Die britische Wirtschaft ist zu Jahresbeginn kaum noch gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg in den ersten drei Monaten des Jahres nur noch um 0,1 Prozent, wie das Statistikamt (ONS) am Freitag auf Basis vorläufiger Daten in London mitteilte. Dies ist der niedrigste Anstieg seit Anfang 2012.
Von Reuters befragte Ökonomen hatten mit einem Wert von 0,3 Prozent gerechnet, nachdem das BIP Ende 2017 noch um 0,4 Prozent gestiegen war. Reuters erklärt die überraschende Abweichung mit Schneestürmen, die Großbritannien Ende Februar und Anfang März heimsuchten.
Zwar gingen die Bautätigkeiten im ersten Quartal wahrscheinlich tatsächlich aufgrund des Wintersturms deutlich um 3,3 Prozent zurück, das ONS selbst jedoch sieht in dem Wetterphänomen nicht den Grund für die Schwäche der Wirtschaft. Der Einfluss des Wetters sei „relativ gering“ und das „schwache Ergebnis reflektiert verschiedene Schwachstellen, die breit in der Volkswirtschaft verteilt sind,“ zitiert die Financial Times aus dem Bericht der Statistikbehörde.
Der große Dienstleistungssektor wuchs im ersten Quartal schwächer als im Schlussquartal 2017. Die Industrie expandierte dagegen stärker, allerdings gestützt durch den Öl- und Gassektor. Die Warenherstellung im Verarbeitenden Gewerbe ging hingegen zurück.
Angesichts der Konjunkturabschwächung und einer abflauenden Inflation hat die Notenbank eine für Mai ins Auge gefasste Zinserhöhung offenbar abgeblasen und den Finanzmärkten jüngst einen entsprechenden Fingerzeig gegeben.
Ein wichtiger Grund für die Absage der Notenbank an eine geldpolitische Straffung dürfte zudem in dem Umstand begründet sein, dass Millionen Briten hoch verschuldet sind und einen Anstieg des Zinsniveaus finanziell nicht verkraften können.
In Reaktion auf die schwachen Wachstumszahlen geriet das britische Pfund erheblich unter Druck. Auch die Kapitalmarktzinsen gaben nach, auch über Großbritannien hinaus. An den Anleihemärkten hatte zuletzt auch die größere Vorsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) für Zinsdruck gesorgt. EZB-Präsident Mario Draghi hatte am Donnerstag nach der Zinssitzung gesagt, der EZB-Rat sei angesichts schwächerer Konjunkturdaten vorgewarnt, ohne jedoch die Zuversicht zu verlieren.
Die Daten aus Großbritannien reihen sich in eine Serie negativer Konjunkturdaten ein, die auf eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums in der Eurozone und eventuell weltweit schließen lassen.
***
Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:
Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.