Bei der Regionalwahl in Katalonien können die Separatisten darauf hoffen, ihre absolute Mehrheit im Parlament in Barcelona zu verteidigen. Die Parteien könnten 70 der insgesamt 135 Abgeordneten stellen, wie am Donnerstagabend aus offiziellen Zahlen nach Auszählung von 76 Prozent der Stimmen hervorging. Dies wäre ein schwerer Rückschlag für den spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy. Er hatte gehofft, dass die Separatisten aus der Neuwahl geschwächt hervorgehen und der Konflikt mit der wohlhabenden Region entschärft wird.
Das Wahlergebnis dürfte jedoch zu schwierigen Koalitionsverhandlungen führen. Die drei Parteien, die in für die Unabhängigkeit sind, haben unterschiedliche Ansätze. Die Junts per Catalunya von Carles Puigdemont wurde stärkste Separatisten-Partei und will die Unabhängigkeit mit einem taktischen Kurs durchsetzen. Die CUP will einen radikale Abspaltung. Die Esquerra Republicana (ERC) will die Unabhängigkeit behutsam erreichen.
Die Spanien-Befürworter von Ciudadanos unter Inés Arrimadas wurden die stärkste Partei, haben jedoch keine Chance auf den Regierungschef. Der Grund: Das katalonische Wahlrecht, das zu verändern sich die Separatisten seit langem weigern, ermöglicht eine exotische Situation: Obwohl die Separatisten nur auf 48 Prozent der Stimmen kommen, erhalten sie die Mehrheit der Abgeordneten. Stimmen aus ländlichen Regionen werden in Katalonien stärker gewichtet. Dort haben die Separatisten ihre Hochburgen, während in Kataloniens
großen Städten die pro-spanischen Parteien siegten.
Für Rajoy ist die Wahl ein Debakel, weil seine konservative Volkspartei PP nur auf dem siebten Platz landete und nur drei Abgeordnete in das Parlament entsenden kann.
Puigdemont hat das Ergebnis der Regionalwahl in Katalonien als "Ohrfeige" für Spaniens Zentralregierung bezeichnet. Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy habe "das Plebiszit, das er selbst gesucht hat, verloren", sagte Puigdemont in der Nacht zu Freitag vor Anhängern in Brüssel. Die absolute Mehrheit für die Unabhängigkeitsbefürworter sei "ein Ergebnis, das niemand bestreiten kann", sagte er. "Wir haben das Recht, angehört zu werden."
Die Zentralregierung in Madrid hatte in einem für Spaniens Demokratie beispiellosen Schritt die separatistische Regierung Ende Oktober entmachtet und Neuwahlen angesetzt. Der abgesetzte Regierungschef Carles Puigdemont flüchtete nach Belgien. Den Teilergebnissen zufolge dürfte seine Partei Junts per Catalunya das Lager der Separatisten anführen. Sie kommt demnach auf 34 Sitze im Parlament. Bei einer Rückkehr nach Spanien würde Puigdemont allerdings wohl festgenommen.
Er hatte die Unabhängigkeit der Region ausgerufen und damit das Eingreifen der Zentralregierung ausgelöst. Bereits das Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober war von der spanischen Justiz als illegal kassiert worden. Die Verfassung Spaniens von 1978 sieht eine Abspaltung einer Region nicht vor.
Zuletzt hat es vonseiten der Unabhängigkeitsbefürworter Signale der Entspannung gegeben. Rajoy hoffte daher auf eine Rückkehr der Region zur Normalität. Ein Sieg der Separatisten könnte dagegen mehr Zweifel an seiner Krisenpolitik aufkommen lassen.
Zur Wahl aufgerufen waren etwa 5,5 Millionen Katalanen. Davon machten 83 Prozent von ihrem Recht Gebrauch, was ein Rekordwert ist.
Puigdemont äußerte sich aus dem Exil heraus kämpferisch: "Heute demonstrieren wir erneut die Kraft eines unbeugsamen Volkes. Auf dass uns der Geist des 1. Oktober stets leiten möge", twitterte er. Da ihm in Spanien die Verhaftung als Aufrührer droht, konnte er seine Stimme nicht persönlich abgeben. Stattdessen machte eine mit Vollmacht ausgestattete 18-jährige Katalanin in einem Wahllokal nahe Barcelona das Kreuz für ihn.
An den Märkten wurde die Abstimmung mit Spannung verfolgt: "Die Wahl in Katalonien ist das letzte große Ereignis für die Börsianer in diesem Jahr", sagte Fondsmanager Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. Ein starkes Ergebnis der Unabhängigkeitsbewegung könne noch einmal für Verunsicherung an den Märkten sorgen.