Politik

Kampf um Quellwasser: US-Kleinstadt stellt sich gegen Nestlé

In der US-Kleinstadt Osceola regt sich Widerstand gegen den Nahrungsmittelkonzern Nestlé, weil dieser das Grundwasser der Gemeinde anzapft.
18.02.2018 19:28
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

In der winzigen US-Gemeinde Osceola Township ist ein Kampf ums Quellwasser entbrannt: Viele Einwohner machen den Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé für Umweltschäden verantwortlich und stemmen sich gegen Pläne des Unternehmens, mehr Wasser aus der örtlichen Quelle zu zapfen.

Die pensionierte Lehrerin Maryann Borden lebt seit 1953 in dem Dorf im Westen des US-Bundesstaats Michigan und hat auf Fotos die Veränderungen im Twin Creek River dokumentiert, seit Nestlé in den frühen 2000er Jahren mit der Entnahme von Wasser für seine Marke „Ice Mountain“ begann. „Es ist nicht mehr derselbe Bach“, sagt die 73-Jährige. „Er ist enger und tiefer und deshalb wärmer“ - verglichen mit dem „beißend kalten“ Wasser ihrer Jugend.

Konkret geht es um eine Pumpverstärkerstation, die Nestlé in dem 900-Einwohner-Ort etwa vier Stunden nördlich von Detroit bauen will. Sollte die Umweltbehörde von Michigan grünes Licht geben, könnte das Unternehmen damit künftig gut 1500 Liter Wasser pro Minute fördern – statt knapp 950 Liter wie bisher. Im Januar legte der Gemeinderat Berufung gegen die Entscheidung eines Bezirksgerichts ein, das für Nestlé entschieden hatte. „Sie müssen kein Geologe oder Hydrologe sein, um diese Wasserstände zu sehen: Die Grundwasserspiegel sind heute niedriger als vor zwei Jahren“, warnt Ortsvorsteher Tim Ladd.

Nestlé will davon nichts wissen: „Es gibt keine messbaren Veränderungen an den Bächen und dem Leben im Gewässer“, betont Arlene Anderson-Vincent, Managerin für natürliche Ressourcen bei Nestlé Waters North America. Vielmehr würden nahe gelegene Dämme „diese Bäche beeinflussen“. Der Lebensmittelriese verweist auf eigene Untersuchungen, die diese Haltung untermauern - unabhängige Studien gibt es nicht.

Viele Bürger der Gemeinde, die 2016 mehrheitlich für Präsident Donald Trump votierte, fühlen sich ausgebeutet und werfen dem mächtigen Konzern Profitgier vor: Für die Förderung von fast 500 Millionen Liter Wasser jährlich bezahlt Nestlé lediglich 200 Dollar (162 Euro) pro Jahr an den Staat Michigan. Andere US-Staaten haben ähnliche Vereinbarungen mit multinationalen Unternehmen: Solange Coca-Cola oder PepsiCo selbst für die Infrastruktur aufkommen, können sie für ein Almosen unbegrenzte Mengen Wasser fördern.

„Nestlé ist weltweit bekannt dafür, in arme ländliche Gemeinden zu gehen, alle möglichen wirtschaftlichen Vorteile zu versprechen, aus denen dann nichts wird, so viel Wasser zu entnehmen, wie sie kriegen können, und dann zu verschwinden, wenn die Quellen versiegen“, sagt die Vorsitzende der Bürgervereinigung für Wasserschutz in Michigan, Peggy Case.

Nach eigenen Angaben gibt Nestlé in Michigan jährlich 18 Millionen Dollar aus, davon 2,4 Millionen Dollar Steuern 2016. In seinem Werk im Bezirk Mecosta sind 280 Leute beschäftigt, 50 davon wohnen im 40 Minuten entfernten Osceola Township. Der Ortsvorsteher der Gemeinde Evart, Zackary Szakacs, lobt den Konzern für die niedrigen Leitungswasserkosten der Region: „Sie tragen dazu bei, unsere Wasserpreise für die ärmeren Bewohner niedrig zu halten.“ Nachdem 2015 in einigen Quellen die Chemikalie Perchlorat gefunden wurde, finanzierte Nestlé die Sanierung.

Der Lebensmittelgigant will von der steigenden Nachfrage nach Tafelwasser auf dem US-Markt profitieren: Im Großhandel überholten die Umsätze für Tafelwasser 2016 mit 16,4 Milliarden Dollar erstmals die von Softdrinks mit 12,5 Milliarden, erklärt das US-Beratungsunternehmen Beverage Marketing. Gleichzeitig wird der Zugang zu Trinkwasser immer problematischer: Nach einer Studie der Michigan State University 2017 könnte Leitungswasser für bis zu 36 Prozent der US-Haushalte innerhalb der nächsten fünf Jahre unerschwinglich werden.

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
USA
DWN
Politik
Politik Patient Pflegeversicherung: Es fehlen Milliarden in den Kassen
13.07.2025

Immer mehr Pflegebedürftige in Deutschland – und die Finanzierungslücke wächst. Der Bundesrechnungshof warnt und spricht von über 12...

DWN
Technologie
Technologie KI als Mobbing-Waffe: Wenn Algorithmen Karrieren zerstören
13.07.2025

Künstliche Intelligenz soll den Arbeitsplatz smarter machen – doch in der Praxis wird sie zum Spion, Zensor und Karriere-Killer. Wer...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Keine reine Männersache – Geschlechterunterschiede beim Investieren
13.07.2025

Obwohl Frauen in sozialen Medien Finanzwissen teilen und Banken gezielt werben, bleibt das Investieren weiterhin stark männlich geprägt....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Renault: Globales KI-System soll helfen, jährlich eine Viertelmilliarde Euro einzusparen
13.07.2025

Produktionsstopps, Transportrisiken, geopolitische Schocks: Renault setzt nun auf ein KI-System, das weltweite Logistik in Echtzeit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kaffeepause statt Burn-out: Warum Müßiggang die beste Investition ist
12.07.2025

Wer glaubt, dass mehr Tempo automatisch mehr Erfolg bringt, steuert sein Unternehmen direkt in den Abgrund. Überdrehte Chefs,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Kapitalmarktunion im Rückstand: Banker fordern radikale Integration
12.07.2025

Europas Finanzelite schlägt Alarm: Ohne eine gemeinsame Kapitalmarktunion drohen Investitionen und Innovationen dauerhaft in die USA...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauzinsen aktuell weiterhin hoch: Worauf Häuslebauer und Immobilienkäufer jetzt achten sollten
12.07.2025

Die Zinsen auf unser Erspartes sinken – die Bauzinsen für Kredite bleiben allerdings hoch. Was für Bauherren und Immobilienkäufer...

DWN
Finanzen
Finanzen Checkliste: So vermeiden Sie unnötige Kreditkarten-Gebühren auf Reisen
12.07.2025

Ob am Strand, in der Stadt oder im Hotel – im Ausland lauern versteckte Kreditkarten-Gebühren. Mit diesen Tricks umgehen Sie...