Deutschland

Mittelstand: US-Recht ist größtes Risiko im Handel mit Iran

Lesezeit: 3 min
14.01.2018 20:13
Der TRACOE medical GmbH zufolge sind US-Sanktionen das größte Risiko für den Handel mit dem Iran. Allein aufgrund seiner Einwohnerzahl ein spannender Markt.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

+++Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die TRACOE medical GmbH ist eine wichtige Größe des deutschen Mittelstands. Wie wurde der Handel Ihres Unternehmens mit dem Iran bisher durch die Sanktionen und Restriktionen beeinflusst?

Marcus Keidl: Unser Handel mit dem Iran wurde bisher zum Glück noch durch keine Sanktionen behindert. Allerdings kam es vor Kurzem zu einer sechsmonatigen Verzögerung beim Versand einer Bestellung über 300.000 Euro, weil wir lange keine deutsche Bank finden konnten, die Geld aus dem Iran annimmt. Sie verweigern es, weil Geschäfte mit dem Iran das Risiko bergen, mit amerikanischen Behörden in Konflikt zu geraten. Wir haben nach langem Suchen die Europäisch-Iranische Handelsbank als Partner für unsere Geschäfte mit dem Iran finden können. Dennoch bleibt ein gewisses mulmiges Gefühl bestehen, dass Entscheidungen der U.S.-Justiz doch noch zu Restriktionen beziehungsweise Sanktionen führen könnten.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie wichtig ist der iranische Markt für die TRACOE medical GmbH und den deutschen Mittelstand?

Marcus Keidl: Allein aufgrund seiner Einwohnerzahl von über 80 Millionen Menschen ist der Iran ein sehr spannender Markt und Handelspartner für TRACOE und den deutschen Mittelstand. Das Land hat eine wachsende Mittelschicht und die Einwohner einen durchschnittlich sehr hohen Bildungsgrad, auch dadurch wird es zum interessanten Handelsplatz. Diverse Branchen – darunter auch die Medizintechnik – lassen allerdings einen enormen Nachholbedarf verspüren. Zwar genießen iranische Ärzte eine sehr gute Ausbildung und sind in ihrem Handwerk überaus kompetent, jedoch fehlt ihnen oftmals der Zugang zu innovativen medizintechnischen Lösungen. An dieser Stelle möchten wir ansetzen und unsere Produkte mit der Marke „Made in Germany“ optimal positionieren.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie hoch ist der prozentuale Anteil Ihrer Exporte in den Iran an den Gesamtexporten der TRACOE medical GmbH?

Marcus Keidl: Der Umsatzanteil an den Gesamtexporten hat in den letzten Jahren zwischen 1-3 Prozent betragen. Da gibt es durchaus noch Luft nach oben.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Der Handel zwischen dem Iran und Deutschland ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Welche Risiken gibt es, die diese Entwicklung umkehren könnten?

Marcus Keidl: Ein Risiko bleiben Entscheidungen U.S.-amerikanischer Behörden und der Justiz bezüglich des Handels und der Geldgeschäfte zwischen westlichen Ländern und dem Iran. Das vergangene Jahr nach der U.S.-Wahl hat zudem gezeigt, dass die Regierung dazu tendiert, die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Nahen Osten weiter einzuschränken. Wir blicken ganz klar mit Sorge auf diese Entwicklung, denn bereits kleine Änderungen können die Stabilität und damit auch die wirtschaftliche Entwicklung des Irans negativ beeinflussen. Sollte sich die Situation nach der Steuerreform und der Verlegung der U.S.-Botschaft nach Jerusalem weiter verschärfen, wird das auch Auswirkungen auf Deutschland und unseren Handel mit dem Iran haben.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Gibt es Zusicherungen seitens der Politik (Bundesregierung, Landesregierung), damit Ihr Unternehmen künftig problemlos Handel mit dem Iran treiben kann?

