ukraine verschärft sich erneut. Beim OSZE-Treffen in Wien sprachen sowohl der russische Außenminister Sergej Lawrow als auch sein US-Kollege Rex Tillerson von schwerwiegenden Differenzen. Die österreichische Kronen-Zeitung zitiert Lawrow aus einem Gespräch mit Journalisten: "Uns beunruhigen die Versuche, unsere Initiative einer UN-Bewachung der OSZE-Mission auf den Kopf zu stellen." Der US-Sondergesandte für die Ukraine, Kurt Volker, wolle ungeachtet der Fragen eines Sonderstatus für den Donbass, einer Amnestie und der Durchführung von Wahlen in erster Linie eine UN-Verwaltung einführen, sagte Lawrow. "Natürlich könnte unter solchen Bedingungen von keinem Minsker Prozess mehr die Rede sein, da dieser auf einem direkten Verhandlungsprozess basiert", sagte Lawrow.

Man habe die USA zudem aufmerksam gemacht, dass es nicht richtig wäre, die Ukrainer in ihrer Meinung zu bestärken, dass man Verpflichtungen nicht erfüllen müsse und aus dem Minsker Übereinkommen aussteigen könne: "Ukrainische Regierungsmitglieder sprechen auch offen davon, diese Probleme militärisch lösen zu können. Wir haben Washington aufgefordert, solche Provokationen zu unterbinden."

Die Presse aus Wien zitiert Tillerson: Man werde die Annexion der Halbinsel Krim durch Russland niemals als „Fait Accompli“ akzeptieren. „Präsident Trump hat schon im Wahlkampf klargestellt, dass bessere Beziehungen zwischen den USA und Russland wichtig für ihn sind. Es gibt aber ein Thema, das dem im Wege steht: und das ist die Ukraine“, sagte Tillerson. „Wir können unterschiedliche Vorstellungen bei Syrien oder in anderen Bereichen haben. Aber wenn ein Land in einem anderen einmarschiert, dann ist das ein Problem.“ Tillerson sagte demnach, dass der Konflikt in der Ukraine das derzeit größte Hindernis für ein bessere Verhältnis zwischen Washington und Moskau sei.

Die neuen Spannungen entzünden sich an der Rolle einer UN-Friedenstruppe für die Ost-Ukraine.

Im September hatte Russland vorgeschlagen, eine UN-Friedenstruppe in den Osten der Ukraine zu entsenden, berichtet Bloomberg. Die ukrainische Regierung begrüßte diesen Vorschlag. „Wir glauben, dass ein vollumfänglicher Blauhelm-Einsatz sehr dabei helfen würde, zu einer Deeskalation der Lage am Boden beizutragen und eine friedliche Lösung des Konflikts im Donbass zu beginnen”, sagte der außenpolitische Berater des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, Kostjantin Jelisejew, der Nachrichtenagentur Reuters. Allerdings müssten die Blauhelmsoldaten im gesamten besetzten Gebiet einschließlich entlang der bisher unkontrollierten Grenze zu Russland stationiert werden. Außerdem müsse der Einsatz neutral sein. „Das heißt, dass Russland, das Teil des Konfliktes ist, sich nicht an der Friedenstruppe beteiligen darf”, so Jelisejew.

Die Washington Post stufte den russischen Vorschlag als „Falle” ein, in die die US-Regierung tappen könnte – genau wie in Syrien. Das Blatt wörtlich: „Moskaus Plan ist es, seine Invasion und Kontrolle über Teile von zwei östlichen Provinzen zu legitimieren, indem US-Präsident Trump in ein weiteres schlechtes Geschäft gezogen wird. Wladimir Putins Muster ist bekannt. Er benutzt sein Militär, um die Kämpfe am Boden eskalieren zu lassen und nähert sich dann dem Westen mit einem Vorschlag, der als Deeskalation verkauft wird. Der russische Präsident appelliert an den europäischen und amerikanischen Wunsch nach Frieden ohne westliche Intervention und schlägt einen angeblichen Kompromiss vor. Aber in den Details befinden sich in Wirklichkeit Putins Vorschläge, um seine Gegner zu spalten und seine Gewinne zu untermauern”. Putins Vorschlag ziele nicht darauf ab, ernsthaft Friedenstruppen in die Ost-Ukraine zu verlegen, sondern lediglich internationale Truppen zum Schutz der Mitglieder der OSZE-Beobachtermission zum Einsatz zu bringen.

Anders Rasmussen sagte am 5. Dezember 2017 auf dem Berlin Foreign Policy Forum 2017, dass ein Frieden in der Ukraine unter bestimmten Umständen möglich sei. Es handele sich dabei um keinen „kalten”, sondern einen „heißen” Konflikt. Seit 2014 seien mehr als 10.000 Menschen ums Leben gekommen. Ein Frieden könne erreicht werden, wenn eine Friedenstruppe in die Ost-Ukraine entsendet werde. Allerdings müsse diese Friedenstruppe ein starkes Mandat haben, um in der gesamten Ukraine operieren zu können und die ukrainisch-russische Grenze zu „kontrollieren”. Rasmussen schlug vor, dass die Truppe aus etwa 10.000 Soldaten bestehen müsste. „Wir” (der Westen, Anm. d. Red.), so Rasmussen, würden viele Interessen mit Russland teilen, wenn es um Sicherheitspolitik oder Energiepolitik gehe. Allerdings müsse Moskau verstehen, dass eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen davon abhänge, wie das Verhältnis zwischen Moskau und Kiew sei. Das müsse Russland verstehen, meinte Rasmussen.

