Politik

Italien: IWF-Mann versucht Bildung einer Regierung

In Italien hat der frühere IWF-Mann Carlo Cottarelli das Mandat zur Bildung einer Regierung erhalten.
28.05.2018 13:15
Lesezeit: 2 min

Nach der gescheiterten Bildung einer Regierung rutscht Italien immer tiefer in die politische Krise: Präsident Sergio Mattarella beauftragte am Montag zwar den früheren IWF-Manager Carlo Cottarelli mit der Bildung einer Übergangsregierung, dieser kündigte aber umgehend vorgezogene Wahlen für Herbst, spätestens Anfang 2019 an. Die Fünf-Sterne-Bewegung forderte die Absetzung des Präsidenten, der mit seinem Veto die Bildung einer Euro-skeptischen Regierung verhindert hatte.

Cottarelli, zuletzt Direktor des Rechnungshofs, war von 2008 bis 2013 ranghoher Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds (IWF) und anschließend Sparkommissar der italienischen Regierung. In dieser Zeit handelte er sich wegen der Sparmaßnahmen den Spitznamen „Herr Schere“ ein.

Den Termin für Neuwahlen machte er vom Parlament abhängig, in dem die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega die Mehrheit haben, die sich auf eine Regierungskoalition geeinigt hatten. „Ich werde mich dem Parlament mit einem Programm vorstellen, das, wenn ich das Vertrauen ausgesprochen bekomme, die Abstimmung über den Haushalt 2019 einschließen wird“, sagte der 64-Jährige. Anschließend werde das Parlament aufgelöst – „mit Wahlen Anfang 2019“.

Allerdings gilt es als unwahrscheinlich, dass Cottarelli die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich bringt. In diesem Fall werde es „nach dem Monat August“ Wahlen geben, sagte er. Die Regierung werde dann sofort zurücktreten und nur noch geschäftsführend tätig sein.

Die Übergangsregierung werde „neutral bleiben“, sagte Cottarelli. Zugleich sagte er aber auch, seine Regierung werde „entschieden europäisch“ sein. Als Gründungsmitglied der Europäischen Union „bleibt unsere Rolle unentbehrlich, genauso wie die Fortsetzung unserer Mitgliedschaft in der Eurozone“.

Mattarella hatte am Sonntag sein Veto gegen die Berufung des 81-jährigen Euro-Gegners Paolo Savona zum Wirtschafts- und Finanzminister eingelegt. Daraufhin gab der von der Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega als Ministerpräsident nominierte Giuseppe Conte den Auftrag zur Regierungsbildung an Mattarella zurück.

Nach dem Platzen ihrer Koalition wegen Mattarellas Veto reagierten die beiden Partner empört. Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio sagte am Sonntagabend, er werde unter Berufung auf Artikel 90 der Verfassung die Absetzung des Präsidenten durch das Parlament fordern. Dem Artikel zufolge kann der Präsident vor dem Parlament wegen Hochverrats oder Verletzung der Verfassung angeklagt werden.

Lega-Chef Matteo Salvini sagte: „Italien ist kein freies Land, es ist ein finanziell besetztes Land, nicht militärisch, von den Deutschen, von den Franzosen und von den Bürokraten aus Brüssel.“

Auch gegen Cottarelli bezogen die Parteichefs umgehend Stellung. Salvini bezeichnete Cottarelli als „einen Herrn Niemand, der die internationale Finanz repräsentiert“. Di Maio nannte ihn „einen dieser Experten, Besserwisser, die uns erdrückt haben, indem sie die Gesundheit, Bildung, Landwirtschaft zurückgeschnitten haben“. Die beiden Parteien hatten im hochverschuldeten Italien den Austeritätskurs aufgeben wollen; auch nach dem Platzen ihrer Koalition blieben die Börse in Mailand und die Finanzmärkte – nach einer anfänglichen Erholung – am Montag doch weiter skeptisch.

Salvini kündigte im Rundfunk auch an, er werde im Parlament umgehend die Debatte über eine Wahlrechtsreform anstoßen, die bei der nächsten Wahl eine klare Mehrheit ermöglichen soll. Seit der Parlamentswahl am 4. März hat die Lega noch an Zustimmung zugelegt: Bei der Wahl erhielt sie 17 Prozent, inzwischen kommt sie in Umfragen auf 22 Prozent. Bei den anderen Parteien blieb die Zustimmung stabil.

Um die nächste Wahl zu gewinnen, müsste die Lega allerdings erneut ein Rechtsbündnis eingehen. Ob dies die aktuelle Krise übersteht, ist fraglich: Salvinis Bündnispartner, Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi, hatte sich am Sonntagabend hinter Mattarella gestellt. „Wenn Berlusconi Cottarelli das Vertrauen ausspricht, ist die Allianz zerbrochen“, warnte Salvini bereits.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Immer mehr XRP- und ETH-Inhaber wenden sich still und leise an OPTO-Miner, um 3.000 Dollar pro Tag zu verdienen

Im derzeit unberechenbaren Kryptomarkt entscheiden sich immer mehr Anleger dafür, langsamer zu werden und sich nicht mehr von...

DWN
Technologie
Technologie Rekordfahrt auf Strom: Lucid überquert Alpen – E-Auto schafft 1205 Kilometer
09.07.2025

Ein neuer Reichweitenrekord zeigt, wie leistungsfähig moderne Elektroautos inzwischen sind: Ein Fahrzeug des US-Herstellers Lucid hat mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wirtschaft und KI: Jeder zweite Arbeitnehmer zweifelt an Deutschlands wirtschaftlicher Zukunft
09.07.2025

Eine aktuelle Umfrage zeigt: Viele Beschäftigte sind skeptisch, ob Deutschland im Zeitalter der künstlichen Intelligenz wirtschaftlich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Grünes Image unter Druck: EU plant strengere Regeln für Umweltwerbung
09.07.2025

Begriffe wie „klimaneutral“ oder „biologisch abbaubar“ begegnen Verbraucherinnen und Verbrauchern inzwischen fast überall – von...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschlands 500-Milliarden-Euro-Infrastrukturplan: Eine Chance für europäische Bauunternehmen?
09.07.2025

Deutschland plant das größte Infrastrukturprogramm seiner Geschichte. Doch es fehlen Bauarbeiter. Können andere europäische Firmen und...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs stabil trotzt Milliardenbewegung: Anleger bleiben dennoch vorsichtig
08.07.2025

80.000 Bitcoin aus der Satoshi-Ära wurden bewegt – doch der Bitcoin-Kurs blieb stabil. Was hinter dem Rätsel steckt, warum Investoren...

DWN
Politik
Politik Steinmeier drängt auf mehr gemeinsame Rüstungsprojekte in Europa
08.07.2025

Bei seinem Besuch in Lettland hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für mehr Zusammenarbeit in der europäischen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schwäche in China bremst Porsche: Absatz geht im ersten Halbjahr zurück
08.07.2025

Porsche muss im ersten Halbjahr 2025 einen spürbaren Rückgang beim Fahrzeugabsatz hinnehmen. Besonders in China läuft das Geschäft...

DWN
Politik
Politik Trump verspricht Raketen für die Ukraine – doch zu welchem Preis?
08.07.2025

Donald Trump kündigt neue Waffenlieferungen an die Ukraine an – obwohl er sich lange zurückhielt. Ein Signal der Stärke oder Teil...