Finanzen

Gegen deutsche Kritik: Draghi will Anleihen-Aufkauf ausweiten

Lesezeit: 2 min
14.12.2017 14:04
Die EZB hat mitgeteilt, dass sie die Geldpolitik möglicherweise noch expansiver gestalten will als bisher.
Gegen deutsche Kritik: Draghi will Anleihen-Aufkauf ausweiten

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf ihrer Ratssitzung in Frankfurt erwartungsgemäß den Leitzins nicht verändert. Der Schlüsselsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld bleibe bei 0,0 Prozent, teilten die Euro-Wächter am Donnerstag mit. Seit März 2016 liegt er bereits auf diesem Rekordtief. Auch den Strafzins für Banken, wenn diese über Nacht überschüssige Liquidität bei der EZB parken, tastete die Notenbank nicht an. Der sogenannte Einlagensatz liegt weiter bei minus 0,4 Prozent.

Die EZB bekräftigte zudem, dass die umstrittenen Anleihekäufe ab Januar auf 30 Milliarden Euro pro Monat halbiert, dafür aber bis mindestens Ende September 2018 fortgesetzt werden. Das Gesamtprogramm ist damit inzwischen auf 2,55 Billionen Euro angelegt. Die EZB hielt auch an der Option fest, im Notfall das Kaufprogramm hinsichtlich Umfang und/oder Dauer auszuweiten. Einen konkreten Endpunkt für die Transaktionen nannte die Notenbank nicht.

Der Preisdruck im Euro-Raum sei weiterhin verhalten, sagte Draghi. „Ein großes Ausmaß an geldpolitischer Hilfe ist daher weiterhin notwendig.“ Unterstützung für diese Position erhielt der Italiener von den hauseigenen Volkswirten. Diese sagten für 2020 lediglich eine Teuerung von 1,7 Prozent voraus. Damit würde die EZB auch in drei Jahren noch ihr Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent verfehlen.

Die Unterstützung der Italiener für eine Weiterführung der Anleihekäufe ist logisch. Der Hauptgrund des Programms besteht nämlich darin, die Finanzierungszinsen überschuldeter Eurostaaten wie Italien an den globalen Kapitalmärkten zu senken. Indem die EZB als potentieller Helfer und Käufer der Schuldscheine mit praktisch unbegrenzter Liquidität in Erscheinung tritt, werden die Renditeforderungen der Geldgeber an den Anleihemärkten – die sich am Ausfallrisiko des Landes orientieren – gedrückt und die Regierungen der betroffenen Staaten können sich günstiger verschulden. Fällt diese Unterstützung durch die EZB weg, könnte der Ausbruch einer neuen Schuldenkrise in Europa das Ergebnis sein. Bereits mehrfach hatten Spekulationen über das Ende des Programms in der jüngsten Vergangenheit zu Verwerfungen an den Anleihemärkten geführt.

Zuletzt ist die Notenbank wegen der gestiegenen Inflation und der guten Wirtschaftslage aber zunehmend unter Druck geraten, von ihrer lockeren Geldpolitik abzurücken. Die US-Notenbank Federal Reserve hob den Leitzins am Mittwoch zum dritten Mal in diesem Jahr leicht um 0,25 Prozentpunkte an. Er bewegt sich damit zwischen 1,25 und 1,5 Prozent.

Aus Deutschland kamen abermals kritische Stimmen: „Die extrem expansive Kombination von Nullzinsen und Anleihekäufen ist eine Notfallmaßnahme, für welche die Rechtfertigung abhandengekommen ist“, sagte Friedrich Heinemann vom Wirtschaftsinstitut ZEW. Ähnlich äußerte sich auch der Chefvolkswirt der Landesbank LBBW, Uwe Burkert: „Es könnte gut sein, dass es in der Ära Draghi überhaupt keine Zinserhöhung geben wird.“ Draghis Amtszeit endet im Herbst 2019.

Deutlich positiver äußerte sich der EZB-Chef zur Konjunktur im Euro-Raum. Die neusten Informationen, einschließlich der Prognosen der hauseigenen Experten, deuteten auf eine starke wirtschaftliche Expansion und eine erhebliche Verbesserung der Aussichten hin.

Der Einkaufsmanager-Index für die Privatwirtschaft legte zuletzt zum Beispiel auf den höchsten Stand seit fast sieben Jahren zu. Für Deutschland ist die Geldpolitik den meisten Experten zufolge viel zu lasch, denn die hiesige Wirtschaft steht immer mehr unter Volldampf. So sind nach Einschätzung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft die Kapazitäten überdurchschnittlich ausgelastet - am Arbeitsmarkt zeichneten sich zudem immer deutlicher Knappheiten ab.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Eine Welt ohne Europa?
04.05.2024

Der Krieg in der Ukraine und die Spannungen im Nahen Osten gefährden die Zukunftsfähigkeit der EU. Nun steht sie an einem Scheideweg:...

DWN
Finanzen
Finanzen Platzt die ETF-Blase – was dafür, was dagegen spricht
04.05.2024

Kaum eine Investmentform konnte in den zurückliegenden Jahren die Gunst der Anleger derart erlangen wie dies bei Exchange Traded Funds,...

DWN
Immobilien
Immobilien Streikwelle auf Baustellen droht: Gewerkschaft kündigt Massenstreiks an
04.05.2024

Die Bauindustrie steht vor Massenstreiks: Gewerkschaft kündigt flächendeckende Arbeitsniederlegungen mit rund 930.000 Beschäftigten an.

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Chinas Einfluss in Südostasien: Herausforderung für deutsche Firmen
04.05.2024

Deutsche Unternehmen suchen verstärkt nach Alternativen zum chinesischen Markt und richten ihr Augenmerk auf die aufstrebenden...

DWN
Technologie
Technologie CO2-Speicherung: Vom Nischenthema zum Wachstumsmarkt
04.05.2024

Anreize durch die Politik, eine neue Infrastruktur und sinkende Kosten: CO2-Speicherung entwickelt sich zusehends vom regionalen...

DWN
Politik
Politik Wahljahr-Turbulenzen: Biden im Kreuzfeuer der Gaza-Proteste
04.05.2024

Seit Monaten sind bei fast jedem öffentlichen Auftritt von Präsident Joe Biden propalästinensische Demonstrationen zu sehen, die sich im...

DWN
Politik
Politik Mindestlohn: Neues Streitthema köchelt seit dem Tag der Arbeit
04.05.2024

Im Oktober 2022 wurde das gesetzliche Lohn-Minimum auf zwölf Euro die Stunde erhöht. Seit Jahresanfang liegt es bei 12,41 Euro, die von...

DWN
Technologie
Technologie Deutsches Start-up startet erfolgreich Rakete
04.05.2024

Ein deutsches Start-up hat eine Rakete von zwölf Metern Länge entwickelt, die kürzlich in Australien getestet wurde. Seit Jahrzehnten...