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Anlage-Skandal: Eine Million Container spurlos verschwunden

Lesezeit: 2 min
18.05.2018 21:37
Eine Million Standardcontainer, die die Firma P&R an Investoren verkauft hat, sind verschwunden. Der Schaden wird auf 2,5 Milliarden Euro geschätzt.
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Die Geschichte der Investmentfirma P&R aus Grünwald bei München begann 1975. Damals gründete der Österreicher Heinz Roth ein Unternehmen, das Standardcontainer an Investoren verkaufte. Gleichzeitig wurden diese von den Anlegern zurückgemietet. Neben der laufenden Miete floss meist fünf Jahre später auch das Geld für die Boxen zurück, sodass eine ansehnliche Rendite übrig blieb. Aktuell 54.000 Anleger vertrauten darauf und haben über die Jahrzehnte ihr Engagement häufig stark erweitert. Deshalb stehen aktuell 3,5 Milliarden Euro im Feuer.

Im März und im April diesen Jahres endete die Erfolgsstory. Mehrere P&R-Gesellschaften stellten Insolvenzanträge und die meist schon älteren Investoren fielen aus allen Wolken. Seit dem versuchen die vorläufig bestellten Insolvenzverwalter Michael Jaffé und Philip Heinke Ordnung in das Chaos zu bringen. Und wie sie nun bekannt gaben, steckt mehr als Schlamperei hinter dem Scheitern: „Nach den jetzt vorliegenden ersten, noch vorläufigen Ergebnissen der Auswertung der Systeme sind von den vier deutschen Container-Verwaltungsgesellschaften zum heutigen Stand rund 1,6 Millionen Container an die rund 54.000 Anleger verkauft worden. Dem steht eine Containerflotte von rund 0,6 Millionen. gegenüber, wobei sämtliche Angaben noch im Einzelnen verprobt werden müssen.“

Doch damit nicht genug. Das offenbar betrügerische System wird schon seit vielen Jahren betrieben. Bereits 2007 öffnete sich die Schere zwischen den verkauften Containern und den tatsächlich vorhandenen Boxen. Drei Jahre später, im Jahr 2010 betrug die Lücke bereits 600.000 Stück. Und bis heute sie auf eine Million Standardcontainer angewachsen. Deshalb hat die Staatsanwaltschaft München fast zeitgleich mit den vorläufigen Insolvenzverwaltern die Aufnahme von Ermittlungen erklärt: „Die Staatsanwaltschaft München I hat am 11.05.18 Ermittlungen gegen frühere und heutige Geschäftsführer der P&R Gruppe unter anderem wegen des Verdachtes des Betruges aufgenommen.“ Konkrete Namen wurden nicht genannt. Aufgrund der Schwere des Falls wurde bereits eine eigene Arbeitsgruppe gegründet. Sie läuft unter dem Titel „Container“.

Was das für die Investoren nun alles bedeutet, ist in vielen Bereichen noch völlig unklar. Einzig sicher ist, dass erhebliche Teile ihres Geldes verloren sind. Grob überschlagen steht dem noch vorhandenen Vermögen von 850 Millionen Euro (600.000 Container x 1.400 Schätzwert pro Stück) ein einbezahltes Kapital von 3,5 Milliarden Euro gegenüber. Das entspräche einer Quote von 25 Prozent. Anders ausgedrückt wären Dreiviertel des Geldes verloren. Michael Jaffé spricht in seiner Wasserstandsmeldung sogar von einem Szenario, bei dem nichts mehr übrig bleiben würde. Das ist die Schadensbandbreite, auf die sich die zur Hälfte über 60 Jahre alten Investoren einstellen müssen.

Die Suche nach den Schuldigen läuft deshalb nicht nur bei der Staatsanwaltschaft auf Hochtouren. Neben den direkt bei P&R verantwortlichen Geschäftsführern stehen auch Wirtschaftsprüfer, Finanzanalysten und Anlageberater im Fokus. Und selbst die Aufsichtsbehörde BaFin muss sich Vorwürfe gefallen lassen, im Fall P&R ihren Job nicht richtig gemacht zu haben. Kritische Stimmen haben schon länger vor dem langfristig nicht tragfähigen Geschäftskonzept gewarnt. Deshalb werden die Gerichte über viele Regressansprüche zu entscheiden haben. Und am Ende auch die Politik darüber, ob bestehende Gesetze ausreichen oder ob diese nicht dringend anzupassen sind.

***

Stefan Loipfinger hat kürzlich das Buch „Achtung, Anlegerfallen!“ veröffentlicht. In diesem beim Finanzbuch Verlag erschienen Werk (ISBN: 978-3-95972-087-8) wurde schon vor P&R gewarnt. Ein Grund dafür waren aufgezeigte Mietunterdeckungen in dreistelliger Millionenhöhe, die nur durch neues Anlegergeld ausgeglichen werden konnten.

Mit konkreten Zahlen und Fakten wurde aber nicht nur das zweifelhafte P&R-Modell entlarvt. Von Anleihen über Lebensversicherungen, Zertifikaten und Immobilienfonds bis zu modernen Crowdinvestments werden konkrete Beispiele beim Namen genannt, die häufig unterschätzte Risiken in sich bergen. In seinem Blog [www.investmentcheck.de] berichtet er regelmäßig über den grauen Kapitalmarkt.

Das Buch kann hier direkt beim Verlag bestellt werden oder ist im guten deutschen Buchhandel oder auf Amazon erhältlich.


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