Politik

Türkei: Razzia gegen Islamisten wegen Spionage-Vorwurf

Am Mittwoch wurde in der Türkei eine Razzia gegen eine islamische Sekte durchgeführt. Ihren Mitgliedern werden Spionage für ausländische Geheimdienste und Kindesmissbrauch vorgeworfen.
12.07.2018 00:02
Lesezeit: 2 min

Die türkischen Sicherheitskräfte haben am Mittwochnachmittag eine Razzia gegen den islamischen Sektenführer Adnan Oktar durchgeführt. Bei der Razzia kamen auch Helikopter zum Einsatz. Der Zeitung Yeni Şafak zufolge wurden in Istanbul insgesamt 79 Mitglieder der Sekte festgenommen. Ihnen wird politische und militärische Spionage für ausländische Geheimdienst, Kindesmissbrauch, Kindesentführung, Missbrauch religiöser Gefühle, Urkundenfälschung, Meineid und weitere Straftatbestände vorgeworfen.

Die weiblichen Mitglieder der Gruppe sollen insbesondere im Rahmen des Ergenekon-Verfahrens gegen angebliche türkische Putschisten Spionage-Tätigkeiten durchgeführt haben. Später kam heraus, dass die angeblichen Beweise gegen die Militärs allesamt gefälscht gewesen sind.

Dem Verfassungsschutzbericht des Landes Baden-Württemberg aus dem Jahr 2003 zufolge bedient sich Adnan Oktar (Harun Yahya) bei seiner kreationistischen Argumentation den Quellen christlicher Fundamentalisten aus den USA. Insbesondere nimmt er das Material des „Institute for Creation Research“ (CSR) als Grundlage. Weiterhin sprach Harun Yahya des Öfteren von einem Bündnis zwischen Nazis und Zionisten, das gebildet worden sei, um die Juden nach Palästina überzusiedeln. Der Holocaust sei eine Übertreibung einiger „kriegsbedingter Verluste“ gewesen. Ein „Judengenozid“ habe niemals stattgefunden. Doch später distanzierte er sich von diesen Aussagen.

Hizbut-Tahrir und IS

Bereits im vergangenen Jahr fanden Razzien gegen die islamistische Bewegung „Hizbut-Tahrir” statt. Dabei wurden nach Angaben der „Hizbut-Tahrir”-nahen Webseite Islahhaber über 300 Personen festgenommen. Die Gruppe hatte im Verlauf der türkischen Operationen in Syrien seit 2016 zum Sturz der Regierung aufgerufen. Die Lesart von „Hizbut-Tahrir”, die nach Angaben des Hudson Institutes vor allem in Großbritannien aktiv ist und sich dort frei bewegen kann, sei interessant. Die Gruppe kritisierte auf ihrer türkischsprachigen Webseite die Operation scharf. Das Ziel sei es, die Konzentration der Kämpfer der Freien Syrischen Armee (FSA) auf ISIS zu richten, um Russland und Syrien in der Schlacht um Aleppo zu entlasten. Hizbut-Tahrir wörtlich: „Vor der Operation 'Euphrats Shield' war die Belagerung durch die syrische Armee in Aleppo durchbrochen worden. Es fehlte nicht mehr viel, um Aleppo vollständig zu säubern. Doch nach Beginn der Operation 'Euphrats Shield' gewannen die Russen und die Regime-Kräfte wieder die Oberhand, weil die bewaffneten Gruppen der FSA anfingen, verschiedene Ziele zu verfolgen. Die Beteiligung an der türkischen Operation ist eine Sünde. Die Operation 'Euphrats Shield' verfolgt das Ziel, die Befreiung Aleppos vom Regime zu verhindern.“

Hizbut-Tahrir ist nach Angaben des Bundesamts für Verfassungsschutz seit dem 10.01.2003 in Deutschland verboten. Als Begründung nennt die Behörde: „Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung, Befürwortung von Gewalt zur Durch­setzung politischer Belange.”

In der vergangenen Woche fand in Istanbul eine Razzia gegen die Terror-Miliz IS statt. Dabei wurden insgesamt 33 Personen, von denen 28 ausländische Staatsbürger sein sollen, festgenommen, berichtet die Zeitung Sözcü.

Die Furkan-Gemeinschaft

Im Mai 2018 hatten die türkischen Sicherheitskräfte in zehn Städten (Adana, İstanbul, Ankara, Elazığ, Samsun, Gaziantep, Konya, İzmir, Hatay und Kahramanmaraş) Razzien gegen die islamistische „Furkan-Bewegung” (FV) durchgeführt, so die Hürriyet. Von der FV gehe nach Angaben der Staatsanwaltschaft eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit aus. Zudem wird ihr Geldwäsche vorgeworfen.

Diese Gemeinschaft setzt sich nach eigenen Angaben nicht nur für die Belange der Muslime in der Türkei, sondern auch für die Belange der Muslime im Kaukasus ein. Alparslan Kuytul ist das Oberhaupt der Bewegung. Schamil Bassajew, ein islamistischer Fundamentalist aus dem Kaukasus, der 2006 vom russischen Geheimdienst FSB getötet wurde, gilt als Identifikationsfigur der Bewegung.

Das Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg führt aus: „Als Zielvorstellung strebt die FV eine als Staatswesen handelnde ‘Islamische Zivilisation‘ an. Diese als alternativlos angesehene Gesellschaftsordnung würde sich ausnahmslos islamischen Prinzipien wie zum Beispiel der Rechtsordnung der Scharia unterwerfen.”

 

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