Konstantin Kosachev, Vorsitzender des Auswärtigen Komitees der Duma, der ebenfalls am Berlin Foreign Policy Forum 2017 teilnahm, antwortete, dass die Entsendung von Friedenstruppen in die Ost-Ukraine unter der Voraussetzung möglich sei, dass alle Konfliktparteien in den Prozess eingebunden werden. Soweit er wisse, würden die beiden ost-ukrainischen Provinzen, die unter der Kontrolle der Rebellen stehen, den Vorschlag von Rasmussen nicht unterstützen. Russland befinde sich in keiner Position, um den beiden östlichen Republiken zu diktieren, wie sie sich zu entscheiden haben. Als Kosachev sagte, dass Russland lediglich einen gewissen Einfluss in der Ost-Ukraine habe, war lautes Gelächter im Publikum zu hören. Kosachev reagierte mit den Worten: „Herzlichen Dank dafür, dass sie Menschen in der Ost-Ukraine als Sklaven Russlands behandeln und sie nicht respektieren. Das sind sie aber nicht. Es sind Menschen.”

Diesbezüglich hat sich Kanada am Dienstag bereit erklärt, eine Friedensmission in der Ost-Ukraine zu unterstützen, berichtet die New York Times. Die kanadische Außenministerin Chrystia Freeland sagte jedoch, dass eine Friedenssicherung nur dann möglich sei, wenn jene Friedenstruppen im Grenzgebiet zwischen der Ukraine und Russland stationiert werden.

Grundsätzlich unüberbrückbar sind die Gegensätze jedoch nicht - zumindest wenn man die Aussagen Tillersons nimmt, die dieser in dieser Woche in Washington im Hinblick auf eine Friedenstruppe gemacht hat. Tillerson sagte:

“Wir engagieren uns seit einiger Zeit (gemeinsam, Anm. d. Red.) mit den Russen. Wie Sie wissen, habe ich US-Sonderbotschafter Volker zu unserem Kontaktmann für die Russen ernannt, um einen Weg aus der ukrainischen Blockade zu finden. Wir haben es uns zur Priorität gemacht, die Gewalt als oberste Priorität zu beenden, und wir denken, dass wir eine Friedenstruppe einsetzen müssen. Russland hat sich lange Zeit einer Friedenstruppe widersetzt, aber sie haben jetzt zugestimmt. Wie Sie betonen, haben sie (die Russen, Anm. d. Red.) den ersten Vorschlag für den Einsatz von Friedenstruppen gemacht. Ich denke, es ist wichtig, dass wir über das Richtige sprechen. Es gibt einen bedeutenden Unterschied zwischen dem eigentlichen Mandat, das eine Friedenstruppe erhalten würde, und dem Umfang ihres Mandats. Das ist es, was wir in unseren Gesprächen mit den Russen bezüglich der Friedenstruppe fortsetzen (...) Wir halten es für äußerst wichtig, die Gewalt in der Ost-Ukraine zu stoppen. Die Menschen sterben immer noch tagtäglich aufgrund der Gewalt. Es ist unser Ziel, den Mord und die Gewalt stoppen. Anschließend haben wir noch viel zu tun, um alle Elemente des Minsker Abkommens anzugehen - mit einbezogen ist die Regierung Kiew, die auch viel tun muss.

Aber dies ist ein fortlaufender Prozess. Die Friedenssicherung und die Beendigung der Gewalt war unser aller erstes Ziel. Was den Dialog mit Russland anbelangt, haben wir während des NATO-Treffens und insbesondere beim Abendessen gestern Abend viel darüber diskutiert, wie wir richtig mit Russland umgehen müssen. Und ich glaube, es besteht ein breiter Konsens unter allen NATO-Mitgliedern, dass es derzeit keine Normalisierung des Dialogs mit Russland gibt. Wenn es einen Grund gibt, sich zu treffen, wenn ein Dialog mit einem erwarteten Ergebnis stattfindet, dann sollten wir uns treffen. Wir unterstützen den Dialog, um Ergebnisse zu erzielen. Aber Dialog zu haben, nur um zu reden und zu versuchen, diese Beziehung zu regulieren oder zu normalisieren, kann erst unternommen werden, wenn einige dieser Aktionen - insbesondere die hybride Kriegsführung in der Ukraine -, die ich angesprochen hatte, von Russland thematisiert werden. Jene Aktionen sind für uns inakzeptabel und unerträglich. Also ich denke, wir unterstützen den Dialog, wenn es ein Ziel gibt, wenn es eine Substanz gibt, wenn es ein Ergebnis gibt, das wir erreichen wollen.”

Gefahr einer Hungersnot

Währenddessen spitzt sich die humanitäre Lage in der Ost-Ukraine zu. Das World Food Programme (WFP) der UN hat am Dienstag für Ende Februar einen Stopp von Nahrungsmittel-Lieferungen in die Ost-Ukraine verkündet, berichtet der englischsprachige Dienst von Reuters. Dem WFP zufolge sollen die finanziellen Mittel für das Programm in der Ost-Ukraine fehlen. Bis Mitte 2018 soll das WFP nur noch begrenzt in dem Konflikt-Gebiet vertreten sein.

Im vergangenen Jahr forderte die UN 200 Millionen Dollar für die Ost-Ukraine. Bisher konnten lediglich 30 Prozent der erforderlichen Summe von den Geberländern der UN gesammelt werden. „Dass wir im Verhältnis zu dieser Krise so wenig bekommen, beeinträchtigt unsere Kapazität”, zitiert Voice of America den UN-Vertreter in der Ukraine, Neal Walker. Am Montag hatte die UN einen Appell an alle UN-Mitglieder gerichtet, wonach für das Jahr 2018 etwa 187 Millionen Dollar für die Versorgung der Menschen in der Ost-Ukraine benötigt werden. Unter den derzeitigen Bedingungen droht den Menschen in der Ost-Ukraine eine Hungersnot.

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