Ein Neurologe hat in den Niederlanden zwischen 1998 und 2003 fatale Diagnosen an seine Patienten gestellt. Ihm wird vorgeworfen, dass dadurch insgesamt neun seiner Patienten ums Leben kamen. Einer von ihnen nahm sich sogar das Leben, nachdem ihm fälschlicher Weise Alzheimer diagnostiziert wurde - und der Mann der Diagnose Glauben schenkte.
Auf Druck der Krankenhausleitung in den Niederlanden hat der Arzt schließlich im Jahr 2006 seine Lizenz freiwillig niedergelegt, wodurch sein Eintrag aus der Liste der registrierten Ärzte gelöscht wurde. Nun kam heraus, dass der Mediziner in einem SLK-Krankenhaus in Heilbronn bis jetzt weiterhin praktiziert hat. Ganz legal, mit gültiger deutscher Approbation.
Die Neurologie am Klinikum in Heilbronn teilte jedoch mit, dass während dieser Zeit keine Patienten zu Schaden gekommen seien. Die zu dieser Entscheidung notwendigen Prüfgutachten will. Thomas Jendges von der Heilbronner Krankenhaus-Gesellschaft allerdings rechtlich erstreiten. Hierbei handelt es sich einem Bericht der Heilbronner Stimme zufolge um einen Betrag von 100.000 Euro, der dem niederländischen Skandal-Arzt Dr. J.S. zu Lasten gelegt wird.
Der Beschuldigte will seinerseits die ausgesprochene Kündigung durch die Heilbronner Klinik anfechten. Allerdings hatte er seine Tätigkeit in Heilbronn zunächst freiwillig niedergelegt, woraufhin ihm die Personalabteilung der Klinik die Kündigung aussprach. Die Fronten sind verhärtet. Zu einer außergerichtlichen Einigung werde es vermutlich nicht kommen, heißt es aus Kreisen der Klinikgesellschaft.
Eine weitere Klage erhebt die Klinik gegen die Arbeitsagentur, die den beschuldigten Mediziner nach Heilbronn vermittelt hat. Durch weitreichende Haftungsausschlüsse in den AGBs der Agentur sei ein Rechtsanspruch nahezu ausgeschlossen. „Daher werden wir angesichts des Prozesskostenrisikos auf juristische Schritte verzichten“, heißt es in einer SLK-Erklärung.
Die medizinischen Behörden sind derzeit noch nicht dazu verpflichtet, Informationen über das Personal EU-weit untereinander auszutauschen. Das hat zur Folge, dass Mediziner, genau wie alle anderen Arbeitskräfte auch, in allen Ländern der EU arbeiten dürfen. Voraussetzung ist die Erteilung einer gültigen Arbeitserlaubnis in dem jeweiligen Land.
Die Personalabteilung in der Heilbronner Klinik musste sich umständlich bei dem früheren niederländischen Arbeitgeber über die medizinischen Fähigkeiten des betreffenden Arztes informieren. Sprachbarrieren und unterschiedliche Organisationsstrukturen erschweren den Informationsfluss: meist scheitert es daran, den oder die Zuständigen ans Telefon zu bekommen, berichtet der EU Observer.
Die EU-Kommission will nun ein proaktives Warnsystem einführen. In Zukunft sollen die Kliniken dazu verpflichtet werden, Fehlbehandlungen und Fehldiagnosen an eine zentrale Stelle zu melden, wenn die Mediziner dadurch ihre Lizenz verloren haben. Innerhalb von 48 Stunden können die Personalabteilungen der EU-Kliniken durch das Interne Markt Informations System (IMI) diese Informationen abrufen.
Der Vorschlag der EU soll von Kommission und Parlament im Juli bestätigt werden. Dann muss die Initiative jedoch noch in nationales Recht umgesetzt werden. Bis es so weit ist, müssen aber noch einige Fragen geklärt werden: Während Dänemark, Großbritannien und Irland auf mehr Transparenz pochen, verweisen Deutschland, Frankreich und Polen auf datenschutzrechtliche Probleme.
Fehlbehandlungen, die nicht zum Verlust der Arbeitserlaubnis führen, sollen weiterhin von der Meldepflicht befreit bleiben. Im vergangenen Jahr zogen 43.919 Ärzte innerhalb Europas in ein anderes Mitgliedsland, um dort zu praktizieren. Damit gehören die Mediziner zu der zweitgrößten, migrierenden Berufsgruppe in Europa.