Nach dem der Bericht der französischen Tageszeitung Le Monde, werden große Teile des Opel-Entwicklungszentrums an den französischen Entwicklungsdienstleister Altran verkauft zu werden. Die bei der Übernahme von Opel gegebenen Beteuerungen des PSA-Chefs Carlos Tavares, Opel bleibt ein eigenständiger Autobauer, der für deutsches Engineering steht, scheint wenig ehrlich und ernst gewesen zu sein.
Der Wert von Opel steckt in seinen 1,2 Millionen Kunden
Es sieht so aus, als verfährt PSA-Chef Carlos Tavares nach dem Motto: Der Wert von Opel liegt in den 1,2 Millionen Käufern von Fahrzeugen und nicht in der Entwicklung oder in der Produktion. Der PSA-Chef Carlos Tavares hat sich mit Opel den Absatz von 1,2 Millionen Neuwagen von GM „gekauft“. Im Beipack war der Sanierungsbedarf der Werke und der Entwicklung. Der Beipack scheint Stück für Stück geschrumpft zu werden. Der Verkauf großer Teile des Entwicklungszentrums ist daher für Chef Tavares nur ein folgerichtiger Sanierungsschritt.
In seinem Sanierungsplan PACE! vom November 2017 hatte Opel-Chef Lohscheller angekündigt, die Opel-Gewinnschwelle (Break Even) bei Opel auf 800.000 Fahrzeuge zu drücken. Mit den bisherigen Maßnahmen des Abbaus von 4.000 Mitarbeitern in Deutschland und dem Verkauf großer Teile des Entwicklungszentrums mit seinen Mitarbeiter kommt Lohscheller diesem Ziel sicher schneller nahe.
Der Verkauf großer Teile des Entwicklungszentrums war ebenso wie der Abbau von vielen Mitarbeiter scheinbar bereits bei der Übernahme geplant. Die Franzosen haben daher von Anfang an mit verdeckten Karten taktiert und der Betriebsrat samt IG-Metall scheint „blind“ gewesen zu sein. Man muß davon ausgehen, dass dies nicht die letzte Aktion zur Profitabilitätsverbesserung sein wird. Opel entwickelt sich damit zu einer Art Verkaufsabteilung mit angeschlossener Produktion und Mini-Entwicklung.
Das Risiko der Strategie: Weitere Kunden können abwandern
Die Strategie, die Opel-Käufer für PSA zu gewinnen macht aus der Perspektive des PSA-Chefs Sinn. Das Risiko liegt auf den Kundenseite und muß zu 100% von Opel und seinen noch verbleibenden Mitarbeitern getragen werden. Die Gefahr liegt darin, Opel hat in der Vergangenheit bereits rasant an Bedeutung in Europa verloren und verzeichnet noch 5,7% Marktanteil in Europa. Mit der Übernahme durch PSA hat der Schwund an Marktbedeutung erheblich Fahrt gewonnen. Opel steht damit in Europa, definiert als EU 28 mit EFTA, mit gerade noch 5,7% Marktanteil da. 1995 hatte Opel mit 12,5% Marktanteil mehr als die doppelte Marktbedeutung in der damaligen EU+EFTA.
Dabei ist ein Großteil dieser verbleibenden Opel-Marktanteile mit hohen Eigenzulassungen verbunden. Opel laufen die Kunden schon länger weg. So waren mehr als 41 Prozent der Opel-Neuwagenzulassungen in den ersten fünf Monaten in Deutschland Eigenzulassungen. Im Gesamtmarkt lag der Eigenzulassungsanteil bei 28,6%, bei VW bei 26,5% und bei Ford auf dem niedrigen Niveau von 17,0%. Opel
Kunden sind nicht so treu, wie beim Wettbewerb. Man muß sie mit Tageszulassungen und jungen, billigen und jungen Gebrauchtwagen ködern.
Zu dieser schwachen Kundenloyalität kommt zukünftig immer stärker die sinkende Eigenständigkeit der Fahrzeuge. Opel-Fahrzeuge werden austauschbar mit den Peugeot und Citroens. Da die Peugeot und Citroen Kundengemeinde wenig attraktiv für konventionelle Opel-Käufer ist, kann man das weitere Schrumpfen der Opel- Kunden prognostizieren. Das bestätigen auch die ersten Autotests meinungsbildender Testzeitschriften. So hat im Mai 2018 Heft der ADAC-motorwelt der PSA-Opel Crossland X nur den letzten Platz im Vergleichstest mit dem Seat Arona, Hyundai Kona, Kia Stonic gelandet. Störende Motorvibrationen, hakeliges Getriebe, gefühllose Lenkung, mäßige Bremsen hatte der ADAC beim PSA-Opel Crossland X zusätzlich zum relativ schlechten Preis-Leistungsverhältnis moniert.
Beim neusten Vergleichstest der Zeitschrift „Auto, Motor, Sport“ vom 21. Juni 2018 erzielte der Crossland X gegenüber den Vergleichsfahrzeugen VW T-Roc und Seat Arona deutlich abgeschlagen den letzten Platz. Die Voraussetzungen für zukünftige Verkaufserfolge mit den neuen PSA-Opel-Fahrzeugen sind damit schlecht. Aber das dürfte man bei PSA einkalkuliert haben und auch deshalb hat Lohscheller seinen Break-Even auf 800.000 Fahrzeuge festgelegt.
Fazit: Opel entwickelt sich zur einer PSA-Verkaufsabteilung
Der Deal kann für PSA „profitabel“ werden. Die Kosten für Opel sind hoch und werden ausschließlich von dem restlichen und kontinuierlich schrumpfenden Opel- Mitarbeiterstamm getragen. PSA hat sich den Opel-Absatz „gekauft“ und wird zur Hülle für Citroen- und Peugeot-Fahrzeuge. Die Verkaufszahlen der neuen PSA-Opel- Modelle und die Absichtserklärungen, sehen wenig zukunftsfähig für eine eigenständige Marke Opel aus. Der von Le Monde berichtete Verkauf großer Teile des Opel-Entwicklungszentrums an einen Entwicklungsdienstleister dürfte nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zum „schlanken“ Opel sein. Dem PSA-Chef Tavares scheint „deutsches Engineering“ und „deutsche Autos“ deutlich weniger Wert zu sein als er wortreich in Pressemeldungen behauptet.
***
Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer ist Direktor des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen sowie Inhaber des Lehrstuhls für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.