Lesezeit: 3 min
06.02.2018 09:41
Der deutsche Aktienmarkt ist mit deutlichen Verlusten in den Handelstag gestartet.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der Crash an der Wall Street reißt auch die europäischen Börsen nach unten. Dax und EuroStoxx50 rutschten am Dienstag um jeweils rund 2,5 Prozent auf 12.373 und 3386 Punkte ab, zeitweise waren es noch deutlich mehr. „Viele Anleger sind in Panik verfallen. Alle wollen durch die gleiche Tür“, sagte Fondsmanager Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. Das „Angstbarometer“ VStoxx, das die Nervosität der Anleger in Europa misst, schoss um 71 Prozent nach oben und notierte so hoch wie noch nie. An der New Yorker Börse zeichneten sich erneut Kursverluste ab.

„Wenn der Abverkauf in den USA weitergeht, wird sich die Lage hier nicht beruhigen“, warnte Marktanalyst Heino Ruland vom Analysehaus Ruland Research. Auslöser des Kurssturzes ist die Sorge von Investoren, dass die Zeiten des billigen Geldes demnächst vorbei sein könnten und dass die US-Leitzinsen schneller steigen als bisher erwartet. Denn in den USA brummt die Wirtschaft, am Arbeitsmarkt läuft es rund, und die Löhne stiegen im Januar so stark an wie seit Mitte 2009 nicht mehr. Anleger schichten deshalb Geld tendenziell von Aktien in Anleihen um, da diese künftig wieder mehr Rendite abwerfen dürften.

Die Frage sei nun, ob der Kurssturz der Beginn einer größeren Korrektur sei oder nur ein temporäres Stimmungstief, sagte Marktanalyst Neil Wilson vom Brokerhaus ETX Capital. „Wenn Anleger auf das Gewinnwachstum und die Grundlagen der Weltwirtschaft schauen, gibt es Grund zum Optimismus. Wenn so eine Flucht aber erst einmal eingesetzt hat, ist sie nur schwer zu stoppen.“ Die Deutsche Bank empfahl Anlegern, die Füße still zu halten. „Ich gehe zwar davon aus, dass die wichtigsten Aktienindizes am Jahresende höher stehen werden als heute“, so Chef-Anlagestratege Ulrich Stephan. „Die Schwankungsbreite dürfte jedoch hoch bleiben. Anleger sollten deshalb über eine Risikoreduktion in ihrem Portfolio nachdenken.“

Der Regierung in Griechenland machte der Kursrutsch bereits einen Strich durch die Rechnung. Sie verschob die Pläne für eine siebenjährige Staatsanleihe, wie die Thomson-Reuters-Tochter IFR aus Bankenkreisen erfuhr. Dagegen hofft die Münchener Rück, aus den fallenden Kursen Kapital schlagen zu können. Der weltgrößte Rückversicherer werde das möglicherweise nutzen, um die Aktienquote zu erhöhen, sagte Finanzvorstand Jörg Schneider

Der US-Leitindex Dow Jones war am Montag um 4,6 Prozent auf 24.346 Punkte eingebrochen. Beim S&P 500 löste sich innerhalb eines Tages eine Marktkapitalisierung von einer Billion Dollar in Luft auf. Das ist mehr als Deutschland in einem Quartal erwirtschaftet. Der Dax rutschte in der Spitze um 3,6 Prozent ab, es war das größte Minus seit eineinhalb Jahren. Auch in Asien gingen die Börsen in die Knie. Japans Notenbankchef Haruhiko Kuroda versuchte Investoren zu beruhigen und betonte, eine baldige Zinserhöhung sei ausgeschlossen.

„Viele Anleger, die erst seit drei, vier Jahren an den Märkten sind, haben so etwas noch nie gesehen“, sagte Dennis Dick vom Wertpapierhändler Bright Trading in Las Vegas. Die Stimmung habe gedreht. „Es wird einige Zeit dauern, bis sich das wieder beruhigt.“ Mit einer Korrektur haben viele Experten zwar schon länger gerechnet. Allerdings waren Anleger zuletzt von den geringen Schwankungen an den Aktienmärkten verwöhnt gewesen. „Wir haben in den vergangenen 14 oder 15 Monaten keine größeren Kurseinbrüche gesehen, deshalb tut es jetzt umso mehr weh“, so Portfoliomanager Paul Nolte vom Vermögensverwalter Kingsview Asset Management. Seit Anfang 2009 ging es mit dem Dow Jones fast nur nach oben, bis auf 26.616 Punkte Ende Januar. Der Dax gewann 2017 mehr als zwölf Prozent.

Aber nicht alle Analysten erwarten eine länger anhaltende Korrektur. Viele Anleger hätten im Zuge des Aufwärtstrends bis Ende Januar untätig an der Seitenlinie gestanden, erläuterte NordLB-Analyst Tobias Basse. „Sie könnten nun im Rahmen des Winterschlussverkaufs an den Börsen bei deutlich reduzierten Preisen zu Käufen neigen.“ Gegen ein Krisenszenario spreche auch, dass der Goldpreis bisher nicht von der Aktienschwäche profitiert habe. Das Edelmetall notierte am Dienstag kaum verändert bei rund 1334 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm).

Für demnächst wieder steigende Kurse spreche, dass die laufende Bilanzsaison der Unternehmen bisher insgesamt überzeugt habe und die US-Konjunktur sowie die Wirtschaft der Euro-Zone keine Schwächen zeigten, sagte Milan Cutkovic vom Handelshaus AxiTrader. „Es gibt jede Menge Gründe dafür, dass dies nicht das Ende des Bullenmarktes ist.“ Auch Deutsche-Bank-Experte Stephan hielt an seinen Börsenprognosen fest: Den Dax sieht er Ende 2018 bei 14.100 Zählern.


Mehr zum Thema:  

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...