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Die berufliche Ausbildung hat in Deutschland an Bedeutung verloren: Während Betriebe im vergangenen Jahr weniger Ausbildungsplätze als noch vor zehn Jahren anboten, ging zugleich die Zahl der Bewerber zurück, wie eine am Montag von der Bertelsmann-Stiftung veröffentlichte Studie ergab. Insgesamt verbesserte sich die Situation für Interessenten – doch die Chancen auf eine Stelle sind von der Region und vom Schulabschluss abhängig.
Im Jahr 2016 boten die Betriebe laut dem vom Soziologischen Forschungsinstitut und der Abteilung Wirtschaftspädagogik der Universität Göttingen erstellten „Ländermonitor berufliche Bildung“ gut 80.000 weniger duale Ausbildungsplätze an als noch 2007. Die Zahl der Bewerber ging demnach in diesem Zeitraum sogar um 155.000 zurück.
Vor allem in Ostdeutschland wird weniger ausgebildet. In den ostdeutschen Flächenländern ging laut der Untersuchung die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze um knapp 40 Prozent zurück, die Bewerberzahl sank sogar um 46 Prozent.
Die Situation für junge Menschen verbesserte sich bundesweit zumindest rechnerisch: Während es im Jahr 2007 je hundert Bewerber nur 85 Ausbildungsplätze gab, waren es im vergangenen Jahr 94. Doch die Chancen sind in den Bundesländern sehr unterschiedlich: Während in Bayern hundert Bewerbern 104 Ausbildungsplätze gegenüberstehen, sind es in Schleswig-Holstein 88.
Insgesamt fanden im Jahr 2016 Betriebe für 43.000 Ausbildungsplätze keine passenden Bewerber. Damit blieben knapp acht Prozent aller Stellen unbesetzt. Trotz der zahlreichen offenen Stellen bekamen zugleich bundesweit 80.000 Bewerber keinen Ausbildungsplatz.
Schwierig ist die Situation vor allem für Hauptschüler. Im Jahr 2015 konnte nur die Hälfte (49 Prozent) der Schulabgänger mit Hauptschulabschluss oder ohne Abschluss eine Ausbildung aufnehmen. „Wer Abitur macht, hat einen Studienplatz praktisch sicher – wer einen Haupt- oder mittleren Schulabschluss hat, geht dagegen auf dem Ausbildungsmarkt häufig leer aus“, erklärte der Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, Jörg Dräger.
Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack kritisierte, viele Betriebe schotteten sich ab gegen Hauptschüler. Die Betriebe müssten sich Jugendlichen mit Hauptschulabschluss wieder öffnen. Mit den ausbildungsbegleitenden Hilfen und der assistierten Ausbildung biete der Staat die nötige Unterstützung an. „Es gibt keine Ausreden mehr für mangelnde Ausbildungsbereitschaft.“ In Regionen, wo die Lage besonders dramatisch sei, müsse der Staat zudem auch außerbetriebliche Plätze anbieten.
Auch Jugendliche ohne deutschen Pass bekommen laut der Bertelsmann-Studie seltener Ausbildungsplätze als ihre deutschen Altersgenossen. Während nur ein Viertel der deutschen Ausbildungsanfänger in eine Maßnahme des Übergangssystems wechselt, ist es unter den Jugendlichen ohne deutschen Pass mehr als die Hälfte.
Besonders ausgeprägt sind die Unterschiede zwischen Deutschen und Ausländern in Schleswig-Holstein, Sachsen und Bayern. Die im Jahr 2015 nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge wurden bei der Untersuchung noch nicht berücksichtigt.
Stiftungsvorstand Dräger hob die Bedeutung der beruflichen Ausbildung hervor und forderte mehr Anstrengungen, diese attraktiver zu machen. „Die duale Ausbildung ist zentral für Deutschland, steht aber im Wettbewerb mit den Hochschulen unter Druck“, erklärte Dräger. Deshalb sollten die Ausbildungsbedingungen attraktiver sowie Aufstiegs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten für beruflich Qualifizierte bekannter gemacht werden.