Marcus Keidl: Nein und ich glaube es wäre auch eine unrealistische Erwartung so eine Zusicherung zu erwarten. Die Bundes- beziehungsweise Landesregierung hat meines Erachtens aktuell nach auch nur geringe Möglichkeiten Einfluss zu nehmen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was würde es bedeuten, wenn der iranische Markt für die TRACOE medical GmbH komplett oder größtenteils wegfällt? (Arbeitsplätze, Steuerverluste für den Staat, existenzielle Bedrohung für das Unternehmen)

Marcus Keidl: Auf Grund des noch niedrigen Umsatzanteils hält sich das Risiko für unser Unternehmen in Grenzen. Zu Bedauern wäre es natürlich dennoch, da unser Vertriebsteam gemeinsam mit unserem iranischen Partner hier viel Zeit und Engagement investiert hat, die dann nicht belohnt werden würde.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Hat die TRACOE medical GmbH bisher Einbußen aufgrund der Russland-Sanktionen erlitten?

Marcus Keidl: Nein. Die Sanktionen gegen Russland und die Ukraine betreffen militärische Güter, dual-use Güter, Lebensmittel und den Kapitalverkehr. Medizinische Produkte sind davon nicht betroffen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie wichtig ist der russische Markt für Ihr Unternehmen?

Marcus Keidl: Auch Russland ist für uns allein aufgrund seiner Landesgröße und seiner Einwohnerzahl von 144,3 Millionen ein spannender und wichtiger Markt. Seit etwa einem Jahr haben wir wieder den Fokus auf Russland gerichtet und haben unter anderem einen neuen Vertriebspartner in St. Petersburg für uns gewinnen können. Weiterhin suchen wir aktuell noch Vertriebspartner in anderen Regionen Russlands.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welche wirtschaftliche Bedeutung kommt der TRACOE medical GmbH in Rheinland-Pfalz und der Region zu?

Marcus Keidl: Die familiengeführte TRACOE medical GmbH hat sich seit ihrer Gründung 1972 – damals noch als TRACOE Gesellschaft für medizinische Bedarfsgegenstände mbH – zu einem der führenden Entwickler und Hersteller von Tracheostomiekanülen und Hilfsmitteln zur Beatmung von Patienten mit Luftröhrenschnitt und Kehlkopf-Operationen entwickelt. Mittlerweile exportieren wir unsere Produkte für den Klinik- wie auch für den HomeCare-Bereich in etwa 90 Länder weltweit. Mit 172 Mitarbeitern zählt die TRACOE medical GmbH zu den größten Arbeitgebern der Region Rheinhessen, mit welcher sich das Unternehmen eng verbunden fühlt. Seit der Übernahme von MC Europe unterhält TRACOE ein Tochterunternehmen in den Niederlanden, das im Bereich Beatmung mit nahezu allen Krankenhäusern in Benelux zusammenarbeitet.

Die internationale Ausweitung wurde vor zwei Jahren mit der Akquisition der KAPITEX Healthcare Ltd. als Schwestergesellschaft in Nordengland weitergeführt. Was 1958 mit Rudolf Köhlers Erfindung und Entwicklung der transparenten, flexiblen PVC-Tracheostomiekanüle TRACOE comfort begann, entwickelte sich bis heute zu einem weltweit anerkannten Hersteller für hochqualitative Medizinprodukte mit 14 Patenten und einem Zentralstandort inklusive Verwaltung, Research und Development auf mehr als 6.000 qm Fläche in Nieder-Olm. TRACOE trägt deshalb wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung des Bundeslands Rheinland-Pfalz bei.

***

Marcus Keidl gehört seit dem 1. Juli 2017 der Geschäftsleitung an. Zuvor war er Kaufmännischer Leiter. Der Diplom-Betriebswirt und Experte für Finanzen, ist seit Juni 2007 im Unternehmen.

Vor TRACOE war Keidl bei unterschiedlichen Unternehmen im Controlling tätig, zuletzt bei Elster Messtechnik (Lampertheim) und beim Automatisierungs- und Technologiehersteller Pepperl+Fuchs (Mannheim). Marcus Keidl ist verheiratet und hat zwei Kinder.


Mehr zum Thema:  

 

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...